Kurs-Achterbahn schafft Anlagechancen
Die erste Jahreshälfte 2025 war für Anleger turbulent: Trumps Zollschläge, geopolitische Eskalationen in Asien, Europa und im Mittleren Osten, Zweifel an der Kreditwürdigkeit der USA … und Volatilität und Unsicherheit bleiben bestehen. Warum die Situation dennoch nicht so düster ist, wie es den Anschein hat, erläutert Furio Pietribiasi, CEO von Mediolanum, im Gastbeitrag.

Von den Wachstumshoffnungen Anfang 2025 ist wenig geblieben: Seit dem Tech-Crash, ausgelöst durch das chinesische KI-Startup DeepSeek, und spätestens seit Donald Trumps „Liberation Day“ sowie seinen flächendeckenden Zollankündigungen ist die Stimmung trüb. Zwar haben die USA einen Teil der Zölle aufgeschoben und führen Zollverhandlungen – und die Börsen haben sich zum Teil erholt. Dennoch herrscht unter Konsumenten und Unternehmen weiterhin Verunsicherung und die Märkte bleiben volatil. Als Investoren sollten wir uns davon jedoch nicht beeindrucken lassen.
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Von großen Hoffnungen zur „Trumpcession“
Zu Jahresbeginn herrschte Optimismus: Die globale Wirtschaft sollte um drei Prozent wachsen, für die Unternehmensgewinne rechnete man mit einem Zuwachs um 12,5 Prozent, in den USA sogar um 15 Prozent. Statt einer von den „Magnificent Seven“ getriebenen Outperformance erwarteten die meisten Marktteilnehmer für 2025 eine breitere Markterholung – unterstützt durch Trumps wirtschaftsfreundliche Wahlversprechen. Doch schon im Februar drehte sich die Stimmung: Mit den ersten Zöllen schrumpfte die Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA von 2,3 Prozent ins Negative. Die US-lastigen Indizes MSCI World und Nasdaq verloren bis Ende März 15 Prozent beziehungsweise 25 Prozent. Erst eine Zollpause und neue Verhandlungen sorgten im April für eine leichte Erholung – die Wachstumserwartung stieg wieder auf gut ein Prozent.
Doch es ist noch lange nicht vorbei. Zwar bleibt die US-Wirtschaft stabil, doch Inflation, Konsumzurückhaltung und Trumps Zollpolitik bleiben Belastungsfaktoren. Besonders kritisch: Die Aussichten für den Technologiesektor – lange Zeit die Wachstumslokomotive des US-Marktes – sind derzeit schwer einzuschätzen. Auch die Handelsspannungen halten an. Obwohl europäische Unternehmen die Zölle teilweise ausgleichen können, könnte dies viel Zeit in Anspruch nehmen – und die Verunsicherung ist momentan so hoch wie zuletzt während der Corona-Pandemie.
Zölle gelten oft als preistreibend, weil sie die Importkosten erhöhen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie globales Wachstum bremsen – und dadurch inflationshemmend wirken. Diese Dynamik erschwert es allerdings der Federal Reserve (Fed), Lockerungen vorzunehmen. Anleger befürchten zudem, dass Trumps versprochene Steuersenkungen sich in einer höheren Anleiheemission niederschlagen – mit negativen Folgen für Renditen.
Marktreaktion zu pessimistisch
Zwar wirkt die Lage angespannt, doch die Marktreaktionen sind übertrieben pessimistisch und beruhen auf Annahmen, die sich möglicherweise nicht bewahrheiten. Zum einen hat Trump weder die Möglichkeit, die Steuern erneut zu senken, noch kann er die bestehenden Steuersenkungen dauerhaft verlängern: Die USA kämpfen bereits mit massiv steigenden Kreditkosten. Allein zwischen September 2023 und September 2024 zahlte das Finanzministerium 882 Milliarden US-Dollar an Nettozinsen – 3,1 Prozent des BIP, die höchste Quote seit 1996 und erstmals mehr als für das Militär.
Die aktuelle Unsicherheit ist jedoch weniger die Folge echter geopolitischer Krisen als vielmehr das Ergebnis politischen Taktierens und medialer Zuspitzung. Anleger unterschätzen sowohl die Komplexität der politischen Umsetzung als auch die Widerstandsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und der Unternehmen. Tatsächlich ist die Lage deutlich vielschichtiger – und der weitere Verlauf weitaus weniger vorherbestimmt, als es die aktuelle Stimmungslage vermuten lässt. Es würde mich daher nicht überraschen, wenn es zu einer temporären globalen Wachstumsverlangsamung kommt – möglicherweise auch zu einer milden Rezession. Eine schwere Krise wie 2008 (Globale Finanzkrise) oder 2020 (Covid-Pandemie) ist derzeit jedoch nicht zu erwarten – auch wenn die Berichterstattung teils dramatisch wirkt.
Wachstumschampion Europa
Während die Volatilität im Technologiesektor und die Handelskonflikte die US-Märkte belasteten, konnte Europa die USA seit Trumps „Liberation Day“ deutlich übertreffen, getrieben durch starke Unternehmensgewinne – insbesondere im vierten Quartal 2024 –, steigende Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben in Deutschland sowie ein fiskalpolitisch günstiges Umfeld. Zudem profitierte die Region von zunächst niedrigen Markterwartungen, was die Wirkung positiver Überraschungen verstärkte. Anleger, die breit gestreut und in Europa investiert waren, konnten von der Erholung profitieren. Diese Divergenz hat Europa in eine Rolle als relativer sicherer Hafen gebracht – und damit jene Investoren bestätigt, die Chancen sahen, wo andere nur Risiken wahrnahmen.
Wie sich die Situation rund um die Zölle weiterentwickelt, bleibt offen. Ich bin jedoch überzeugt: Gegenzölle sind keine nachhaltige Lösung. Diplomatische Gespräche sind bereits im Gange, und möglicherweise gibt es Fortschritte. Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 25 Basispunkte am 5. Juni dürfte der europäischen Konjunktur zusätzlichen Rückenwind verleihen.
Volatilität und Unsicherheit schaffen Chancen
Volatile Märkte erinnern an einen zentralen Grundsatz des Investierens: Gerade in Schwächephasen eröffnen sich für Anleger attraktive Einstiegsmöglichkeiten – besonders bei Qualitätsunternehmen, die normalerweise hoch bewertet sind. Wer in solchen Zeiten investiert bleibt oder sogar aufstockt, kann langfristig überdurchschnittlich von der anschließenden Erholung profitieren.
Wichtig ist in solchen Situationen, sich nicht von Angst leiten zu lassen. Märkte erholen sich immer, denn sie sind ein Spiegel der Wirtschaft – und die Geschichte zeigt, dass Volkswirtschaften mittel- bis langfristig immer wachsen. Volatilität bedeutet meist nur vorübergehende Wertverluste. Gerade die Aktienkurse starker Unternehmen mit robusten Bilanzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen werden sich auch wieder erholen – oft mit hoher Kapitalrendite.
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Kurs-Achterbahn schafft Anlagechancen
Von zentraler Bedeutung sind dabei allerdings eine breite Risikostreuung über Regionen, Anlageklassen und Investmentstile sowie aktives Management. Schließlich hat die Entwicklung der Tech- und US-lastigen Indizes gezeigt, wie gefährlich Klumpenrisiken sein können. Mit einem angemessenen Anlagehorizont und einer systematischen Herangehensweise können Anleger dagegen auch von einem Umfeld profitieren, das durch Unsicherheit geprägt ist.
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