Vor 2013 mussten Frauen in der privaten Krankenversicherung oft höhere Beiträge zahlen als Männer, wenn sie den gleichen Schutz wählten. Ursache war ausgerechnet der gesündere Lebenswandel: Frauen gehen häufiger zum Arzt und erreichen im Schnitt ein höheres Lebensalter. So haben Mädchen, die 2017 geboren wurden, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 92,9 Jahren, Jungen hingegen „nur“ von 89,8 Jahren. Die privaten Krankenversicherer begründeten die höheren Prämien damit, dass Frauen auch höhere Gesundheitskosten erzeugen.

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Doch seit dem 1. Januar 2013 ist Schluss mit Geschlechter-Unterschieden bei den Beiträgen bzw. der Prämienkalkulation. Der Europäische Gerichtshof hatte 2011 geurteilt, dass für Frauen höhere Prämien in der PKV unzulässig sind, weil sie dadurch benachteiligt würden (Az. C-236/09). Seitdem dürfen die privaten Krankenversicherer im Neugeschäft nur noch einheitliche Tarife für Frauen und Männer anbieten. Tatsächlich wirkte sich diese Reform auch auf das Wechselverhalten aus, wie eine aktuelle Studie des DIW Berlin zeigt. Frauen schließen sich demnach etwas häufiger einem privaten Krankenversicherer an - Männer hingegen deutlich seltener.

Unisex: Tarife für Männer unattraktiver

Für die Studie haben die beiden Ökonomen Shan Huang und Martin Salm Daten des Sozio-oekonomischen Panels ausgewertet: die größte wiederkehrende Haushaltsumfrage in Deutschland, wobei auch Versichertenstatus und Gesundheitszustand abgefragt werden. Der Bericht berücksichtigt Daten von 2004 bis 2015. Hierbei ist zu beachten, dass nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils bis zum Inkrafttreten von Unisex noch viele Männer in die PKV wechselten, um von den Prämienvorteilen zu profitieren, Frauen entsprechend warteten. Die Analyse rechnet weitere Faktoren heraus, die sich auf die Wechselbereitschaft auswirken können: etwa Einkommen und Gesundheit.

Dennoch zeigt die Langzeit-Analyse, dass die Wechselrate der Männer vor der Unisex-Reform deutlich höher lag als jene der Frauen: Mehr Männer verließen ihre Krankenkasse und schlossen sich der PKV an. Seit der Reform haben sich diese Wechselraten angeglichen. Für die privaten Krankenversicherer ist das mit Blick auf das Neugeschäft aber keine positive Botschaft: „Vor allem Männer wechselten deutlich seltener in die private Krankenversicherung als zuvor, Frauen wechselten dagegen kaum bis etwas häufiger als noch in den Vorjahren“, schreiben die Studienmacher.


“Unter Berücksichtigung sozio-ökonomischer und gesundheitlicher Faktoren lag die Wechselrate für Frauen vor Ankündigung der Unisex-Regelung 0,7 Prozentpunkte niedriger als für Männer. Nach Umsetzung der Unisex-Regelung verringerte sich die geschlechtsspezifische Differenz um 0,4 Prozentpunkte, also um mehr als die Hälfte. Dieser Effekt kann sich aus einer geringeren Wechselwahrscheinlichkeit für Männer und einer höheren Wechselwahrscheinlichkeit für Frauen zusammensetzen. Im Rahmen dieser Studie lässt sich die relative Bedeutung dieser zwei Effekte nicht ermitteln“, heißt es hierzu im DIW-Wochenbericht.

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„Dass die Reaktion der Männer deutlicher ausfällt als bei den Frauen, könnte darauf hindeuten, dass mit der Einführung der Unisex-Regelung die Tarife in der privaten Krankenversicherung für Männer meist unattraktiver wurden“, kommentiert Autorin Shan Huang.

Selbstständige Frauen wechseln häufiger

Die Studie fragt auch danach, wie sich das Wechselverhalten von Frauen und Männern nach verschiedenen Erwerbstätigen-Gruppen unterscheidet. Und diesbezüglich konnten durchaus Unterschiede festgestellt werden:

"Für Selbstständige und geringfügig Beschäftigte, für die ein Wechsel in die private Krankenversicherung leichter ist als für Angestellte, glich die Unisex-Regelung die geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht nur vollständig aus. Inzwischen wechseln selbstständige oder geringfügig beschäftigte Frauen sogar häufiger als Männer von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung", heißt es im Pressetext des DIW.

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Huang und Salm haben auch den entgegengesetzten Weg untersucht: nämlich, ob sich das Wechselverhalten von privater zu gesetzlicher Krankenversicherung ändert. Hier habe die Unisex-Regelung keinen statistisch signifikanten Effekt auf die geschlechtsspezifische Differenz in den Wechselraten gehabt. Die Regelung hat also nicht dazu geführt, dass Frauen im Vergleich zu Männern nach Einführung der Unisex-Regelung eher in der privaten Krankenversicherung verbleiben.

Die Ergebnisse der Studie haben Shan Huang und Martin Salm im DIW Wochenbericht 44 / 2020 präsentiert. Sie können auch auf der Webseite des DIW Berlin eingesehen werden.

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