Der Gedanke liegt nahe, dass die Prämie irgendwie etwas mit dem eigenen Risiko zu tun haben müsste. Doch weit gefehlt, denn die Wahrheit liegt tiefer, oder besser gesagt, breiter. Denn hier kommt ein mathematisches Prinzip ins Spiel, das im Versicherungswesen nicht nur ein nettes Werkzeug ist, sondern das Fundament des gesamten Geschäftsmodells, und zwar das Gesetz der großen Zahlen.

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Was das Gesetz der großen Zahlen wirklich besagt

Das Gesetz der großen Zahlen klingt zunächst trocken, ist aber in Wahrheit ein faszinierendes Werkzeug mit geradezu verblüffender Wirkung. Es besagt, dass sich bei einer ausreichend großen Anzahl gleichartiger Zufallsexperimente die Durchschnittswerte stabilisieren. Das klingt theoretisch, wird aber bei genauerem Hinsehen hochpraktisch.

Ein einfaches Beispiel: Würde man eine faire Münze nur zweimal werfen, könnten durchaus zweimal Kopf oder zweimal Zahl herauskommen. Kein klarer Trend. Doch bei tausend Würfen pendelt sich das Ergebnis sehr zuverlässig bei etwa 50 Prozent Kopf und 50 Prozent Zahl ein. Das bedeutet, je größer die Zahl der Wiederholungen, desto näher kommt der beobachtete Durchschnitt dem theoretischen Erwartungswert. Diese Annäherung an die statistische Wahrheit ist exakt das, was Versicherungen nutzen.

Der Clou dabei ist, dass das Gesetz keine Aussagen über den Einzelfall trifft. Ob ein Haus abbrennt, ein Auto gestohlen oder jemand krank wird, entzieht sich jeglicher Vorhersage. Was sich hingegen vorhersagen lässt, ist, wie häufig solche Fälle in einer sehr großen Gruppe passieren und genau da beginnt der Nutzen für die Versicherungswirtschaft.

Die Logik der Spielhallen lässt sich aufs Versicherungswesen transferieren

Was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst, ist mathematisch gesehen fast schon verwandt – Versicherungen und Glücksspiel. Beide Systeme kalkulieren mit Wahrscheinlichkeiten. Beide funktionieren über viele Wiederholungen und beide verlassen sich auf das Gesetz der großen Zahlen.

Ein Beispiel aus dem Glücksspiel ist der sogenannte „RTP“ – Return to Player. Dieser gibt an, wie viel Prozent der Einsätze langfristig an die Spieler zurückfließen. Bei einem RTP von 95 Prozent bleiben dem Betreiber auf Dauer fünf Prozent Gewinn. Kurzfristig kann jemand natürlich Glück haben, aber langfristig gewinnt immer die Statistik.

Versicherer ticken ähnlich, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Beiträge langfristig die Schäden decken, idealerweise mit einem Sicherheitspuffer. Kurzfristig kann es Schwankungen geben, aber über die Jahre hinweg pendelt sich das System ein. Der Unterschied liegt im Zweck, so lebt zum Beispiel ein Online Casino vom Nervenkitzel und der Hoffnung auf den schnellen Gewinn. Versicherungen hingegen beruhen auf Solidarität, Planbarkeit und langfristiger Absicherung, aber beide eint, dass der Zufall beherrschbar wird, wenn man ihn oft genug betrachtet.

Warum Versicherungen auf Masse statt Einzelfall setzen müssen

Das Versicherungssystem funktioniert nicht, weil es besonders gute Hellseher beschäftigt, sondern weil es mit vielen ähnlichen Fällen arbeitet. Ein einzelner Fall ist zu zufällig, zu unberechenbar, aber eine große Gruppe wird mit jedem zusätzlichen Teilnehmer verlässlicher.

Nehmen wir etwa eine Krankenversicherung. Dort interessiert weniger, wann genau jemand zum Zahnarzt geht, aber dafür wie viele Menschen im Jahr im Durchschnitt Zahnersatz benötigen. Wenn diese Zahl bei etwa 12 von 100 liegt, können Versicherer auf dieser Basis Rückstellungen bilden und Prämien kalkulieren.

Die Prämie ist also kein individueller Risikoaufschlag, sie ist ein fair berechneter Anteil an einem kollektiven Erwartungswert. Das Ganze funktioniert jedoch nur, wenn das Kollektiv groß genug ist.
Kleine Gruppen neigen zu Schwankungen. Die berühmten Ausreißer machen sich hier sofort bemerkbar. Deshalb benötigen Versicherer große, möglichst homogene Risikogemeinschaften. Sie bündeln viele ähnliche Risiken, um aus vielen Einzelrisiken ein kalkulierbares Gesamtrisiko zu machen. In der Praxis bedeutet das, je größer das Kollektiv, desto besser lassen sich Prämien stabil und fair berechnen.

Wie aus Wahrscheinlichkeiten konkrete Prämien entstehen

Wenn erst einmal klar ist, wie oft ein bestimmter Schaden statistisch gesehen eintritt, stellt sich die Frage nach dem Preis. Wie teuer ist es, diesen Schaden im Kollektiv abzusichern? Hier kommt der Erwartungswert ins Spiel. Bleiben wir beim Beispiel, wenn pro Jahr bei 1.000 Personen Schäden von insgesamt 500.000 Euro auftreten, dann ergibt sich ein rechnerischer Durchschnitt von 500 Euro pro Kopf. Das ist die sogenannte Nettoprämie. Der reine Betrag zur Deckung des erwarteten Schadens.

Doch damit ist es nicht getan. Hinzu kommen Verwaltungskosten, Rücklagen für unerwartete Schwankungen und gegebenenfalls ein Gewinnaufschlag. Diese Posten summieren sich zur Bruttoprämie, also dem Betrag, den der Versicherte tatsächlich zahlt und selbst hier bleibt es mathematisch, denn auch Verwaltungskosten lassen sich durch große Kollektive effizienter verteilen. Wichtig ist an dieser Stelle ein gedanklicher Perspektivwechsel.

Die Prämie ist kein Maß für das persönliche Risiko, sondern ein Beitrag zum gemeinschaftlichen Risikoausgleich. Wer keinen Schaden hat, trägt zur Stabilität des Systems bei und profitiert im Umkehrschluss, wenn er doch einmal betroffen ist.

Warum ausgerechnet der Zufall planbar wird

Die Faszination des Gesetzes liegt darin, dass es aus Unvorhersehbarkeit Vorhersagbarkeit macht, zumindest im statistischen Sinne. Versicherer sammeln Daten, analysieren Schadenshäufigkeiten, berechnen Mittelwerte und extrapolieren Trends. So entsteht aus einer Vielzahl an Zufällen ein verlässliches Kalkül.

Beispielsweise kann ein Versicherer auf Basis vergangener Jahre sehr genau abschätzen, wie viele Unfälle mit bestimmten Fahrzeugtypen in einem bestimmten Alter passieren oder wie oft ein Haus durch Leitungswasser beschädigt wird. Diese Erfahrungswerte werden fortlaufend angepasst, verfeinert und abgesichert, etwa durch Rückversicherungen.

Doch das System hat auch Grenzen. Wenn neue Risiken entstehen, etwa durch Klimawandel, Cyberattacken oder Pandemien, fehlen oft belastbare Langzeitdaten. In solchen Fällen ist die Unsicherheit höher, was zu Sicherheitszuschlägen in der Prämiengestaltung führt. Trotzdem bleibt das Grundprinzip bestehen, denn mit jedem neuen Datenpunkt wird die Unsicherheit etwas kleiner und das Modell stabiler.

Ohne Statistik kein Versicherungsschutz und schon gar keine faire Prämie

Was auf individueller Ebene unberechenbar erscheint, wird auf Kollektivebene zu einer erstaunlich genauen Wissenschaft. Versicherungen kalkulieren ihre Dienste nicht aus dem Bauch heraus, aber vielmehr auf Basis jahrzehntelanger Daten, komplexer Modelle und einem mathematischen Prinzip, das so alt wie genial ist.

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Das Gesetz der großen Zahlen ist dabei kein geheimnisvoller Zaubertrick, es ist ein nüchterner Garant für Stabilität. Es erlaubt Versicherern, Risiken planbar zu machen, faire Prämien zu berechnen und auch in turbulenten Zeiten die Ruhe zu bewahren. Ob beim Zahnersatz, Unwetterschaden oder Verkehrsunfall. Wer versichert ist, ist Teil einer großen Rechnung und diese Rechnung geht auf, weil viele mitmachen. Nicht trotz des Zufalls, sondern gerade wegen seiner Berechenbarkeit.