Sie ist Deutschlands größter Rummelplatz für Versicherungsmakler und Finanzdienstleister: die DKM in Dortmund. Zunächst 1995 unter dem holprigen Namen „Deckungskonzeptmesse" in Bayreuth gestartet, findet sie seit 1999 in unmittelbarer Nachbarschaft des Signal-Iduna-Parks statt, Heimstätte von Borussia Dortmund. Auch 2023 öffnete die Westfalenhalle wieder ihre Pforten, damit Besucherinnen und Besucher aus der Versicherungsbranche am Glücksrad drehen, bunte Schokodragees naschen oder Give-aways einsammeln können. Im Mittelpunkt der Messe stehen natürlich Networking, Weiterbildung, die Information über neue Produkte und zahlreiche Vorträge.

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Die aktuelle Ausgabe der Messe -es war die mittlerweile 26.-, fand am Dienstag und Mittwoch in leicht abgespeckter Form statt: Die Vorabendveranstaltung, die in den vergangenen Jahren dazu beigetragen hatte, dass man bereits am ersten Messetag in leicht verkaterte Gesichter blickte, wurde durch eine Abendveranstaltung zwischen den Messetagen ersetzt. So konzentriert sich das Messegeschehen nun auf zwei Tage.

Mittlerweile hat der Veranstalter BBG Betriebsberatung GmbH auch die Zahlen für das aktuelle Jahr kommuniziert. 285 Aussteller wurden gezählt, etwas mehr als im Vorjahr, und die Zahl der Besucherinnen und Besucher erhöhte sich nach offiziellen Angaben von rund 13.330 auf 13.850. Die Messechefs Lisa Knörrer und Dr. Christian Durchholz sprechen von schwierigen Rahmenbedingungen. „Trotz steigender Preise, knapper Budgets und Fachkräftemangel in allen Bereichen ist es uns gelungen sowohl für Aussteller als auch Besucher den beliebten und bekannten DKM-Spirit in die Dortmunder Messehallen zu bringen“, so Knörrer.

Podiumsdiskussion: Kostendruck im Vertrieb - und Jobfresser KI?

Und was waren die verhandelten Themen der aktuellen Messe? Diese können hier nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Am zweiten Messetag versammelt die Podiumsdiskussion traditionell Vorstände, die sich zum Status quo und zur Zukunft des Vertriebs äußerten. Auffällig war erneut, dass ausschließlich männliche Vorstände auf den weißen Stühlen Platz nahmen: Lediglich Moderatorin Brigitte Horn, Chefredakteurin von AssCompact, tat etwas für die Frauenquote. Dabei hatte sich die Messe auf die Fahnen geschrieben, weibliche Vorbilder aus der Branche sichtbarer zu machen. Immerhin geschah dies im Rahmen von „Femsurance“, einem messebegleitenden Kongress, der die Arbeit von Frauen in der Branche in den Mittelpunkt stellte: und erstmals Bestandteil der DKM war.

„Treiber oder Getriebene? Die Multi-Transformation der Versicherungsbranche“, war das übergeordnete Thema der Runde. Es diskutierten Thomas Wiesemann von der Allianz, Gothaer-Vorstandschef Oliver Schoeller, Barmenia-Chef Andreas Eurich sowie Thilo Schumacher von der AXA. Erwartungsgemäß sparten die Vorstände nicht mit ihren Bekenntnissen zum Maklervertrieb. Dieser könnte obsolet werden, so eine Ausgangsthese der Runde, wenn die Versicherer vornehmlich auf den Direktvertrieb via Internet und auf die Ausschließlichkeit setzen, um Vertriebskosten zu sparen.

„Wir wären wahnsinnig, wenn wir den Maklervertrieb nicht fördern würden“, sagte Gothaer-Chef Schoeller, dessen Versicherer ohnehin stark auf den Maklervertrieb setzt. Alle Vorstände betonten die hohe Bedeutung der persönlichen Beratung. Gerade bei der Altersvorsorge wünschten sich die Menschen persönliche Ansprechpartner, hob Allianz-Vorstand Wiesemann hervor. Wer hier spare, handele daher gegen die Bedürfnisse der Kunden. Sein Fazit: „Ohne persönlichen Vertrieb wird es nicht günstiger“.

Dass sich die Vorstände vor einem Publikum, das zu einem großen Teil aus Versicherungsmaklern besteht, nicht gegen den Maklervertrieb aussprechen, überrascht nicht. Es lohnt sich also auch, auf die Zwischentöne zu hören. Wie in den Vorjahren wurden hierbei die sich wandelnden Ansprüche der Kundinnen und Kunden thematisiert, die längst nicht mehr neu sind: Aufgrund von Anbietern wie Amazon und anderen Online-Giganten sind sie es gewohnt, Produkte und Services sofort zu bekommen, quasi per Knopfdruck. Ein Anspruch, dem auch die Versicherungsbranche gerecht werden müsse.

Und welche Rolle kann hierbei Künstliche Intelligenz einnehmen? Zunächst wurde betont, dass sie die Arbeit sowohl von Versicherern als auch Vermittlern unterstützt und vereinfacht. Oder ist KI doch auch Bedrohung? In einem Satz von Axa-Vorstand Thilo Schumacher schimmerte kurz die Option auf, dass der Versicherungsmakler von morgen auch ChatGPT heißen könnte. Denn: „Warum soll der Kunde Geld für etwas bezahlen, das die KI machen kann?“ Er warnte, dass der Druck auf die Branche, bedingt durch die neuen Innovationen, auch viel Frustration bewirken könne.

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Einig waren sich die Vorstände, dass sowohl die Lebens- als auch die Krankenversicherung vom gestiegenen Zinsniveau profitieren können. Dies erleichtere es, die geforderten Rücklagen zu bilden und den Kunden wieder attraktivere Angebote zu machen. Ausgerechnet die demographische Entwicklung könnte hierbei das PKV-Geschäft befördern, „denn eine ältere Bevölkerung wird mehr Gesundheitsleistungen nachfragen“, so Barmenia-Vorstand Eurich. Als Hoffnungsträger der Branche wurde zudem die Betriebliche Altersvorsorge (bAV) identifiziert. Nicht von ungefähr: Der Fachkräftemangel trage dazu bei, dass Unternehmen vermehrt Benefits nachfragen, um ihre Attraktivität zu erhöhen: zum Beispiel in Form einer Betriebsrente. Die Gothaer und die Allianz beobachten derzeit zweistellige Wachstumsraten im bAV-Segment, berichteten Schoeller und Wiesemann.

FemSurance - Networking von und für Frauen

Durchaus spannend gestaltete sich auch das Programm der Femsurance: Auch wenn der Autor dieser Zeilen aufgrund von Terminen diese Vorträge nicht abdecken konnte. Dass die Branche etwas tun sollte, um mehr Frauen für sich zu gewinnen, liegt auf der Hand: Während im Innendienst der Versicherer mehr als jede zweite Fachkraft weiblich ist, die Branche also durchaus von Frauen geprägt, spiegelt sich dies in den Vorstandsetagen nicht annähernd wider. Bei den 60 größten Versicherungsunternehmen in Deutschland lag der Frauenanteil in den Vorständen im Spätherbst 2022 bei nur 16 Prozent, so eine Auswertung des DIW Berlin. Kaum eine andere Branche steht so schlecht da. Und im Vertrieb ist das Problem noch gravierender. Chronisch von Nachwuchsmangel geplagt, liegt zum Beispiel der Frauenanteil in der Maklerschaft -je nach Studie- zwischen zwölf und 14 Prozent, auch wenn repräsentative Auswertungen dazu fehlen.

FemSurance ist nun mit dem erklärten Ziel angetreten: „Frauen in der Versicherungsbranche stärken“. Wobei sich der Kongress vornehmlich an eine weibliche Zielgruppe richtete: ein Umstand, den man zur Diskussion stellen könnte, betreffen doch Fragen des Geschlechterverhältnisses auch die Männer in der Branche. Doch den teilnehmenden Frauen sollte es möglich sein, untereinander zu netzwerken, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen. Diskutiert wurden hierbei auch spezielle Wünsche und Bedürfnisse einer weiblichen Zielgruppe.

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Die Titel der Vorträge kündeten hierbei von Aufbruchstimmung: und lassen manch pointierten Vortrag vermuten, der auch Genderklischees thematisierte. „Wir brauchen keine pinken Versicherungsprodukte!“, war zum Beispiel der Vortrag von Hava Misimi überschrieben, Geschäftsführerin der Finanzberatung Yfinance. Und Katrin M. Heigl, Gründerin von Women@Allianz sowie Direktorin des Maklervertriebs bei Deutschlands größtem Versicherer, sprach zu dem Thema „Mind the Gap – Frauen denken an alle anderen außer an sich selbst“. Dass es im Vortrag von Alina Malcomess, Head of Car Insurance bei blau direct, auch um Männerbündnisse ging, lässt schon der Titel „Zwischenmännliche Kommunikation in der Versicherungsbranche“ vermuten.

Karl Theodor zu Guttenberg über die weltpolitische Lage

Zur weltpolitischen Lage sprach Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg in einem Vortrag. Und nein, der Doktortitel ist kein Witz: Zwar hatte der frühere Bundesverteidigungsminister im Zuge der Plagiatsaffäre seinen Doktortitel verloren und musste von allen politischen Ämtern zurücktreten, nachdem er etwas viel von anderen abgeschrieben hatte, ohne seine Quellen auszuweisen. Doch mittlerweile hält der 51jährige einen korrekt erarbeiteten Doktortitel: erworben 2019 an der Universität von Southampton mit einer Dissertation über das Korrespondenzbankwesen.

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Guttenbergs Einschätzung der globalen Situation fiel wenig optimistisch aus. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Ostblock-Staaten sei der Siegeszug liberaler Demokratien ausgeblieben. Und der Eindruck, es sei eine bipolare Welt mit zwei Machtblöcken entstanden -mit den USA und China als neuen Supermächten- würde täuschen. Nach Einschätzung von Guttenberg leben wir stattdessen in einer multipolaren Welt. Aufstrebende Staaten wie Indien oder Brasilien gewinnen zunehmend an Einfluss, es bilden sich neue Bündnisse: etwa die BRICS-Gruppe, ausgehend von einem Zusammenschluss der Staaten China, Indien, Russland und Südafrika. Die Folge seien zahlreiche Konfliktsituationen, kaum noch beherrschbar und mit dem Potential für einen Flächenbrand: bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen wie aktuell dem Ukraine-Krieg. Auch wenn zu Guttenberg keinen dritten Weltkrieg erwartet, so doch eine Zunahme derartiger gewaltsamer Eskalationen.

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