Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gehen davon aus, dass sich die Zahl der Selbstständigen bis Ende 2021 um 150.000 auf 3,85 Millionen sinken wird. Rechnet man jene 154.000 hinzu, die 2020 ihre Selbstständigkeit aufgaben, verringerte sich die Zahl der Selbstständigen seit Beginn der Corona-Krise um mehr als 300.000. Der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) schlägt deshalb Alarm: „Wir brauchen eine Politik, die unsere Lebenswirklichkeit versteht und unseren Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft wertschätzt, statt unseren Fleiß und unsere Eigeninitiative mit immer mehr Bürokratie zu ersticken“, so VGSD-Vorstand Andreas Lutz. Konkret benötigten die Selbstständigen Rechts- und Planungssicherheit in Hinblick auf ihren Status als Selbstständige sowie ihre Altersvorsorge sowie fair berechnete Sozialversicherungsbeiträge, so der Verband.

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Nun bekommt der Verband eine Art Argumentationshilfe. Denn auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) widmet sich in einer aktuellen Studie der Situation von Selbstständigen. Deren zentrales Ergebnis: Insbesondere Selbstständige mussten Einkommensverluste durch die Eindämmungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie hinnehmen. Durchschnittlich sank das Einkommen um 16 Prozent, so die Studie, für die Studienautor Markus M. Grabka erstmals Daten einer Sondererhebung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-CoV) von Januar und Februar dieses Jahres ausgewertet hat. Demnach stiegen im Gegensatz zu den Einkommen der Selbstständigen die der Angestellten- und Beamtenhaushalte nominal sogar um fünf Prozent. In den anderen betrachteten Haushaltstypen haben sich die Einkommen im Durchschnitt nicht verändert, wobei individuell aufgrund von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit deutliche Verschiebungen vorliegen können, so das DIW.

Wirtschaftsforscher Grabka fordert daher, dass die Politik möglichst zielgenau Selbstständige und mittelständische Unternehmen finanziell unterstützen sollte, um Insolvenzen und Geschäftsaufgaben zu verhindern. „So sollte die Bundesregierung darüber nachdenken, den von der Pandemie betroffenen Selbstständigen eine partielle Deckung der Lebenshaltungskosten zu gewähren“, sagt Grabka. Bisher seien vorwiegend fixe Betriebskosten durch Fördermaßnahmen abgedeckt wurden. „Um die Zielgenauigkeit zu verbessern, sollte auch überprüft werden, ob es notwendig ist, Unternehmen mit erheblichen Gewinnen und Dividendenausschüttungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu helfen“, schreibt das DIW.

Weiteres Studien-Ergebnis: Seit Einführung des Mindestlohns stagniert die Niedrigeinkommens- oder Armutsrisikoquote bei 16 Prozent - trotz eines wirtschaftlichen Booms in den 2010er Jahren.

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Ganz wirkungslos ist die Einführung des Mindestlohns aber doch nicht. So ist der Anteil jener Menschen, die einen essentiellen Mangel erleiden, deutlich zurückgegangen: Von 2008 bis 2019 halbierte sich deren Anteil auf 2,7 Prozent, so das DIW.
Bei Alleinerziehenden sei ein besonders deutlicher Rückgang des wirtschaftlichen Mangels zu verzeichnen. Nach knapp 20 Prozent sind es inzwischen nur noch 6,6 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland, die sich essentielle Sachen wie Miete, Heizung und warme Mahlzeiten nicht leisten können. „Dennoch wäre es erfreulich, wenn mit weiteren Anstrengungen der Niedriglohnbereich verkleinert werden könnte. Dazu ist es neben dem Erhalt der Arbeitsplätze auch nach Ablaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen wichtig, zum Beispiel Minijobs zurückzudrängen sowie Arbeit auf Abruf oder Zeitarbeit strenger zu regulieren“, sagt Studienautor Grabka.

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