Job-Räder statt Dienstwagen? Bahn statt Flugzeug? Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) soll das bald Realität werden. Die Geschäftsstelle des Verbandes will bis 2025 klimaneutral werden, wie Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft berichtet hat. Über die Veranstaltung berichtet aktuell das Versicherungsjournal.

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2019 habe der CO2-Ausstoß der Geschäftsstelle noch 500 Tonnen betragen, berichtet Asmussen. Das wolle man nun ändern. Instrumente hierfür seien eine neue Dienstreise-Richtlinie, das Anschaffen von Job-Rädern, der Wechsel zu einem ökologischeren Stromanbieter sowie das Abschaffen von Dienstwagen. Dennoch warb Asmussen um Verständnis, dass man auf Flüge nicht gänzlich werde verzichten können. Etwa 20 Prozent des Carbon-Footprints werde man mit Klimazertifikaten ausgleichen müssen.

Der Verband beschäftigt nach eigenen Angaben ungefähr 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Schritt zu mehr Klimaneutralität reiht sich ein in eine Reihe von Maßnahmen, mit dem sich die Branche um mehr Transparenz bemüht: und um ein besseres Image. So hat sich der GDV im Februar auch in das Lobbyregister des Deutschen Bundestags eingetragen: und kommuniziert, dass man rund 15 Millionen Euro im Jahr für die Lobbyarbeit im Sinne der Versicherer ausgebe. Insgesamt seien 90 GDV-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin direkt an der Interessenvertretung beteiligt und werden daher namentlich im Lobbyregister genannt.

Mangel an grünen Investments

Laut „Versicherungsjournal“ habe Jörg Asmussen auf der Veranstaltung am Mittwoch auch Zahlen genannt, wie stark die Versicherer bereits ESG-Risiken in ihrem direkten Versicherungsgeschäft berücksichtigen. Also Kriterien der Umweltfreundlichkeit (Environmental), sozialen Verantwortung (Social) und einer guten Unternehmensführung (Governance). Ein Drittel des Marktes, gemessen am Bruttobeitrag, würde diese im Underwriting bereits zeichnen. Bis 2025 soll sich dies auf 60 Prozent der Unternehmen erhöhen.

Überraschend niedrig ist hingegen der ESG-Bestand in der Kapitalanlage der Versicherer: also die Frage, ob die Kundengelder auch tatsächlich in ökologische und nachhaltige Investments fließen. Aktuell seien 0,7 Prozent der Anlagen „grün“ und 0,3 Prozent in Sozialbonds investiert. Hier gebe es zu wenige Angebote und Projekte für die Kapitalanleger der Versicherer, kritisierte der Verbandschef. Die deutsche Versicherungswirtschaft legt enorme Summen ihrer Kundinnen und Kunden an: 1,7 Billionen Euro an Geldern verantwortet sie derzeit, eine Zahl mit 12 Nullen.

Versicherer wollen bis 2050 klimaneutral werden

Die Versicherer halten viele lang laufende Papiere, was es ihnen erschwert, einfach in klimafreundliche Investments umzuschichten: Das könnte auch zum Nachteil der Kundschaft sein, viele Geldanlagen müssten mit Verlusten abgestoßen werden. Der GDV hat zum Jahresanfang 2021 einen Beschluss gefasst, wonach sich die Branche verpflichtet, bis 2050 auch in der Geldanlage klimaneutral zu werden bzw. auf ESG umzusatteln. Mit Blick auf interne Prozesse in den Unternehmen -Büros, Reisen, Energieverbrauch etc.- soll es aber schneller gehen. Bereits 2025 sollen Bürogebäude und Infrastruktur der Versicherer klimaneutral sein.

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Langfristig sollen klimaschädliche Unternehmen auch keinen Versicherungsschutz mehr durch deutsche Assekuranzen erhalten. Die Versicherer sind von den Folgen klimaschädlicher Technologien unmittelbar selbst betroffen: Schäden durch Naturkatastrophen nehmen tendenziell zu, wie die Munich Re, größter Rückversicherer der Welt, errechnet hat. Von 1980 bis 2019 sind den Volkswirtschaften so Kosten von 5,2 Billionen US-Dollar (4,28 Billionen Euro) entstanden, der Großteil davon unversichert.

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