In seinem früheren Leben hatte Ralph H. wenig mit Finanzen zu tun, denn er ist gelernter Elektriker. Und doch ist er nun in einen der größten Finanzskandale der Bundesrepublik verwickelt. 40.000 Verbraucher hatten in Ordnerschuldverschreibungen der Infinus-Gruppe investiert, am Ende hatten sie dem windigen Unternehmen fast eine Milliarde Euro anvertraut. Viele werden herbe Verluste erleiden.

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Ralph H. sitzt an beiden Seiten des Tisches: er ist Täter und Opfer zugleich. Einerseits hat er als Finanzberater hunderten Kunden die Produkte von Infinus vermittelt. Andererseits investierte er selbst 60.000 Euro in windige Papiere der Finanzgruppe. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass er das Geld in ein Schneeballsystem pumpt. Denn der Quereinsteiger verstand die Finanzprodukte einfach nicht, die er vertrieb. Ein paar Motivationsseminare genügten, um als Infinus-Berater tätig zu werden. Derzeit ist Ralph H. pleite und arbeitslos.

Unwissenheit auf beiden Seiten

Das Beispiel des unglücklichen Finanzvermittlers Ralph H. wird in der aktuellen Ausgabe des MDR-Magazins "Exakt" vorgestellt. Der Sender hat sich auf Spurensuche begeben und jene Menschen porträtiert, die in den Skandal um den Dresdner Finanzvertrieb Infinus verwickelt sind. Sie stießen auf enttäuschte Kunden, die fast alles verloren haben, auf unfähige Vermittler und skrupellose Unternehmer. Und ganz viel Unwissenheit.

Nach Ansicht der Ermittler hatte der Infinus-Mutterkonzern Fubus (Financial Business KGaA) ein Schneeballsystem etabliert, das langfristig zum Zusammenbruch führen musste. Wie das System funktionierte, wird in der MDR-Reportage erklärt:

Demnach verkauften die Anleger ihre Lebensversicherung über den Vermittler Infinus an die Anlagegesellschaft Fubu und erhielten als Gegenleistung riskante Finanzprodukte. Der Mutterkonzern investierte das Geld in Sachwerte wie Gold und Immobilien. Um an frisches Geld zu kommen, mussten die aufgekauften Lebensversicherungen beliehen werden, das heißt: bereits angespartes Kapital wurde aus den Verträgen herausgelöst. Und dieses Geld wurde wiederum in Lebensversicherungen der eigenen Mitarbeiter investiert.

So wurden Gewinne vorgetäuscht, die gar nicht vorhanden waren. Die Manager des Finanzunternehmens verprassten das Geld der Anleger für schnelle Autos, prächtige Villen und Partys. Das System konnte aber nur funktionieren, solange immer neue Kunden hinzukamen und ihr Geld der Infinus anvertrauten.

Und diese Kunden waren mehrheitlich Kleinanleger, wie der MDR-Beitrag offenbart. Menschen, die eigentlich jeden Cent umdrehen müssen und sich nur ein bisschen was beiseite gelegt hatten. 70 Prozent der Kunden investierten nicht mehr als 15.000 Euro. Viele Geldgeber waren Rentner, die ihre Lebensversicherung verscherbelten, kurz bevor diese ausgezahlt worden wäre. Die schlechten Empfehlungen der Infinus-Berater machten es möglich.

Das “Infinus-Opfer“ Gisela Menzel wollte zum Beispiel einen Kredit auf ihr Häuschen abbezahlen. Ein Berater von Infinus besuchte sie zu Hause und überzeugte sie, ihre Lebensversicherung zu kündigen und gemeinsam mit dem Rest ihrer Ersparnisse in Ordnerschuldverschreibungen zu investieren. Der Finanzberater versprach ihr genug Zinsen, um damit die Restschuld ihres Hauses zu begleichen. Nun steht sie vor dem Nichts.

Versäumnisse der Aufsichtsbehörden?

Doch wer schützt die Kleinanleger vor risikoreichen Geldanlagen? Eine Institution erfüllt dies nur bedingt, wie der MDR betont: die deutsche Finanzaufsicht BaFin. Zwar ist es Aufgabe der Behörde, die Verkaufsprospekte der Finanzunternehmen zu prüfen. Aber dabei werden vor allem die „formalen Vorgaben“ beleuchtet – zum Beispiel, ob das Prospekt die richtige Schriftgröße aufweist. Ob jedoch die Versprechungen der Geldeinsammler seriös sind, ist nicht Gegenstand der Beurteilung. Und dies zu bewerten, auch nicht Aufgabe der BaFin.

Der Börsenexperte Dirk Müller zeigt dafür in der Sendung aber wenig Verständnis. Das Problem ist seiner Ansicht nach die geringe Regulierung des „Grauen Kapitalmarktes“. Denn anders als auf dem Parkett der Frankfurter Börse dürfe hier jeder Ungelernte hochriskante Produkte vertreiben. „Das ist ein Skandal", sagt Müller dem MDR.

Vermittler ließen sich genau wie Infinus-Kunden vom schönen Schein blenden und verkauften Finanzprodukte dann begeistert weiter. Der Finanzfachmann sieht den Staat in der Pflicht. Kleinanleger dürften Müller zufolge dem Grauen Kapitalmarkt nicht schutzlos ausgeliefert sein. "Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, dass neue Finanzprodukte, die auf den Markt kommen, geprüft werden." Die Behörden müssten ähnliche Fragen stellen wie bei der Zulassung von Medikamenten, Autos oder Lebensmitteln: "Ist das Produkt so gut? Ist es geeignet, um es an den unbedarften Kleinanleger zu verkaufen?“ Nur dann solle es zugelassen werden.

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Welche Behörde aber soll diese Entscheidungen treffen und beurteilen? Würde sie bei einer Fehleinschätzung auch haften müssen? Diese Fragen sind nicht so leicht zu beantworten. Die neue Bundesregierung diskutiert, ob dem Verbraucherschutz mehr Marktwächter-Aufgaben übertragen werden können. Doch sind Institutionen wie die Stiftung Warentest oder die Verbraucherzentralen auch kompetent genug?

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