Es gab eine Zeit, da sorgte das InsurTech Wefox fast ausschließlich für positive Schlagzeilen. Während andere Wettbewerber hinter den Erwartungen zurückblieben oder gar aufgeben mussten, schienen die Berliner ein Geschäftsmodell gefunden zu haben, das ihnen das Vertrauen der Investoren sicherte. In Finanzierungsrunden konnten sie stets stolze Summen einsammeln, die Bewertung des Unternehmens schraubte sich zuletzt auf 4,5 Milliarden Dollar hoch. Laut Wefox ist dies die höchste Bewertung, die ein privates InsurTech weltweit erhalten hat. Wenn es auch wiederholt Meldungen gab, die aufhorchen ließen. Das Neugeschäft mit den hauseigenen Switch-Tarifen wurde in einigen Sparten eingestellt, im letzten Jahr machten Gerüchte über eine Entlassungswelle die Runde.

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Nun bekommt das Image von Wefox als Vorzeige-Start-up neue Risse. „Wieso Wefox die Zerschlagung droht“, titelte das Manager Magazin bereits vor vierzehn Tagen, und nährte damit Zweifel, wie zukunftsfähig das InsurTech tatsächlich ist. „Ein Lehrstück über Dichtung und Wahrheit“, heißt es bereits im Header des Artikels: verbunden mit der Unterstellung, dass Wefox nicht mit offenen Karten spielt. Firmengründer Julian Teicke wird eine Haltung des „Fake it till you make it“ unterstellt.

Stark vereinfacht laufen die Vorwürfe darauf hinaus, dass Wefox massiv überbewertet ist, woran Teicke Mitschuld trägt. Die Bewertung mit 4,5 Milliarden Dollar würde sich daraus ergeben, dass Investoren einen hohen Preis für Anteile gezahlt hätten, weil ihnen traumhafte Konditionen zugesichert worden seien, so berichtet das Manager Magazin und beruft sich hierbei auf interne Unterlagen. Demnach habe sich Teicke verpflichtet, den Investoren eine jährliche Mindestrendite von 25 Prozent zu garantieren sowie eine Verdoppelung ihrer Investition. Allein aufgrund dieser Bedingungen sei ein Investor bereit gewesen, ein Prozent der Unternehmensanteile für 45 Millionen Euro zu erwerben. Die Folge: eine übertrieben hohe Bewertung, die mit dem tatsächlichen Wert des Unternehmens nichts zu tun habe. Die Bewertung eines nicht börsennotierten Unternehmens hängt auch davon ab, wie viel Geld Investoren bereit sind, für bestimmte Anteile zu zahlen.

Wie das „Handelsblatt“ am Freitag berichtet, hat der britische Investor Chrysalis seine Beteiligung an Wefox mittlerweile um ein Drittel abgewertet. Das gehe aus der aktuellen Quartalsmitteilung hervor. Hatte man den Wert der eigenen Anteile zum Jahresende noch mit 188,8 Millionen britischen Pfund beziffert, umgerechnet 220,6 Millionen Euro, so gebe man nun einen Wert von 126,5 Millionen Pfund an, was umgerechnet 147,81 Millionen Euro entspricht. So schrumpfte auch der Anteil am Portfolio: Mit 22,1 Prozent hielt Chrysalis den größten Anteil an Wefox, aktuell betrage der Anteil nur noch 14,4 Prozent. Begründet werde diese Abwertung mit schlechten Kennwerten von vergleichbaren Unternehmen an der Börse, mit dem gesunkenen Wert von Wefox sowie dessen strategischer Neuausrichtung.

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Droht nun Wefox die Zerschlagung, wie das „Manager Magazin“ titelt? In einem Kommentar für das Branchenmagazin „Versicherungsmonitor“ verweist der jahrelange Branchenbeobachter Herbert Fromme darauf, dass der neue Firmenchef Mark Hartigan als erfahrener Vorstand gilt, der mit dem radikalen Umbau von Unternehmen vertraut ist und über gute Kontakte verfügt. Doch bevor Hartigan das Unternehmen in eine zukunftsträchtige Richtung lenken könne, müsse er die absurd hohe Bewertung von 4,5 Milliarden Dollar loswerden: „Sie behindert viel mehr, als dass sie nützt“, schreibt Fromme.

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