Auch im Jahr 2023 nutzten wieder mehr Beschäftigte die Möglichkeit, nach 45 Jahren Rentenbeitragszeit vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. So nahmen rund 279.000 Personen die vorgezogene abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch. Ein Jahr zuvor waren es noch 262.000 Versicherte gewesen. Das berichtet die „Rheinische Post“ und beruft sich hierbei auf bislang unveröffentlichte Zahlen der Deutschen Rentenversicherung.

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Damit ist die Zahl der Neurentner, die von der sogenannten Rente mit 63 Gebrauch machen, erneut um 6,49 Prozent gestiegen. Mittlerweile macht jeder dritte Neurentner bzw. dritte Neurentnerin davon Gebrauch. Und damit deutlich mehr Menschen, als die damalige Bundesregierung bei der Einführung der „Rente mit 63“ im Jahr 2014 erwartet hatte. Nach früheren Auswertungen der „Bild“ kostet das die Deutsche Rentenversicherung mehr als drei Milliarden Euro pro Monat. Doch nicht nur die direkt zu zahlenden Renten belasten die Staatsfinanzen. Zusätzlich fallen auch Steuern und Sozialabgaben weg bzw. zumindest geringer aus.

Ökonomen sehen diesen Trend mit Skepsis. Sowohl der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums als auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise) hatten im letzten Jahr Reformen bei der „Rente mit 63“ gefordert. Der Rentenversicherung gehe „nicht nur eine große Zahl von Beitragszahlenden verloren. Entgegen landläufiger Vorstellung wird sie überwiegend von gut ausgebildeten, überdurchschnittlich verdienenden und gesünderen Menschen in Anspruch genommen“, schrieb der Beirat im Sommer 2023 an Robert Habeck. Falsch sei hingegen die Vorstellung, dass überwiegend Menschen mit körperlich herausfordernden Tätigkeiten davon Gebrauch machen: Diese arbeiten oft länger, da sie tendenziell schlicht weniger Rentenanspruch erwerben und schon deshalb bis zum Regelalter durchhalten müssen, um ihren Rentenanspruch zu erhöhen.

Ähnlich zur Rente mit 63 äußerte sich vor wenigen Wochen Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen. "Wenn man sich anschaut, wer sie in Anspruch nimmt, dann sind das Beschäftigte, die durchschnittlich verdient haben und überdurchschnittlich gesund sind. Also gerade nicht die Dachdecker, die nach einem langen Arbeitsleben nicht mehr können, sondern Menschen, die gesund sind und eigentlich noch weiterarbeiten könnten, Menschen, die durchschnittlich verdient haben und gut von ihrer Rente leben können, erst recht, wenn sie ohne Abschläge in Rente gehen", so Schnitzer gegenüber dpa.

Beide Expertenräte fordern, dass die "Rente mit 63" reformiert werden soll. Zukünftig sollen nur noch Menschen mit geringen Einkommen oder körperlichen Beeinträchtigungen darauf Anrecht haben. Die "Rente mit 63" war auch ausschlaggebend im aktuellen Koalitionsstreit: Die FDP-Bundestagsfraktion hatte angekündigt, der Rentenreform der Bundesregierung im Bundestag nicht zustimmen zu wollen, wenn es keine einschneidenden Änderungen gebe. Auch sie fordert, dass nur Geringverdiener Anrecht auf den vorzeitigen und abschlagsfreien Ruhestand haben sollen.

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Dabei ist der umgangsprachlich bekannte Name "Rente mit 63" nicht ganz korrekt. Die Altersgrenze für die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Der Begriff „Rente mit 63“ trifft somit auf diese Variante nicht mehr zu. Im Jahr 2024 liegt die Altersgrenze für den Geburtsjahrgang 1960 bei 64 Jahren und 4 Monaten.