Allianz setzt auf Kundenservice in 60 Sekunden
Die Allianz will mit Hilfe von künstlicher Intelligenz die Abläufe im Versicherungsgeschäft beschleunigen. Dabei sollen insbesondere Serviceprozesse angefasst werden. Ziel sei es Schäden in Sekunden zu bearbeiten und Kunden Hilfe in Echtzeit zu bieten.

Der Münchner Versicherungskonzern Allianz will sich zu einem globalen Technologiekonzern wandeln. Im Zentrum dieser Transformation steht der großflächige Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) – vom virtuellen Callcenter bis hin zur vollautomatisierten Schadensabwicklung. Die Strategie sieht vor Kundenservice auf Amazon-Niveau und Effizienz wie bei Google zu liefern. Das dürfte in der streng regulierten Welt der Versicherungen durchaus eine Herausforderung sein.
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Ein Paradebeispiel für diesen Wandel soll der neue Sprachbot Eric werden, der ab August 2025 zunächst in Deutschland und Frankreich für Allianz Partners, die Assistance-Tochter der Allianz, zum Einsatz kommt. Der künstliche Helfer soll Pannenmeldungen entgegen nehmen, Schäden analysieren und Abschleppdienste koordinieren. Das Ganze soll er in mehr als 20 Sprachen und theoretisch rund um die Uhr machen. Das System sei so programmiert, dass es sogar Tastaturtippen im Hintergrund simuliert, um menschlicher zu wirken. Darüber berichtet das "Handelsblatt"
Doch Eric sei nur der Anfang. Die Initiative „Connected Platforms“, unter der Allianz die Töchter Allianz Partners, Allianz Direct und Solvd zusammenführt, soll zur Blaupause für eine neue Art von Versicherung werden. Ziel sei es, KI nicht nur punktuell, sondern in allen Prozessen einzusetzen – vom Verkauf über den Schadenservice bis zur finalen Regulierung.
Die Vision von Vorständin Sirma Boshnakova ist klar: Bis 2027 soll der operative Gewinn dieser Einheit von 400 auf 800 Millionen Euro verdoppelt werden. Gleichzeitig erwartet der Konzern konzernweite Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro. Grundlage dafür seien neue Plattformen, intelligente Datenverknüpfung und ein massiver Technologieeinsatz.
In der Praxis sieht das so aus: Meldet ein Kunde eine Panne, prüft der Sprachbot in Sekunden die Versicherungsdaten, informiert den Pannenservice und erlaubt dem Kunden, dessen Standort live zu verfolgen. Die Zeitspanne in der der Pannendienst beim Kunde ist liege laut Allianz mittlerweile bei unter einer Stunde – in 75 Prozent aller Fälle. In komplexen Situationen werde ein menschlicher Servicemitarbeiter eingebunden. Die KI erkenne Emotionen und eskaliert automatisch an Menschen – für mehr „Human Touch“.
Zahlungsvorschläge in 60 Sekunden
Auch im Bereich Schadensabwicklung zeigt sich die neue Allianz. Bis zu zehn Prozent der Schäden reguliert das System bereits vollständig automatisiert. Hierzu gehörten auch sehr schnelle Reaktionszeiten. So würden Zahlungsvorschläge binnen 60 Sekunden gemacht. 50 Prozent der Kunden würden diese annehmen. Dadurch könnten die Überweisungen umgehend veranlasst werden. Bei Bagatellschäden genüge die Übermittlung von vier Fotos über eine App, und die KI entscheidet über die Reparatur oder Auszahlung.
Ein Schlüsselfaktor ist die Allianz-Tochter Solvd, die über Millionen von Datensätzen verfügt und diese zur Entwicklung leistungsfähiger KI-Modelle nutzt. Laut Solvd-CEO Anne-Sophie Grouchka soll dies nicht nur den Kundenservice verbessern, sondern auch messbare betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. Schon eine geringe Verbesserung der Schaden-Kosten-Quote von wenigen Prozentpunkten bringe bei dem Konzern schnell Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe.
Der Umbau ist natürlich mit Investitionen verbunden. Fünf Milliarden Euro fließen jährlich in die IT, ein beachtlicher Teil davon in KI-Projekte. Doch Allianz rechnet mit schneller Amortisation: Die derzeitigen KI-Projekte sollen sich in 14 bis 18 Monaten rechnen.
Die größte Herausforderung liege jedoch in der Breite des Umbaus. Ziel sei es, KI nicht nur in der Kfz-Versicherung, sondern in sämtlichen Sparten einzusetzen und damit etwa bei Gesundheit, Hausrat oder Assistance-Leistungen. Dabei setzt der Konzern auch auf seine App Allyz, die neue Funktionen wie Vitaldaten-Messung integriert und als Plattform für verschiedene Versicherungsdienste dienen soll.
Chancen und regulatorische Hürden
Trotz aller Fortschritte – der Weg zum echten Tech-Unternehmen ist noch lang. Experten wie der Leipziger Versicherungsexperte Gregor Weiß mahnen zur Vorsicht. Komplexe IT-Architekturen, Datenschutzvorgaben und hohe regulatorische Hürden unterscheiden die Allianz deutlich von Tech-Konzernen wie Amazon.
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Zwar würde der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Vergleich zur manuellen Bearbeitung von Abrechnungen oder der Prüfung kleiner Schadensmeldungen große Effizienzgewinne versprechen, jedoch gäbe es in der Welt der Versicherungen viele regulatorische Hürden und diesen Hemmschuh haben Tech-Konzernen eben nicht. So sei beispielsweise die Nutzung von Kundendaten für gezielte Werbung oder andere kommerzielle Zwecke „im regulierten Umfeld der Versicherer nur eingeschränkt möglich“, sagt BWL-Professor Weiß.
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