Die Digitalisierung könnte viele Arbeitsplätze überflüssig machen: eine Deloitte-Studie sieht fast jeden zweiten Arbeitsplatz durch Automatisierung und künstliche Intelligenz gefährdet. Damit stellt sich das Problem, wie großen Teilen der Bevölkerung davor bewahrt werden, in Armut zu landen. Eine populäre Antwort: Dies könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) leisten. Der Staat zahlt jedem ein monatliches Einkommen, das alle grundlegenden Lebenshaltungskosten deckt. Laut zwei repräsentativen Umfragen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) würde rund jeder zweite Deutsche ein solches Grundeinkommen begrüßen.

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Eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium kommt nun aber zu dem Ergebnis, dass ein solches bedingungsloses Grundeinkommen nicht finanzierbar sei. Die Ökonomen haben sich vor allem die Kosten näher angeschaut. Und gingen davon aus, dass jeder Bürgerin und jedem Bürger mindestens das gesellschaftlich akzeptierte Existenzminimum zugestanden wird. Das bedeutet: Erwachsene erhalten monatlich 1208 Euro und für Kinder werden 684 Euro gezahlt. Über die noch unveröffentlichte Studie berichtet vorab das „Handelsblatt“.

Finanzierungsbedarf: knapp 900 Milliarden Euro jährlich

„Selbst wenn man die anderen Sozialleistungen gegenrechnet, entsteht mit der Einführung des BGE ein Finanzierungsbedarf von knapp 900 Milliarden Euro jährlich“, zitiert das Magazin aus dem Studien-Text. Und weiter: „In einer offenen Gesellschaft ist ein individuelles, bedingungsloses und in seiner Höhe existenzsicherndes BGE aus Sicht des Beirats nicht umsetzbar“. 70 Prozent der Haushaltseinkommen müssten umverteilt werden, um ein solches Grundeinkommen zu finanzieren.

Doch auch, wenn es nur teilweise finanziert werde, seien massive Steuererhöhungen notwendig, berichtet das „Handelsblatt“ weiter. Würde man jedem Bürger lediglich die aktuelle Grundsicherung einräumen: 446 für jeden Erwachsenen und für jedes Kinder 378 Euro, so müsste die Einkommenssteuer bereits um 12 Prozentpunkte angehoben werden und der steuerliche Grundfreibetrag abgeschafft, so hätten die Ökonomen errechnet. Infolge dessen sei zu befürchten, dass viele Leistungsträger auswandern. Dem Versicherungsboten liegt die Studie noch nicht vor.

Kein Interesse an unattraktiven Jobs

Nach Ansicht der Experten hätte ein solches Grundeinkommen auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, weil vor allem die Nachfrage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach unattraktiven Jobs einbrechen könnte. Mit anderen Worten: Man fürchtet, dass für bestimmte schlecht bezahlte und wenig angenehme Arbeiten ein existentieller Zwang notwendig ist, damit sie überhaupt ausgeführt werden. Dem Beratergremium des Bundesfinanzministeriums gehören auch mehrere Ökonomen von arbeitgebernahen Wirtschaftsinstituten an.

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Eine andere Umfrage zeigt, dass viele Menschen dennoch nicht auf der faulen Haut liegen wollen, wenn das Grundeinkommen käme: Laut einer Umfrage des MDR würden mehr als drei Viertel der Erwerbstätigen weiterhin ihrer Arbeit nachgehen.

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