In Deutschland ist bei jeder Geburt eine Hebamme dabei. Hebammen begleiten immer die Geburt, da ist es völlig egal, ob diese in einer Klinik oder zu Hause stattfindet. Die Tätigkeiten unterscheiden sich nicht, nur die Umgebung. Die Stärkung der Gebärenden, Überprüfung der regelrechten Verläufe, Sorgfalt bei der Überwachung des Kindes, etc...

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Die fehlenden Hebammen lassen vermuten, dass die Belastung im Beruf – ähnlich wie in der Pflege – hoch ist. Wie gestalten sich aktuell die Arbeitsbedingungen?

Ja, hier gibt es großen Verbesserungsbedarf! Im Zuge der Einführung der diagnoseabhängigen Bezahlung (DRG) im Jahre 2004 ist die Krankenhausfinanzierung auf andere Füße gestellt worden. Sie wurde gewinnorientiert. Personalkosten, die den größten Posten in einer Haushaltsplanung darstellen, mussten reduziert werden – es kam zum Stellenabbau. Die Lage wurde dann prekär, als ab 2012 die Geburtenzahlen stiegen, Hebammen ab nicht gleichzeitig eingestellt wurden. Und mittlerweile ist es so, dass Hebammen unter den Bedingungen, wie sie heute in vielen Kreißsälen herrschen, nicht mehr arbeiten können und wollen: fachfremde Tätigkeiten, mehrere Gebärende parallel betreuen, Überstunden. Es muss auch in Deutschland selbstverständlich sein, dass eine Gebärende in der aktiven Phase ihrer Geburt eine Hebamme an ihrer Seite weiß – als eine Eins-zu-Eins-Betreuung, wie es in anderen europäischen Länder selbstverständlich ist.

Digitalisierung ist ein Schlagwort, das aktuell nahezu alle Berufsfelder ergreift: auch die Gesundheits- und Heilberufs-Branche. Ich kann mir vorstellen, dass werdenden Müttern und Vätern der persönliche Kontakt zu ihrer Hebamme wichtig ist. Wie stark verändern die neuen digitalen Möglichkeiten den Beruf - und wo sind hier Grenzen, weil der persönliche Kontakt doch unersetzbar ist?

Im Zuge der Corona-Pandemie konnten wir in einer Sonderregelung mit den Krankenkassen vereinbaren, dass Hebammen auch digitale Leistungen abrechnen können. Dadurch erleben wir, wie Schwangere und Wöchnerinnen hierauf reagieren. Die aufsuchende Betreuung ist nach wie vor das Meistgeschätzte. Allerdings können digitale Angebote ergänzend gut eingesetzt werden. Manchmal erlaubt das digitale Angebot sogar eine Verbesserung, wenn z.B. eine Schwangere, in deren Region alle Präsenzkurse ausgebucht sind, doch noch einen virtuellen Kurs in Echt- zeit eins zu eins bei einer Hebamme wahrnehmen kann. Wir sehen die digitale Leistungserbringung als Ergänzung zum persönlichen Kontakt in der Hebammenarbeit.

Die Hebammenausbildung wurde vor einem Jahr reformiert und ist künftig ein akademischer Ausbildungs-Beruf: auch, um die Wertschätzung zu steigern. Auch Sie als Verband haben auf eine Reform gedrängt. Warum war das notwendig?

Hebammen arbeiten eigenverantwortlich im Rahmen der Geburtshilfe im weitesten Sinne, sie lesen Studien und übernehmen deren Ergebnisse gegebenenfalls in ihren Arbeitsalltag, sie müssen sich aktuell halten. Da ist der Weg hin zu wissenschaftlichem Arbeiten vorausbestimmt. Daher ist die Akademisierung längt überfällig, zumal die gesetzliche Grundlage auf EU-Ebene bereits 2013 geschaffen wurde. Deutschland war innerhalb der EU das letzte Land, das diese Richtlinie umgesetzt hat.

Wie ist es um den Nachwuchs in Ihrer Branche bestellt? Gibt es hier ähnliche Sorgen wie z.B. in der Pflegebranche?

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Wir freuen uns sehr, dass wir immer rege Nachfrage an Ausbildungsplätzen haben.

Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 01/2021.

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