Versicherungskammer-Vorstand: 'Wir wollen die „ganzheitliche Kundenreise“ deutlich verbessern'
Die private Krankenversicherung steht unter Reformdruck. Der Konzern Versicherungskammer sieht sich dafür gut gewappnet. Wie Prävention, Digitalisierung und Tarifstruktur die Kosten im Griff halten sollen, erklärt Klaus G. Leyh, Vorstandsvorsitzender der Kranken-und Reiseversicherer im Konzern Versicherungskammer, im Interview.

Versicherungsbote: Wie wollen Sie die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen langfristig in der privaten Krankenversicherung auffangen, ohne die Beiträge übermäßig zu belasten?
Anzeige
Klaus G. Leyh: Ein zentrales Element der privaten Krankenversicherung - ist die Leistungsgarantie: Vertraglich vereinbarte Leistungen können später nicht einfach gekürzt werden. Dies beinhaltet auch, dass die Beiträge bei Ausgabensteigerungen aufgrund des medizinischen Fortschritts angepasst werden müssen.
Um die steigenden Gesundheitsausgaben dabei langfristig zu bewältigen, ohne die Beiträge übermäßig zu belasten, verfolgen wir mehrere Ansätze.
Erstens gestalten wir unsere Tarife mit Bedacht auf Kostenbewusstsein. Hierzu zählen Selbstbeteiligungen und attraktive Erstattungen bei der Nutzung von Vertragspartnern, was hilft, die Kosten im Rahmen zu halten. Zweitens setzen wir auf effiziente Leistungssteuerung, indem wir Vereinbarungen mit Partnern für den Bezug von Hilfsmitteln treffen. Diese Kooperationen tragen dazu bei, die Ausgaben nachhaltig zu kontrollieren. Drittens investieren wir in präventive Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Dazu gehören Programme zur frühzeitigen Erkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Unterstützungsangebote für die Behandlung chronischer Krankheiten. Diese präventiven Ansätze fördern eine bessere Vorsorge und können langfristig zur Kostensenkung beitragen.
Diese Maßnahmen helfen, eine Balance zwischen Beitragshöhe und Leistungsqualität zu schaffen.
Die Anzahl der in der betrieblichen Krankenversicherung versicherten Personen ist seit 2020 um über 50 % gestiegen. Doch insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie in den neuen Bundesländern ist die bKV recht dürftig verbreitet. Wie kann man hier gegensteuern?
Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ist ein stark wachsendes Feld. Der Verband der Privaten Krankenversicherung berichtet für 2024 von einem Anstieg: 56.500 Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern eine komplett vom Arbeitgeber finanzierte bKV, und mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte profitieren davon. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Versicherten um 20 Prozent.
Unsere betriebliche Krankenversicherung verzeichnet weiter konstant zweistellige jährliche Zuwachsraten. Seit Einführung unserer betrieblichen Krankenzusatzversicherung im Jahr 2014 hat sie sich zu einem unserer wachstumsstärksten Geschäftsbereiche entwickelt.
Wir betrachten das starke Wachstum als Chance für eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und uns als Versicherer. Als Pionier in der Firmenversicherung verfügen wir über eine breite Basis an Versicherten und ein ausgewogenes Kollektiv, das Stabilität gewährleistet. Unsere Beiträge sind seit dem Produktstart vor 11 Jahren stabil, und wir konnten auf Preiskämpfe verzichten.
Ein weiterer Vorteil unserer bKV ist die Möglichkeit des Upsellings von Tarifen und der Mitversicherung von Familienangehörigen. Diese Aspekte machen unser Produktportfolio einzigartig. Um weiterhin zu den Marktführern zu gehören, entwickeln wir kontinuierlich unser Ökosystem aus Produkten und Gesundheitsservices weiter.
Welche Maßnahmen können Versicherer ergreifen, um der demografisch bedingten Kostensteigerung in der Krankenversicherung sowie in der Pflegeversicherung entgegenzuwirken?
Um den demografisch bedingten Kostensteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung entgegenzuwirken, nutzt die private Krankenversicherung das Kapitaldeckungsverfahren. Dabei werden Teile der Beiträge als Alterungsrückstellungen angelegt, um die im Alter erwarteten höheren Kosten abzudecken. Aktuell haben die Versicherten der PKV über 340 Mrd. Euro in diesen Rückstellungen angespart, um zukünftige Krankheitskosten selbst zu finanzieren, ohne die jüngere Generation zu belasten.
Diese Vorgehensweise unterscheidet sich wesentlich von der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Umlageverfahren operiert und keine Alterungsrückstellungen bildet. Durch diese strategische Vorsorge bleibt die finanzielle Belastung des demografischen Wandels im Rahmen.
Wie bewerten Sie die Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Vollversicherungstarife gegenüber Angeboten der GKV mit Wahltarifen und Zusatzleistungen?
Unsere privaten Vollversicherungen bieten im Vergleich zur Kombination von gesetzlicher Krankenversicherung mit Zusatzleistungen mehrere entscheidende Vorteile. Privatversicherte genießen volle Privatpatientenvorteile bei sowohl ambulanten als auch stationären Behandlungen, inklusive freier Arztwahl und keiner Budgetierung. Dies hebt sich von Zusatzversicherungen der GKV ab, die sich meist auf spezifische Bereiche wie Sehhilfen oder Zahnbehandlung beschränken und nicht die gesamte ambulante Behandlung abdecken. Dieser Unterschied wird z.B. besonders wichtig, wenn die GKV zunehmend steuernde Maßnahmen wie das Hausarztprinzip einführt.
Darüber hinaus können Versicherte in der PKV ihren Versicherungsschutz individuell anpassen, etwa durch Auswahl des Leistungsniveaus oder zusätzlicher Bausteine. Im Gegensatz dazu bietet die GKV weitgehend standardisierte Leistungen mit begrenzten optionalen Ergänzungen.
Ein weiterer Vorteil ist die umfassende Vorsorge für steigende Kosten im Alter, die nur durch PKV-Tarife möglich wird, da Alterungsrückstellungen gebildet werden. Die Leistungen sind zudem vertraglich garantiert und nicht kürzbar, anders als bei der GKV, deren Leistungen von finanzieller Lage und politischen Entscheidungen abhängig sind.
Diese Aspekte tragen entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Vollversicherungstarife bei und bieten den Versicherten ein hohes Maß an Sicherheit und Flexibilität, die im Rahmen der GKV nicht verfügbar sind.
Wie konkret wollen Sie mit der Zusammenführung von Kranken-, Pflege-, Reise- und Lebensversicherung in einem Ressort die „ganzheitliche Kundenreise“ verbessern? Was verändert sich für den Versicherten?
Mit der Zusammenführung von Kranken-, Pflege-, Reise- und Lebensversicherung in einem Ressort verfolgen wir das Ziel, die „ganzheitliche Kundenreise“ deutlich zu verbessern. Diese Integration ermöglicht uns, durch Synergien in Produktentwicklung und Aktuariat, maßgeschneiderte und sich optimal ergänzende Produkte anzubieten, was den Versicherten zugutekommt.
Unser Ansatz als lebenslanger Partner für Gesundheit und finanzielle Sicherheit wird dadurch gestärkt. Indem wir die Personenversicherungssparten ganzheitlich betrachten, schaffen wir ein umfassendes Angebot, das den verschiedenen Lebensphasen und Gesundheitsbedürfnissen unserer Kunden gerecht wird.
Ein besonders bedeutender Bereich ist die Prävention. Durch ganzheitliche Angebote ermöglichen wir frühzeitige Risikoerkennung und Monitoring potenzieller Gesundheitsrisiken, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies kann dazu beitragen, viele Krankheiten zu vermeiden oder frühzeitig zu behandeln.
Für den Versicherten bedeutet dies mehr individuelle Betreuung und angepasste Lösungen, die nicht nur auf aktuelle Bedürfnisse eingehen, sondern auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigen. Unser integrierter Ansatz sorgt für eine effizientere und kundenorientierte Betreuung, die langfristig die Gesundheit und finanzielle Sicherheit unserer Kunden unterstützt.
Die Beitragseinnahmen in der Lebensversicherung sind 2024 leicht rückläufig. Wie bewerten Sie die Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Lebensversicherungsprodukte im aktuellen Marktumfeld?
Trotz der allgemein rückläufigen Entwicklung bei den Beitragseinnahmen im Marktumfeld verzeichnen wir im laufenden Beitrag weiterhin Wachstum. Das zeigt, dass unser Produktportfolio im Wettbewerb gut aufgestellt ist. Unsere Lebensversicherungsprodukte orientieren sich konsequent an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden in unterschiedlichen Lebensphasen. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine hohe Produktqualität – ein Anspruch, der regelmäßig durch unabhängige Ratingagenturen bestätigt wird. Die breite Produktpalette und die nachhaltige Ausrichtung unserer Angebote ermöglichen es uns, auch in einem herausfordernden Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben und Stabilität in unserem Lebensversicherungsgeschäft zu gewährleisten.
Sie berichten von Effizienzmaßnahmen, die zu einer Senkung der Kostenquoten in der Lebensversicherung geführt haben. Können Sie konkretisieren, welche Maßnahmen dies waren und wie sich diese auf die Servicequalität und Kundenzufriedenheit ausgewirkt haben?
Wir haben in den letzten Jahren gezielt in die Modernisierung unserer Prozesse und Systeme investiert. Der Fokus lag dabei insbesondere auf der Digitalisierung zentraler Abläufe in den Bereichen Vertrieb, Operations und IT. Seit 2022 verfolgen wir eine konzernweite Strategie zur Automatisierung und Optimierung unserer IT-Landschaft, unter anderem um administrative Prozesse effizienter zu gestalten.
Diese Maßnahmen wirken sich positiv auf unsere Servicequalität aus. Unsere Kundenzufriedenheit liegt aktuell bei knapp 90 Prozent – ein Wert, den wir durch kontinuierliche Analyse und gezielte Verbesserungen stabilisieren und weiterentwickeln möchten. Wir nutzen systematisch Kundenbefragungen, um besser zu verstehen, welche Aspekte des Bearbeitungsprozesses besonders relevant sind. Zuverlässigkeit, zügige Bearbeitung und ein hohes Maß an Serviceorientierung stehen dabei im Vordergrund.
Anzeige