Mit einer D&O-Versicherung können Unternehmen ihre Vorstände, Manager und Organe gegen Vermögensschäden absichern, die aus Fehlverhalten in ihrer Vorstandsfunktion resultieren. Die Nachfrage ist groß: Entscheidungsträger haften für Fehlentscheidungen persönlich mit ihrem Privatvermögen. Und schon, wer fahrlässig eine wichtige Frist verpasst, kann sich mit hohen Schadensersatz-Forderungen konfrontiert sehen.

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Vorstände sehen sich hierbei mit einer zunehmenden Zahl an Klagen konfrontiert: auch in Deutschland. Nach der Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für das Jahr 2020 übersteigen in der D&O-Versicherung die Schadenzahlungen der deutschen Versicherer die Beitragseinnahmen. Zwar sind die Beiträge gegenüber dem Vorjahr um gut neun Prozent auf 335 Millionen Euro gestiegen, während die Leistungen der Versicherer um 14 Prozent wuchsen. Nach Abwicklung der Schäden lag die Schadenquote bei 110 Prozent, sodass unter dem Strich erhebliche Verluste der Versicherer stünden (Zahlen für inländisches Direktgeschäft).

Eine Folge sei, dass sich zunehmend Anbieter aus dem Markt zurückziehen und nicht alle Risiken mehr versicherbar seien, warnt aktuell die Allianz Global Corporate Speciality (AGCS), globaler Industrieversicherer der Allianz. Die Münchener haben eine Studie vorgelegt, wo im Jahr 2022 die größten globalen Haftungsrisiken für Vorstände und Manager lauern: und folglich auch hohe Kosten drohen. Die wichtigsten Erkenntnisse zeigt der folgende Überblick. Die Studie wurde in englischer Sprache auf der Webseite der Allianz veröffentlicht.

Insolvenzrisiken: Auslaufen der Schutzmaßnahmen

In den letzten Jahren ist die Zahl der weltweiten Insolvenzen zurückgegangen: auch aufgrund zahlreicher Schutzmaßnahmen der Staaten. Laut dem Euler Hermes Global Insolvency Index haben massive staatliche Eingriffe dazu beigetragen, jede zweite Insolvenz in Westeuropa und jede dritte in den USA zu verhindern, was zu einem Rückgang von insgesamt -12 Prozent im Jahr 2020 führte. Auch im Jahr 2021 ging die Zahl der weltweiten Insolvenzen um sechs Prozent zurück. Im Jahr 2022 ist jedoch ein Anstieg der Insolvenzen zu erwarten: Prognosen gehen von 15 Prozent mehr Insolvenzen aus.

Regional werden hierbei unterschiedliche Trends erwartet. In weniger entwickelten Märkten wie Afrika oder Lateinamerika wird die Zahl der Insolvenzen voraussichtlich schneller ansteigen als in Volkswirtschaften wie Frankreich, Deutschland und den USA. Traditionell ist die Insolvenz eine der Hauptursachen für D&O-Ansprüche, da die Insolvenzverwalter versuchen, die Verluste zu kompensieren. „Es gibt viele Möglichkeiten, wie Aktionäre oder andere Interessengruppen nach einer Insolvenz gegen Geschäftsführer vorgehen können, z. B. mit der Behauptung, dass diese versäumt haben, sich angemessen auf eine Pandemie oder auf längere Zeiträume mit geringeren Einnahmen vorzubereiten“, sagt Stephan Geis, Regional Head of Financial Lines von AGCS in Zentral- und Osteuropa.

Volatile Märkte, drohende Vermögensblasen: und Risiken aus Greenwashing

Gefahren sieht die Allianz auch mit Blick auf das Risikomanagement von Finanzdienstleistern und anderen Unternehmen. Die Märkte seien zunehmend volatiler, das Risiko von Vermögensblasen steige und auch die Inflation nehme in mehreren Regionen der Welt teils deutlich zu. Entsprechend erhöhen sich auch die Haftungsrisiken, weil dieses Marktklima Fehlentscheidungen -etwa mit Blick auf das Investment-begünstigen könne.

Dieses schwierige Marktumfeld trifft Versicherer und Unternehmen zu einem Zeitpunkt, zu dem von ihnen erwartet wird, die Verantwortung für klimabedingte Risiken aus dem eigenen operativen Geschäft bzw. Vermögensanlagen selbst zu tragen und diese zudem angemessen zu dokumentieren und offenzulegen. Dies ergibt sich auch aus neuen regulatorischen Anforderungen. Das sich verschärfende regulatorische Umfeld, die Aussicht auf Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel oder „Greenwashing“ – aus all diesen Themen können sich potenziell Ansprüche gegen Top-Manager entwickeln, prognostiziert die Allianz.

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Milliarden-Risiken in der Cyberversicherung

Ein weiteres Risikofeld: Cybersicherheit. Erst die jüngste Sicherheitslücke „Log4j“ hat aktuell wieder gezeigt, dass hier Milliarden-Risiken lauern, die von den Unternehmen bewältigt werden müssen. „IT-Systemausfälle oder Cyberangriffe könnten kostspielige Betriebs-unterbrechungen und Mehrkosten verursachen, etwa für Kundenregressforderungen, Rechtsberatung, Umsatzrückgang und Geldbußen. Und nicht zuletzt kann auch der Ruf der Marke leiden. All dies kann sich letztlich auf den Aktienkurs eines Unternehmens auswirken und das Management kann für unzureichende Vorkehrungen in Haftung genommen werden“, sagt Geis.

Teure Rechtsstreite gegen ausländische Unternehmen in den USA

Prozessrisiken seien nach wie vor eine Hauptursache für Schadenfälle in der D&O-Versicherung, berichtet ACGS, insbesondere im Zusammenhang mit Aktionärsklagen, die gegen ausländische Unternehmen vor US-Gerichten anhängig sind. „Eine Reihe neu eingereichter Klagen in den USA, der lange Arm amerikanischer Gerichte, die immer häufiger Klagen gegen ausländische Unternehmen zulassen, und ein möglicherweise rekordverdächtiger Vergleich im Oktober 2021 deuten auf erhöhte Rechtsrisiken für Vorstände von Unternehmen mit US-Geschäft hin“, betont Geis.

Gemeint ist ein Urteil gegen das chinesische Unternehmen Renren, auch als „Facebook von Cina“ bekannt. Der Aktienkurs des Unternehmens war abgestürzt, nachdem Mitbegründer des Unternehmens des Eigenhandels beschuldigt wurden und wertvolle Vermögenswerte zu Spottpreisen ausgegliedert wurden. Vor einem New Yorker Gericht erklärte sich Renren bereit, 300 Millionen US-Dollar Schadensersatz zu zahlen.

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Seit Anfang 2020 habe eine Gruppe von Anwaltskanzleien vor den Gerichten des Bundesstaates New York mehr als zehn Klagen im Namen von Aktionären nicht-amerikanischer Unternehmen eingereicht, um Geschäftsführer für Pflichtverletzungen rechtlich und finanziell zur Verantwortung zu ziehen. Dabei käme ihnen zugute, dass die Hürden für Klagen vor US-Gerichten niedriger seien als in anderen Ländern und die US-Gerichte und Jurys als klägerfreundlich gelten. Für Top-Manager, die sich in Aktionärsderivatenklagen vor den Gerichten verteidigen müssen, können die Folgen schwerwiegend sein, da oft über hohe Summen verhandelt werde.

SPACs auf dem Prüfstand

Ein neues Risiko im Bereich der globalen D&O-Versicherung stelle die Zunahme der so genannten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) dar. Dabei handelt es sich um Mantelfirmen, die einen schnelleren Weg hin zu einer Börsennotierung ermöglichen. Zu den Vorteilen, die das Wachstum von SPACs gegenüber traditionellen Börsengängen (IPOs) vorantreiben, gehören reibungslosere Verfahren, geringere regulatorische und prozessuale Belastungen, einfachere Kapitalbeschaffung und kürzere Fristen für den Abschluss einer Fusion mit Zielunternehmen.

Allein in der ersten Jahreshälfte 2021 habe es in den USA 359 SPAC-Anmeldungen gegeben, die ein Gesamtvolumen von 95 Milliarden US-Dollar gehabt hätten, so zeigt eine Studie von CBInsights. Damit hat sich das Gesamtvolumen gegenüber dem Gesamtjahr 2020 mehr als verdoppelt. In Europa spielen derartige Modelle noch keine so große Rolle: Es wird aber auch hier eine deutliche Zunahme erwartet, obwohl die gesellschaftsrechtlichen Bedingungen deutlich strenger seien. In Asien sind SPACs ebenfalls auf dem Vormarsch, insbesondere in China, Hongkong und Singapur.

Diese Companys seien mit einigen besonderen versicherungsrelevanten Risiken verknüpft; es werde bereits über erste D&O-Schadenfälle berichtet. Sowohl die SPAC als auch die private Zielgesellschaft versuchen in der Regel, D&O-Deckungen abzuschließen. Außerdem werden Prospekthaftungsversicherungen benötigt. „Die Risiken könnten sich aus Missmanagement, Betrug oder vorsätzlicher Falschdarstellung, ungenauen oder unzureichenden Finanzinformationen oder Verstößen gegen Vorschriften oder Offenlegungspflichten ergeben“, erläutert Geis.

Darüber hinaus könnten auch das Versäumnis, eine geplante Transaktion innerhalb der Zweijahresfrist abzuschließen, Insiderhandel während der Börseneinführung, Vorwürfe wegen einer falschen Auswahl des zu übernehmenden Unternehmens oder das Fehlen einer angemessenen Due-Diligence-Prüfung des Zielunternehmens eine Rolle spielen. Nach dem Zusammenschluss wird von Aktionären kritisch geprüft, ob das künftige Unternehmen die erwarteten Leistungen erbringt oder die neuen Pflichten eines börsennotierten Unternehmens erfüllt.

mit Pressematerial AGCS
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