“Es ist nicht der König der Löwen – aber es ist überraschend unterhaltsam.“ Mit diesem Fazit kündigte gestern das amerikanische Insurance Journal ein waghalsiges Experiment der Unterhaltungsindustrie an. Erstmals sollte am Broadway in New York ein Musical aufgeführt werden, bei dem sich alles „um Gier und Korruption, um Sex, Bürokratie und Tanz“ drehen soll. Oder mit anderen Worten: um die Verheißungen der Versicherungswirtschaft. „Es ist das erste Musical, das sich der Erforschung der Schadens- und Unfallversicherung widmet!“, so hätten Historiker herausgefunden. Die Generalprobe in Hartford (Connecticut) sei im September sehr erfolgreich verlaufen.

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Der Versicherungsagent als Held und Liebhaber

Der Plot des Stückes „Insurance – das Musical“ kreise um ein Kartell von Rechtsanwälten und Ärzten, welche im großen Stil Autounfälle für den Versicherungsbetrug inszenieren. Sie besitzen mehrere Kliniken und Autohäuser für ihr verderbliches Geschäft. Aber zwei ehrgeizige Versicherungsagenten heften sich an ihre Fersen, um den Betrug aufzudecken!

Da wäre zum einen der ehrgeizige Dougie, gespielt von Mr. Don Summers, der auch aus der Fernsehserie „Mayhem Guy“ bekannt sei. Seine Versicherung habe die Körperteile einer Schauspielerin versichert, die in einem der inszenierten Unfälle schwer verletzt wurde. Seine Partnerin ist Shirley, eine großmäulige und leicht vulgäre Schadenreguliererin und Versicherungsdetektivin. Die erregende Arroganz und ausgestellte Ängstlichkeit, mit der Schauspielerin Sophie Courtesy diese Rolle ausfülle, sei beeindruckend, schreibt der Kritiker des Insurance Journal.

Und tatsächlich verspricht das Musical über die beiden Versicherungshelden einiges an Action und Erotik. Bereits der Beginn ein einziges Feuerwerk sinnlicher Eindrücke: noch bevor sich der Vorhang hebt, werden die Zuschauer mit den Gerüchen eines Autounfalls und tönenden Polizeisirenen konfrontiert. Dann folgt ein Bild von Chaos und Zerstörung, Rettungs- und Aufräumarbeiten finden statt, bis schließlich die beiden Versicherungsangestellten auf die Bühne treten: in coolen Outfits wie FBI-Agenten.

Großmütter fahren Autos zu Schrott

Natürlich kommt es auch zu einer heißen Liaison zwischen Dougey und Shirley, zu Sex und Zärtlichkeiten, wenn sich nicht gerade versuchen Doktor Pill dingfest zu machen. Dieser Bösewicht mit Havard-Abschluss heuert in Krankenhäusern arme Großmütter an, damit sie mit Karacho für das Betrügerkartell Autos gegen Strommasten fahren und behaupten, ein Rückenleiden sei Schuld am Unfall gewesen.

Bis der Versicherungsbetrug in einem großen Finale aufgedeckt wird, haben die Versicherungsagenten natürlich Gelegenheit, ihr Talent in Tanz und Gesang zu beweisen. Noch Stunden nachdem der Vorhang gefallen und der Applaus abgeklungen war, ertappte sich der Rezensent des Insurance Journal dabei, wie er die musikalischen Kleinode aus dem Musical sang. Liedzeilen wie: „Ich werd dich nicht anlügen, ich weiß du bist arm, Honey! Also fahr dieses Auto zu Schrott und du kriegst ordentlich Money!“

Keine weiteren Aufführungen des Musicals

Bevor nun die deutsche Assekuranz in Richtung New York aufbricht, um sich das Abenteuer von Dougie und Shirley anzuschauen, muss leider eine traurige Nachricht bekanntgegeben werden: „Insurance – das Musical“ wird keine weitere Aufführung erleben. Dies liegt nicht etwa an den Schwachstellen des Stückes. Hauptdarstellerin Sophie Courtesy tanze, als habe sie Kaugummi an den Schuhen, kritisiert etwa der Rezensent des Insurance Journal. Und mancher müde Song würde klingen wie die Big-Band-Version eines Klingeltons. Sogar einen größeren Publikumserfolg trauen die Finanziers dem Stück zu. „Wenn man aus Silvester Stallones Rocky ein Musical machen kann, dann muss es mit diesem Stoff erst recht gelingen“, so ein Sprecher.

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Aber nein: dass das Musical am Broadway keinen Siegeszug antreten wird, hat einen anderen Grund. Die letzte Aufführung von „Assekuranz – das Musical“ fand am 01. April statt, berichtet das Insurance Journal. Es handelt sich also um einen Aprilscherz. Und man muss schlussfolgern, dass die Autoren es als besonders abwegig betrachteten, Versicherungsangestellte zu Helden eines unterhaltsamen Stoffes zu machen. Vielleicht hätten sie bei Don DeLillo nachlesen sollen, denn in dessen Roman „Die Namen“ ist die Hauptfigur James Axton tatsächlich ein Versicherungsagent – er klärt Ritualmorde im Nahen Osten auf. „Ein spannungsvoller, brillant geschriebener Roman“ urteilten die Kritiker der New York Times über das Abenteuer des Versicherungsangestellten. Und das ganz ohne Scherz!

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