Krankenkassen verklagen Bund
Der GKV-Spitzenverband hat die ersten Klagen gegen den Bund wegen der Finanzierung der Bürgergeld-Bezieher eingereicht. Der Verband spricht von einem „rechtswidrigen Eingriff“ in die Finanzhoheit der Sozialversicherung. Für Versicherte wie Arbeitgeber geht es um Milliarden und die Frage, wer künftig die Last trägt.

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Der Streit um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Bürgergeld-Bezieher eskaliert. Denn der GKV-Spitzenverband hat die ersten Klagen gegen den Bund beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht. Weitere sollen in den kommenden Tagen folgen. Die Krankenkassen werfen dem Staat vor, sie seit Jahren systematisch zu unterfinanzieren und dadurch Versicherte wie Arbeitgeber unzulässig zu belasten.
Kern des Konflikts ist eine strukturelle Finanzierungslücke von rund zehn Milliarden Euro jährlich. Der Staat hat die GKV damit beauftragt, die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeld-Empfänger zu übernehmen. Dabei ist dies eine originäre Fürsorgeaufgabe des Bundes. Doch statt die tatsächlichen Kosten zu tragen, erstattet der Bund nach Angaben des Spitzenverbandes lediglich rund ein Drittel der Ausgaben. Der Rest bleibt an den Krankenkassen hängen.
„Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat, der sich durch die nicht annähernd kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldbeziehende um rund 10 Mrd. Euro selbst entlastet und die GKV jedes Jahr auf diesem Betrag sitzen lässt“, kritisiert Dr. Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin. Diese Unterfinanzierung habe nicht nur erhebliche GKV-Folgen, sondern schwäche auch den Wirtschaftsstandort: Höhere Beitragssätze erhöhten die Arbeitskosten, Beschäftigte hätten weniger Netto vom Brutto. Wagenmann fordert daher „neben notwendigen Strukturreformen endlich eine faire Finanzierung der medizinischen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden“.
Auch der Versichertenvertreter und Co-Verwaltungsratsvorsitzende Uwe Klemens zeigt sich kämpferisch. Seit Jahren weise man die Politik auf die „rechtswidrige Unterfinanzierung“ hin, doch Versprechen seien nie eingelöst worden. „Ab jetzt rollt die Klagewelle und wir lassen nicht locker!“, betont Klemens. Man werde so lange kämpfen, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden habe. „Unsere Versicherten und deren Arbeitgebende dürfen nicht länger mit einer Finanzierungsaufgabe des Staates belastet werden.“
Juristisch steht viel auf dem Spiel. Die GKV argumentiert, dass die unzureichenden Bundeszuschüsse einen Eingriff in ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf organisatorische und finanzielle Selbstverwaltung darstellen (Art. 87 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Zudem liege ein Verstoß gegen die strenge Zweckbindung der Sozialversicherungsbeiträge vor: Diese dürfen laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden.
Geklagt wird gegen die Zuweisungsbescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) für das Jahr 2026. Sie fallen nach Auffassung der Kassen zu niedrig aus, weil der Bund den Gesundheitsfonds nicht ausreichend für die Versorgung der Bürgergeld-Beziehenden ausstattet. Formal beauftragen die Krankenkassen den GKV-Spitzenverband mit der Klageführung; dieser reicht jeweils separate Klagen im Namen der Einzelkassen ein.
Ziel ist, dass das Landessozialgericht eine Richtervorlage nach Karlsruhe anregt und das Bundesverfassungsgericht letztlich über die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Finanzierungsregeln entscheidet. Bis dahin dürfte der Konflikt die ohnehin angespannte Beitragsentwicklung weiter verschärfen.
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