Krankenversicherung: SPD will Beitragsbemessungsgrenze der GKV massiv anheben
Der SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis will durch eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze die Finanzkrise der gesetzlichen Krankenversicherung lösen. Vom Koalitionspartner CDU kommt Kritik. Auch aus der Wirtschaft gibt es Warnungen ob der massiven Zusatzkosten und Wettbewerbsnachteilen.

Die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) drängen die Politik zum Handeln und heizen die Debatte um die richtige Reformstrategie weiter an. Im Fokus steht derzeit der Vorschlag von SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis, die Beitragsbemessungsgrenze um rund 2.500 Euro anzuheben und damit an die der Rentenversicherung anzugleichen. Der Vorstoß zielt darauf, die Einnahmen der GKV zu stärken und deren wachsende Defizite abzufedern.
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„Für eine nachhaltige Stabilisierung der GKV-Finanzen dürfen wir uns keine Denkverbote auferlegen“, betonte Pantazis gegenüber der "Bild-Zeitung vom Samstag". Aktuell liegt die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 5.512,50 Euro im Monat. „Wir müssen über alle relevanten Stellschrauben offen diskutieren. Dazu gehört eine Dynamisierung des Bundeszuschusses ebenso wie die kritische Überprüfung versicherungsfremder Leistungen.", unterstrich Pantazis.
Unterstützung erhält er dabei von den Grünen und vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sprach sich ebenfalls für eine schrittweise Angleichung der Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungspflichtgrenze an die Rentenversicherung aus. „Neben umfassenden Strukturreformen ist es richtig, die Beitragsbemessungsgrenze zusammen mit der Versicherungspflichtgrenze stufenweise auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung anzuheben", sagte Dahmen. SoVD-Vorstandsvorsitzender Michaela Engelmeier ergänzte: „Der SoVD fordert schon seit vielen Jahren, die Versicherungspflichtgrenzen anzuheben und die Beitragsbemessungsgrenze zumindest auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen"
Union und Wirtschaft schlagen Alarm
Auf entschiedene Ablehnung stößt der SPD-Vorstoß hingegen bei der Union und in der Wirtschaft. CDU-Gesundheitspolitiker Albert Stegemann warnte, eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze würde Arbeit und Leistung unnötig verteuern und damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Denn die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden zu gleichen Teilen von Arbeitnehmer wie Arbeitgebern finanziert. Überdies hätten sich CDU und SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben, Belastungen für Beitragszahler zu vermeiden. „Wir müssen insbesondere das System effizienter machen und dadurch Kosten senken“, forderte Stegemann. "Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze wird es mit uns nicht geben", erklärte CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger auf der PKV-Jahrestagung.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) geht in einer aktuellen Studie noch weiter: Sie warnt vor einer massiven Zusatzbelastung für Unternehmen und qualifizierte Fachkräfte. Laut vbw käme die geplante Erhöhung einer „Strafsteuer für qualifizierte Arbeitsplätze“ gleich. Insgesamt entstünden dadurch zusätzliche Lohnzusatzkosten von rund 21,9 Milliarden Euro, davon rund 11 Milliarden Euro zulasten der Arbeitgeber. Was kurzfristig mehr Geld verspricht, würde somit die ohnehin strauchelnde Wirtschaft weiter abwürgen. Schon heute rangiert Deutschland laut einer OECD-Studie bei der Belastung der Arbeitseinkommen auf Platz zwei unter 38 Industrieländern.
„Wir Arbeitgeber tragen die Hälfte der Sozialbeiträge – aber wir tragen auch die Verantwortung für Arbeitsplätze, Innovationen und Wertschöpfung“, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), auf der Jahrestagung des PKV-Verbands. Deutschland brauche dringend Strukturreformen. „Der demographische Wandel ist eine Herausforderung für unser gesamtes System.“ Die Frage laute doch: „Wie organisieren wir ein Gesundheitssystem, dass dauerhaft leistungsfähig, fair und generationengerecht ist?“
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Besonders betroffen wären Branchen mit vielen hochqualifizierten Beschäftigten. Das seien etwa die Energieversorgung, das verarbeitende Gewerbe oder wissenschaftliche Dienstleistungen. Für Unternehmen würde dies erhebliche finanzielle Folgen haben. Ein Betrieb in der Metall- und Elektroindustrie mit rund 8.900 Beschäftigten müsste laut vbw jährlich rund 15,1 Millionen Euro mehr an Lohnzusatzkosten stemmen. Auch kleinere Betriebe wären spürbar belastet. Ein Beispiel aus der Papierindustrie zeigt eine Zusatzbelastung von mehr als 250.000 Euro pro Jahr für einen Betrieb mit 430 Beschäftigten. Für einzelne Arbeitnehmer könnten die jährlichen Mehrkosten je nach Gehalt und Branche mehrere tausend Euro betragen.