Allianz X ist die Wagniskapital-Tochter der Allianz: und zugleich ein Prestigeprojekt von Firmenchef Oliver Bäte. Über zwei Milliarden Euro hat der Versicherer mit seiner Tochter in 27 Start-ups investiert, darunter zehn sogenannte Einhörner: junge Techfirmen, die bereits mehr als eine Milliarde Euro wert sind. Viele der Unternehmen erreichten den Status erst, nachdem die Allianz ihr Geld hinein steckte, was für ein feines Näschen bei Investments spricht. Der Schwerpunkt liegt auf FinTechs und InsurTechs: Unternehmen also, die ihr Geld mit Finanz- und Versicherungs-Services verdienen.

Anzeige

Doch nun hat die Allianz Probleme: und das liegt auch an einem Vorzeigeprojekt. Viel Geld hat man in die Direktbank N26 investiert. Bereits vor einem Jahr sorgte das Unternehmen für Schlagzeilen, weil die Bank ungenügend gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung vorgehe. Die Finanzaufsicht BaFin stellte dem Unternehmen einen Aufpasser an die Seite und verhängte ein Bußgeld von 4,25 Millionen Euro. Im Februar 2022 wurde dann bekannt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft gegen vier Verantwortliche der Bank ermittle. Der Vorwurf: zahlreiche Konten seien bei der Bank in betrügerischer Absicht eröffnet worden, etwa für Fake-Shops, um Kunden abzuzocken. Erneut wurde auch der Vorwurf der Geldwäsche laut.

Vorsichtige Kritik von Cetin

Zu diesen Vorwürfen hat sich nun Nazim Cetin geäußert, Chef bei Allianz X. Gegenüber dem „Handelsblatt“ erklärte er, dass er grundsätzlich an der bisherigen Investment-Strategie festhalten wolle. Das bedeutet: Das Geld in reifere Start-ups zu stecken, die bereits einen gewissen Status erreicht haben - und folglich nicht mehr ganz am Anfang stehen. „Es gibt noch immer Super-Opportunitäten“, wird Cetin zitiert. Scale-up ist der Begriff hierfür: im Aufwind befindliche, junge Unternehmen, die bereits erfolgreich ein Fundament aufbauen konnten. Das ist insofern nicht verwunderlich, weil die bisherige Strategie der Allianz-Tochter ordentliche Rendite einbringt: im Schnitt 33 Prozent pro Jahr laut Konzernchef Bäte.

Gegenüber N26 wählt Cetin dann vorsichtig kritische Worte: „Die Wachstumsschmerzen sind nicht gut“, lässt er sich vom „Handelsblatt“ zitieren. Im Herbst hatte bereits die deutsche BaFin das Neukundengeschäft der Bank eingeschränkt. Nun wurde bekannt, dass auch die italienische Finanzaufsicht der Bank am Montag bis auf Weiteres untersagte, Neugeschäft zu tätigen. Auch die Behörden der südeuropäischen Republik fordern Nachbesserungen bei der Geldwäsche.

Ob der schweren Vorwürfe gegen das Bankhaus fällt die Kritik des Allianz-Managers eher zurückhaltend aus: zumal Cetin zugleich betont, er sei überzeugt, dass das Management Lösungen für die Probleme finden werde. Die Kritik von Dritten an N26 war hingegen teils massiv geworden:

Ein Beispiel: Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern schrieben im November einen offenen Brief an BaFin-Chef Mark Branson, in dem sie beklagten, dass ihre eigenen Kundinnen und Kunden in über 400 Fällen Opfer von Betrügereien geworden seien, die im Zusammenhang mit einem N26-Konto stünden. „Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern es besteht ein flächendeckendes, systematisches Problem“, schrieb der Genossenschaftsverband. Der Schaden für die eigenen Kunden wurde auf mindestens 1,5 Millionen Euro beziffert. Der Vorwurf: um schnelles Wachstum zu erzeugen, verletze N26 Grundregeln des Bankgeschäftes - und provoziere einen Imageschaden für die gesamte Branche.

Potentiale für deutsches FinTech an Börse weiterhin da

N26 betont mittlerweile, entschieden gegen Betrug und Geldwäsche vorzugehen und dafür die Mitarbeiter-Zahl aufgestockt zu haben: doch auch dabei passierten dem Geldhaus offenbar Fehler. So klagten Kundinnen und Kunden via Social Media, dass ihr Konto zu Unrecht als betrügerisch eingestuft und gesperrt worden sei. Laut einem Bericht von golem.de habe deshalb die Pariser Kanzlei Choisez & Associés eine Sammelklage gegen die Berliner eingereicht, der sich rund 50 Kunden angeschlossen haben.

Anzeige

Bei der letzten Finanzierungsrunde sammelte N26 fast 800 Millionen Euro von Investoren ein: noch vor Bekanntwerden der Vorwürfe. Mit den Problemen dürfte nun auch der Börsengang vakant sein, der für Ende des Jahres angestrebt wurde: auch, weil mit dem Ukraine-Krieg die Kurse einiger Tech-Firmen deutlich verloren. Kritik übte Allianz-Investor Cetin hierbei an US-amerikanischen Unternehmen, die zu zeitig an die Börse gegangen seien und darauf verzichteten, weitere Investoren einzuwerben, um sich besser zu positionieren. Potentiale dafür, dass auch ein deutsches Fintech erfolgreich an die Börsen geht, sieht Cetin laut „Handelsblatt“ dennoch weiterhin: nach der Sommerpause und abhängig von der geopolitischen Lage.

Anzeige