Eigentlich muss man Prinz Charles eine verdammt coole Socke nennen. Der britische Thronfolger soll eine derartige Abneigung gegen allzu weiche Frühstückseier haben, dass er sich von seinem Küchenpersonal mehrere unterschiedlich lang gekochte Eier vorsetzen lässt. Er pflanzt nicht nur bei jeder Gelegenheit einen Baum, sondern spricht auch mit den Pflanzen, und dass die Bäume wie sein eigen Fleisch und Blut sind, bekundet er ganz ungeniert. „Bemerkenswerterweise werden sie wie Kinder, denen man Jahr für Jahr beim Wachsen zusieht“, schrieb er in dem Buch „Harmonie – eine neue Sicht unserer Welt“, das -man muss das betonen- ein Bestseller wurde. Allein als Gemüsehändler erlebte Charles eine bittere Pleite. Niemand wollte die krummen Möhren kaufen, die er im Laden „Veg Shed“ für hausgemachte Bioprodukte anbot.

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Da mag es kaum verwundern, dass ausgerechnet Dylan Thomas zu den Lieblingsautoren des Prinzen zählt. Also jener besessene Dichter, der an seiner Alkoholsucht zugrunde ging und der so eine dunkle und sonore Stimme hatte, dass er für eine BBC-Hörspielfassung von Miltons „Paradise Lost“ den Satan einsprechen durfte. Kurzum: der kauzige Prinz mit den Segelfliegerohren bewegt sich in der Welt mit einem ähnlichen Erstaunen, wie Alice dies im Wunderland tat. Wäre er nicht britischer Thronfolger, er würde wohl Fantasyspiele programmieren, die Tiefsee erforschen oder das Patent für besonders nutzlose Küchengeräte angemeldet haben. Er ist der letzte Hippie, ein Freak und ein Nerd.

130 Euro Rente für den britischen Thronfolger

Nur gearbeitet hat der Prinz of Wales im ganzen Leben noch nicht. Also nicht im eigentlichen Sinne. Hier mal winken, dort mal gucken, dem einen oder anderen Staatschef die Hand schütteln: So muss man sich das Leben eines vielbeschäftigten Prinzen vorstellen. Soeben hat er sich in Indien mit einer Blumenkette bei Opferritualen ablichten lassen. Paul McCartney hätte damit Pluspunkte gesammelt. Charles legt man das als Spinnerei aus. Die Welt kann ungerecht sein zu einem, der seit Jahrzehnten auf seine eigentliche Bestimmung wartet. Denn eigentlich sollte Prinz Charles längst der König von England sein. So wie König Arthur, Richard Löwenherz oder Wilhelm der Eroberer, der es dank Waffengewalt sogar als Franzose auf den britischen Thron schaffte. Prinz Charles benutzt keine Waffen, er ist überzeugter Pazifist. Er befindet sich seit mehreren Dekaden in einer Warteschleife. Im Endlos-Loop der Queen Elisabeth. Und weil das so ist, hat der britische Thronfolger nun eine staatliche Rente beantragen müssen, die in Deutschland nicht einmal der Grundsicherung entsprechen würde.

Es mag absurd sein, aber es stimmt: Charles hat zu seinem 65. Geburtstag eine staatliche Rente beantragt! Wie der Guardian berichtet, erhält der Prinz 110 britische Pfund pro Woche aus der Staatskasse. Das entspricht umgerechnet 130 Euro. Sorgen müssen wir uns trotzdem keine machen. Das Vermögen des britischen Könighauses wird auf 10 Milliarden britische Pfund geschätzt. Es waren die ehrgeizigeren Vorfahren des ewigen König-Azubis, die auf ihren Raubzügen Reichtümer angehäuft haben. Und so hat Charles angekündigt, das Geld für Menschen in Altersarmut zu spenden. Aus der Staatskasse in die Staatskasse sozusagen, was tatsächlich einmal eine besonders faire Art der Umverteilung ist – ohne Berücksichtigung der anfallenden Verwaltungskosten. Denn Charles hat ein großes Herz. Dass er sich um die Pensionen seiner Landsleute sorgt, machte er laut Tagesschau erst kürzlich auf einer Gewerkschaftskonferenz deutlich. „Die Altersvorsorge muss nachhaltiger werden, sonst wird die Zukunft für unsere Enkel bitter“, sagte der Thronfolger bei dem Treffen.

Wir haben Gauck, die Briten bald schon Charles?

Aber Ruhestand ist nicht gleich Ruhestand. Wenn Prinz Charles den britischen Thron endlich erklommen haben sollte, wird er ein ähnliches Amt ausfüllen wie bei uns Bundespräsident Joachim Gauck. Er soll Großbritannien in der Welt repräsentieren. Allerdings mit einem feinen Unterschied: Während der frühere DDR-Bürgerrechtler politisch Stellung beziehen darf und seine Meinung gefragt ist, müsste der zukünftige König von England seine Klappe halten. Und das wird ihm weh tun.

Schon jetzt mischt sich Charles in die Politik ein, schreibt Briefe an irgendeinen Minister, äußerst sich zu allen möglichen Themen. Doch die britische Öffentlichkeit ist darüber not amused. Es widerspricht der Staatsauffassung, dass sich die Royals derart einmischen, schließlich hat sie keiner gewählt. Wenn Prinz Charles mitreden wolle, dann solle er eben für das Parlament kandidieren, schimpfte kürzlich ein Labor-Abgeordneter über seine Majestät im Wartestand. Dabei hat der Prinz durchaus ein Sendungsbewusstsein. „Er ist überzeugt, dass er wirklich etwas verändern könnte und meint, die Menschen würden ihm oft genug nicht zuhören“, sagt der Königshaus-Kenner Hugo Vickers der ARD. Im Dienst seiner Mutter ist der Weltenbummler im letzten Jahr 58.495 Meilen gereist, wie sein Pressebüro mitteilt.

Aber mal ehrlich: Wäre Deutschland überhaupt reif für einen Freak wie Charles, wenn er uns als Staatsoberhaupt repräsentieren sollte? Sind wir nicht zu spießig, wo sich selbst einer wie Christian Wulff dafür rechtfertigen muss, dass er am Telefon Journalisten beschimpft und sich Geld für den Häuslebau leiht? Wie würde die Bild-Zeitung, die FAZ oder die Süddeutsche reagieren, wenn der oberste Repräsentant im Staat fordert: „Bürger, redet mehr mit Blumen, damit schaffen wir eine bessere Welt?“ Wenn er Journalisten zu sich nach Hause einlädt, damit sie die selbstgezüchteten Koniferen streicheln und so den Wert der Schöpfung schätzen lernen? Großbritannien hat die Beatles, Sex Pistols und Iron Maiden, wir haben Pur und Tim Bendzko. Schon dies zeigt, dass der sympathisch kauzige Charles auf der Insel besser aufgehoben ist. Die hiesige Presse würde ihm wohl nicht mal die bunten Ansteckblumen am Revers verzeihen.

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Es gibt einen Trost für alle Bundesbürger. Die Erbfolge im britischen Könighaus sorgt dafür, dass wohl auch Prinz William, Duke of Cambridge und ältester Sohn von Charles und Lady Di, irgendwann den britischen Thron besteigen wird. Das ist mehr so ein Streber und Langweiler, oder mit anderen Worten: Ein rundum seriöser Typ. Nicht unsympathisch, aber eben berechenbar. Es gibt noch Hoffnung, nennt der Duke doch Eminem als einen seiner Lieblingsmusiker. Und so könnte es passieren, dass aus dem Duke doch noch ein Dude wird, wie wir ihn aus dem Film „The Big Lebowski“ kennen und lieben gelernt haben. Cool. Abgehangen. Rotzig. Ein echter König eben. In Deutschland ist dann womöglich ein Mann namens Philipp Mißfelder Bundespräsident, und wir werden wieder neidisch nach Großbritannien schauen.

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