Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnt aktuell, dass Deutschland und der Weltwirtschaft eine Pleitewelle bevorstehen könnte. In Deutschland ist die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen während des Lockdowns zwar gesunken: im ersten Halbjahr mussten 8.900 Firmen Insolvenz beantragen und damit 8,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Dies aber resultiert auch daraus, dass die Antragspflicht für Insolvenzanmeldungen aktuell ausgesetzt ist. Zum Jahresende tritt sie wieder in Kraft – erst dann könnte sich das wahre Ausmaß der Firmenpleiten zeigen.

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"Weltgrößte Insolvenzwelle seit Ende des Zweiten Weltkrieges"

Ron van het Hof, CEO der Kreditversicherungsgruppe Euler Hermes im deutschsprachigen Raum, erwartet gar „die weltweit größte Insolvenzwelle seit Ende des Zweiten Weltkriegs“. 2020 und 2021 könnten die Pleiten in Deutschland demnach um insgesamt zwölf Prozent auf 21.000 Fälle hochschnellen, prognostiziert der Niederländer.

Verschärft werden könnte die Lage dadurch, dass viele Übergangshilfen auslaufen bzw. von den Unternehmen bereits aufgebraucht wurden. Zudem ist die deutsche Wirtschaft stark exportabhängig: Und anderswo sehen die Prognosen noch düsterer aus. Für die USA erwartet Euler Hermes 2020/21 einen Anstieg der Insolvenzen um 57 Prozent gegenüber 2019. In China seien es 40, in Frankreich 25, weltweit 35 Prozent.

D&O-Versicherung: Der Insolvenzverwalter greift zu

Eine Insolvenzwelle würde auch die Versicherer treffen: nicht nur indirekt, weil Firmen Beiträge nicht mehr bezahlen können oder Policen abstoßen. Manche Versicherungsarten sind von Insolvenzen darüber hinaus besonders betroffen: vor allem die Kreditversicherer, die zum Beispiel Zahlungsausfälle in Lieferketten absichern. Aber zunehmend auch die sogenannte D&O-Versicherung.

Die Directors & Officers-Versicherung, kurz „D&O“, ist eine Art Schutzschirm für Führungskräfte. Ursprünglich aus dem angloamerikanischen Raum stammend, springt diese Vermögensschadenhaftpflicht ein, wenn etwa eine Übernahme gescheitert ist, Manager der persönlichen Vorteilsnahme verdächtigt werden oder aus einem anderen Grund Spitzenkräfte vor Gericht landen. "Vom Dax-Konzern bis zum Kleinstbetrieb haben heute fast alle Kapitalgesellschaften solche Policen für ihre Organe und leitenden Angestellten abgeschlossen", berichtet der GDV.

Doch auch für Insolvenzverwalter ist eine solche Police interessant. Sie versuchen, Führungskräfte und Manager persönlich haftbar zu machen und ihnen Fehlverhalten nachzuweisen, um dadurch die Insolvenzmasse zu erhöhen, so berichtet der GDV. Nach einer Analyse des Verbandes sehen sich Geschäftsführer und Aufsichtsräte zahlungsunfähiger Firmen im Schnitt mit Ansprüchen von fast sieben Millionen Euro konfrontiert, für die sie mit ihrem Privatvermögen haften sollen: oft zu Unrecht. Nach Experten-Schätzungen werden 20 Prozent der D&O-Schadenfälle aufgrund von Insolvenzen geltend gemacht.

Für die Betroffenen bedeutet das oft auch seelisches Leid - und Existenzängste. „Die hohen Forderungen stellen für die Betroffenen eine enorme psychische Belastung dar. Sie übersteigen in fast allen Fällen das Vermögen der Manager“, sagt Daniel Messmer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe D&O-Versicherung im GDV. Und mit einem schnellen Ausgang ist nicht zu rechnen: Im Schnitt ziehen sich die Prozesse zwei Jahre hin und verschlingen mehr als 30.000 Euro an Prozess- und Anwaltskosten.

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Dass von den Vorwürfen oft nicht viel übrig bleibt, zeigt die vergleichsweise niedrige Summe je Schadenfall, wenn doch einem Manager Fehlverhalten nachgewiesen werden kann. Während im Schnitt 7 Millionen Euro geltend gemacht werden, werden die Manager laut GDV-Studie im Mittel zu Schadenszahlungen von 140.000 Euro verpflichtet.

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