„Online informieren - offline kaufen“ - so oder ähnlich gingen wohl die meisten Deutschen vor Corona mit den Möglichkeiten des Internets um. Ob Einkauf im Netz, Restaurant-Besuch oder Arzt-Wahl: Bewertungen anderer Nutzer werden hoch geschätzt, von ihnen hängt wesentlich ab, ob sich weitere Menschen von der bewerteten Dienstleistung oder Produkten überzeugen lassen.

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Inzwischen hat sich ein ganz eigener Wirtschaftszweig um Bewertungen gebildet. Mit Ausmaßen, die sogar das Bundeskartellamt zu einer Sektoruntersuchung veranlassten. In deren Abschlussbericht, vorgelegt im Oktober 2020, heißt es u.a.: „Die Preise für eine Amazon-Bewertung liegen im Bereich von 15 bis 30 Euro pro Bewertung, je nach Vermittler und bestellter Menge. Nach Angaben von Marktteilnehmern lassen sich allein mit der Vermittlung von Bewertungen für den deutschen Amazon-Marktplatz sechs- bis siebenstellige Jahresumsätze erzielen.“ Allerdings konnte das Amt nur Befragungen durchführen; im Bereich Verbraucherschutz fehlt es schlicht an Durchsetzungsbefugnissen. Wenig später berichtete heise.de von einem ganzen Fälscher-Netzwerk, das ‚Jubelrezensionen‘ für chinesische Händler organisierte. Dem Analyse-Portal Fakespot zufolge, sind 42 Prozent aller Amazon-Rezensionen gefälscht. Das Phänomen gefälschter Bewertungen beschränkt sich aber keinesfalls auf Amazon, wie übereinstimmend verschiedene Medien berichten: Auch in der Versicherungsbranche kann es offenbar zu Fake-Bewertungen kommen.

DVAG pfeift Direktionsleiter zurück

So soll ein Frankfurter Direktionsleiter der Deutschen Vermögensberatung seine zugeordneten Vermögensberater aufgefordert haben, auf dem Bewertungsportal „trustpilot.de“ positive Bewertungen zu hinterlassen. Die Aufforderung sei teilweise über interne Facebook-Gruppen gesteuert worden, berichtet pfefferminzia.de unter Berufung auf anonyme Quellen.

Hintergrund der ‚Positiv-Welle‘ soll die aktuelle Kampagne des Finanzvertriebs sein, mit deren Hilfe neue Mitarbeiter gewonnen werden sollen. Die wollte der DVAG-Direktionsleiter wohl unterstützen. Von pfefferminzia mit den Vorwürfen konfrontiert, gab die DVAG an, dass es sich bei dem Vorgang um eine Einzelaktion handele, die „weder von der Deutschen Vermögensberatung initiiert noch unterstützt wurde.“ Der Direktionsleiter sei gebeten worden, den Text herauszunehmen, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber boerse-online.de. Diesem Wunsch sei auch entsprochen worden.

Ein Kavaliersdelikt sind solche Fake-Bewertungen übrigens nicht. So warnt Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, in einem Interview mit ProvenExpert, dass es sich um wettbewerbswidriges Verhalten handele; Abmahnung und Schadenersatz drohen können. „Größte Hürde ist die Beweisführung. Wer den Konkurrenten abmahnen möchte, muss auch den Nachweis führen können, dass dieser Fake-Bewertungen nutzt“, ordnet der Jurist aber auch ein.

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Video: Hintergründe zu Fake-Bewertungen

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