In einem offenen Brief mit dem Titel „Baut die Kitas jetzt aus!“ haben sich 24 Wissenschaftler der Disziplinen Erziehungswissenschaft, Medizin, Psychologie, Ökonomie, Rechtswissenschaft und Soziologie dafür ausgesprochen, die jetzt frei werdenden finanziellen Mittel für eine Verbesserung der Qualität der öffentlichen Bildungs- und Betreuungsinstitutionen und die Intensivierung ihrer Elternarbeit zu nutzen. Das Schreiben wurde veröffentlicht, nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das Betreuungsgeld in seiner jetzigen Form kippte (Versicherungsbote berichtete).

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Probleme vor allem bei einkommensschwachen und bildungsfernen Familien

Ein wichtiger Kritikpunkt der Wissenschaftler: Gerade für einkommensschwache und bildungsferne Familien sei das Betreuungsgeld kurzfristig attraktiv, weil es „das Haushaltbudget erhöht“. Diese Kinder bedürfen aber der besonderen Förderung. Auch könnten die Eltern von den Anregungen der Bildungseinrichtungen profitieren.

In einem Abschnitt des Briefes heißt es: „Statt aber Eltern einen finanziellen Anreiz zu geben, ihre Kinder nicht in öffentlich unterstützte Bildungs- und Betreuungseinrichtungen zu geben, sollte die Politik eine enge Kooperation von Elternhaus und Einrichtungen fördern. Je besser die öffentliche mit der privaten Erziehung abgestimmt ist, desto mehr profitieren sowohl die Eltern als auch die Kinder. Für die Eltern ergibt sich aus der Kooperation die öffentliche Anerkennung ihrer zentralen Rolle als Erziehungs- und Bildungsverantwortliche. Für die Kinder entstehen durch die Kooperation vielfältige Erfahrungs- und Anregungsräume, die ihre körperliche, psychische, sprachliche, emotionale und intellektuelle Entwicklung fördern. Gerade für Kinder aus anregungsarmen Familien liegt hierin ein Gewinn.“

Wissenschaftler sprachen sich bereits 2012 gegen Einführung des Betreuungsgeldes aus

Bereits im September 2012 hatten sich die Experten in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen die Einführung des Betreuungsgeldes ausgesprochen. Damals erklärten die Wissenschaftler: "Eine an den Lebenswünschen der großen Mehrheit der Bevölkerung und den Erkenntnissen der Wissenschaft orientierte Familienpolitik sollte auf das Betreuungsgeld verzichten. Käme das Betreuungsgeld, dann wäre das ein großer Rückschritt auf dem Wege, Familien- und Kinderpolitik in Deutschland auf die heutigen veränderten Lebensbedingungen zuzuschneiden und mit einer zukunftsfähigen Gleichstellungs- und Arbeitsmarktpolitik zu verbinden".

Nachdem die Regierung die damalige Empfehlung der Experten ausgeschlagen und das Betreuungsgeld auf Drängen der CSU eingeführt haben, sehen diese sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nun zu einem offenen Brief veranlasst.

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Bei den Autoren handelt es sich um die Wissenschaftler:

  • Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
  • Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Frankfurt
  • Prof. Dr. Martin Diewald, Universität Bielefeld
  • Prof. Dr. Sigrun Heide-Filipp, Universität Trier
  • Prof. Dr. Wassilios Fthenakis, Freie Universität Bozen
  • Prof. Dr. Karin Gottschall, Universität Bremen
  • Prof. Dr. Karsten Hank, Universität zu Köln
  • Prof. Dr. Johannes Huinink, Universität Bremen
  • Prof. Dr. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
  • Prof. Dr. Berthold Koletzko, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld, Max Planck Institut für demografische Forschung Rostock
  • Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Prof. Dr. Notburga Ott, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Hans-Uwe Otto, Universität Bielefeld
  • Prof. Dr. Helmut Rainer, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Prof. Dr. Kirsten Scheiwe, Universität Hildesheim
  • Prof. Dr. Reinhold Schnabel, Universität Duisburg-Essen
  • Prof. Dr. Axel Schölmerich, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Universität Hildesheim
  • Prof. Dr. C. Katherina Spieß, DIW Berlin und Freie Universität Berlin
  • Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Heike Trappe, Universität Rostock
  • Prof. Dr. Martin Werding, Ruhr-Universität BochumProf.
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