Krankenkasse: Unionspolitiker fordert Eigenbeitrag für gesetzlich Versicherte und beklagt "Flatrate-Mentalität"
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, fordert Eigenbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung, um die Kosten im Kassensystem zu senken. Denkbar sei, dass Patientinnen und Patienten mit sehr häufigen Terminen extra zur Kasse gebeten werden.
Müssen gesetzlich Krankenversicherte, die häufig einen Arzt aufsuchen, bald mehr Geld für ihre Krankenkasse bezahlen? Dies fordert Tino Sorge, CDU-Mitglied und gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Notwendig seien angesichts des wachsenden Defizits bei den Krankenkassen eine höhere Eigenbeteiligung der Versicherten sowie neue Tarifmodelle. „Wir müssen die weit verbreitete Flatrate-Mentalität in der gesetzlichen Krankenversicherung beenden. Viele denken, ich zahle doch Beiträge, also steht mir alles in beliebiger Höhe zu“, sagte Sorge dem RND.
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Niemand beabsichtige, „wichtige Leistungen zusammenzustreichen“, sagte Sorge. Aber es brauche mehr Eigenverantwortung und „Kostensensibilität“, mehr Steuerung und mehr Flexibilität, argumentierte der Jurist. Konkret fordert er ein „Lotsenmodell“, bei dem sich Versicherte verpflichten zunächst zum Hausarzt zu gehen, bevor sie einen Facharzt aufsuchen. Auch sollen die Krankenkassen Tarife mit einem bestimmten Eigenanteil anbieten, die im Gegenzug reduzierte Beitragssätze haben. Denkbar sei auch, dass der Eigenanteil erst bei einer „übermäßigen Inanspruchnahme“ von ärztlichen Leistungen gezahlt werden müsse - Härtefälle und chronisch Kranke sollen davon ausgenommen werden. „Das System lebt zunehmend über seine Verhältnisse“, sagt der Gesundheitsexperte.
Auf wenig Gegenliebe stieß Sorge mit seinem Vorstoß bei der Schwesterpartei. Zwar sei die finanzielle Lage der Kassen schwierig, sagte der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dem „Deutschlandfunk“. Er könne aber nicht nachvollziehen, wenn jemand in Zeiten hoher Inflation und steigender Energiekosten noch mehr Eigenbeteiligungen sowie Zuzahlungen von den Versicherten fordere. Vielmehr würden heute schon Zuzahlungen verlangt und es gebe seit Jahresbeginn für viele Versicherte höhere Beiträge, sagte der Landespolitiker.
Tatsächlich gab es ähnliche Lenkungsversuche, wie Tino Sorge sie nun vorschlägt, bereits in Zeiten der Praxisgebühr. Von 2004 bis 2012 mussten alle gesetzlich Versicherten zehn Euro pro Quartal für einen Arztbesuch bezahlen, zusätzlich sollten sie sich zunächst an den Hausarzt wenden, bevor sie einen Facharzt aufsuchen. Das kann aber auch kontraproduktiv wirken. Studien des Wissenschaftlichen Instituts der AOK und der Bertelsmann Stiftung wiesen damals darauf hin, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen auf Arztbesuche verzichten, bei Beschwerden hinauszögern und Vorsorge- und Präventionsangebote seltener nutzen. Dies kann die Behandlung verteuern, wenn Krankheiten später erkannt werden und dann eventuell sogar schwere Eingriffe und längere Krankenhausaufenthalte notwendig werden.
In den letzten Jahren mussten die Krankenkassen immer höhere Beträge für ärztliche Behandlungen zahlen. Gaben sie 2012 noch 28,7 Milliarden Euro hierfür aus, so summierten sich die Ausgaben 2022 bereits auf 46,1 Milliarden Euro: ein Plus von fast 61 Prozent. Den größten Ausgabenblock bildeten aber Aufwendungen für Krankenhäuser (88,1 Milliarden Euro) und Arzneimittel (48,8 Milliarden Euro). Neben der Alterung der Gesellschaft trugen aber u.a. auch höhere Arzthonorare zu den steigenden Kosten bei.