Dass und wie Künstliche Intelligenz (KI) erfolgreich bei Versicherungen eingesetzt werden kann, konnte ich Ihnen, verehrte Leser, bereits am Beispiel eines Schadenbearbeitungsprozesses für die Tierkrankenversicherung erläutern. Mittlerweile lassen sich aus diesem und anderen KI-Projekten aber weitere wichtige praktische Erkenntnisse ableiten.

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So ist mittlerweile klar, dass die Einführung von KI-gestützten Systemen in großen und etablierten Organisationen, wie es Versicherungen in der Regel sind, ohne systematisches Vorgehen, klare Bewertungskriterien und geeignete Rahmenbedingungen meist nicht zu den erhofften Ergebnissen führt. Ohne strukturierte strategische Analyse und Planung mit einer Verbindung von praktischer KI-Kompetenz und fachlicher Expertise besteht ansonsten das Risiko, dass die mehr oder weniger zufällig gestarteten KI-Projekte weder fachlich noch wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden können. Noch schwerer wiegt aus meiner Sicht allerdings das Risiko, dass nur leidlich erfolgreiche KI-Pilotprojekte von Beharrungskräften als wohlfeiles Argument gegen den KI-Einsatz allgemein ins Feld geführt werden könnten.

Dirk Weske ist Vorstand der PPI AGPPI AG

Woran liegt das?

Erste KI-Initiativen in Versicherungen entstehen oft eher zufällig: Einzelne Teams sind besonders affin oder begeistert von den Chancen, erdenken KI-Anwendungsfälle und begeistern mit ihren Ideen relevante Stakeholder. Dieses Vorgehen kann ein guter Start sein. Doch eine zufällige Entwicklung verhindert eine systematische Bestandsaufnahme; Chancen und Risiken werden nicht klar identifiziert und bewertet.

Bei einem derartigen Vorgehen schnappt zudem oft die „Enthusiasmus-Falle“ zu: Vor lauter Begeisterung über die Möglichkeiten der KI werden die Risiken nicht abgewogen und alternative Lösungen gar nicht erst betrachtet. Es gibt bereits jetzt erstaunlich viele Beispiele für KI-Anwendungen, die besser mit herkömmlichen algorithmischen Lösungen umgesetzt worden wären. Hier greift Jurassic Park: „Ihre Leute waren nur darauf konzentriert, ob sie es schaffen konnten oder nicht, ob sie es tun sollten, die Frage stellte sich keiner.“

Der systematische Rollout KI-unterstützter Anwendungssysteme sollte deshalb gut strukturiert sein. Das VU sollte mit einer klaren unternehmensweiten KI-Strategie, die immer auch eine klare Abgrenzung, was besser nicht mit KI gelöst werden soll, beinhaltet, an die Bewertung von KI-Projektvorschlägen herangehen. Dabei sollte nicht ausschlaggebend sein, in welchen Ressorts oder Teams zufällig eine hohe Begeisterung für KI vorherrscht. Stattdessen sollte ergebnisoffen durch eine methodisch saubere Analyse der Prozesse im Institut identifiziert werden, welche Anwendungsfälle die höchsten KI-Effizienzgewinne versprechen.

Uns ist bei diesem Vorgehen besonders wichtig, dass bereits bei dieser initialen Analyse die zuvor erwähnte Verbindung von fachlicher Expertise und vertiefter KI-Kompetenz zusammenspielt. Wenn es um die Bewertung der Chancen und Risiken des Einsatzes von KI in den verschiedenen Anwendungsfällen geht, hat sich gezeigt, dass die fachlichen Experten bereits nach einer Kurzeinführung in KI-Mechanismen die generellen Chancen eines KI-Einsatzes für ihre jeweiligen Anwendungsfälle recht gut einschätzen können. Für die realistische Bewertung der Risiken wird jedoch tiefere KI-Expertise benötigt, denn KI ist komplex und insbesondere die Risikoabschätzung schwer. Gemeinsam wird aber eine gute Gesamtbewertung gelingen.

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