Die Allianz macht Ernst beim Thema nachhaltige Energien. Vergangene Woche hat der Versicherer mitgeteilt, dass sie neben dem Ausschluss der Projektversicherung für neue Kohlekraftwerke und –minen ab 2023 auch kohlefördernde Unternehmen vom Schaden- und Unfallversicherungsschutz ausschließen will, wie aktuell die Nichtregierungsorganisation „urgewald“ in einem Pressetext berichtet. Das könnte große Konzerne wie RWE und Glencore treffen, die dann nicht mehr neu versichert werden dürfen.

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Konkret will die Allianz laut Pressetext Energieversorger ausschließen, die 25 Prozent oder mehr ihres Stroms mit Kohle erzeugen und eine Kohle-Stromerzeugungskapazität von mindestens fünf Gigawatt betreiben. Im Bergbau sind Firmen betroffen, die mindestens 25 Prozent ihres Umsatzes mit energetischer Kohle machen und jährlich mindestens 50 Millionen Tonnen Kohle erzeugen. Bereits im Mai 2018 hatten die Münchener angekündigt, Einzelversicherungen für neue Kohlekraftwerke und -minen nicht mehr anzubieten zu wollen (der Versicherungsbote berichtete).

Bäte plädiert für klimafreundliche Konjunkturprogramme

Bereits in einem gestrigen Gastbeitrag für LinkedIn plädierte Allianz-Chef Oliver Bäte dafür, Konjunkturprogramme zur Überwindung der Corona-Krise auch im Sinne des Klimaschutzes einzusetzen. Dabei zog er auch Parallelen zwischen beiden Bedrohungen: Sowohl die Risiken einer Pandemie als auch des Klimawandels wurden verdrängt und verharmlost, obwohl die fatalen Folgen bekannt seien.

“In den frühen 2000er Jahren hatte der SARS-Ausbruch die Möglichkeit aufgezeigt, dass sich ein Virus schnell auf der ganzen Welt ausbreitet. Wir haben es gesehen, gehört, erlebt und dann sofort wieder vergessen, als der Ausbruch abgeklungen ist. Auch Bill Gates hat uns in einem TED-Vortrag gewarnt, dass das größte Risiko einer globalen Krise im Ausbruch eines hochinfektiösen Virus liege. Niemand dachte zu der Zeit daran, dass COVID-19 innerhalb weniger Monate mehr als 215.000 Menschenleben fordern könnte. (…) Wenn wir unser Gesundheits- und medizinisches Forschungssystem auf einen solchen Fall vorbereitet hätten, hätten viele Menschenleben gerettet werden können“, schreibt Bäte in dem englischen Beitrag.

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Ähnlich verhalte es sich mit dem Klimawandel, argumentiert der Allianz-Chef weiter. „Wir wissen, dass er kommt. Er hat bereits begonnen. Wir wissen, dass die Folgen schwerwiegend sein werden. Aber für die meisten von uns hat er schon seit einiger Zeit keine Priorität mehr“, schreibt Bäte. Hierbei spiegle die Einstellung zum Klimawandel auch die Einstellung zum Coronavirus wider. Viele Gesellschaften seien darauf nicht vorbereitet gewesen, weil sie nach dem Entstehen des Risikos dachten: „Das passiert in einem anderen Teil der Welt. Es wird uns nicht betreffen“.

"Lassen Sie uns die Kurve abflachen - für Infektionen, für Temperaturen"

So wie es keinen Impfstoff und kein Medikament gegen COVID-19 gebe, so gebe es auch keine Möglichkeit, den Klimawandel vollständig zu verhindern, argumentiert der Allianz-Chef weiter. Aber so wie man die Infektionsrate über soziale Distanzierung verlangsamen könne, so auch den Klimawandel durch wirksame Richtlinien und Verfahren. „Lassen Sie uns die Kurve abflachen - für Infektionen, für Temperaturen“, appelliert er der Konzernchef. „Wir alle - auch ich - sind es unseren Eltern und Großeltern schuldig, jetzt sicher zu sein - und unseren Kindern, dass sie sicher in der Zukunft sein werden“.

Eine wichtige Erkenntnis des Corona-Lockdowns sei nun, dass der Klimawandel nicht in den Hintergrund rücken dürfe, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren werde, argumentiert der Allianz-Chef. Wenn nicht, werde die nächste Krise hier sein, „bevor wir es wissen“. „Unsere makro- und mikroökonomischen Maßnahmen müssen die Weltwirtschaft widerstandsfähig machen, strukturelle Veränderungen in Richtung Klimaneutralität vorantreiben und ein nachhaltiges sowie integratives Wachstumsmodell ermöglichen“, schreibt Bäte.

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Kritik an Investment in fossile Energien

Oliver Bätes Kommentar ist vielleicht eines der eindrücklichsten Plädoyers für eine klimafreundliche Politik und Wirtschaft, die in den letzten Wochen von einem Firmenchef zu lesen waren. Das erkennt auch die NGO „urgewald“ an:

„Die Allianz ist der deutsche Versicherer, der beim Klimaschutz am meisten will. Allerdings hat der französische Großkonkurrent Axa immer noch bei einigen Punkten die Nase vorn. Dort gelten Versicherungseinschränkungen für Unternehmen bereits ab 2022, der Schwellenwert im Kohlebergbau ist niedriger und Unternehmen, die neue Kohlekraftwerke oder –minen planen, werden allein dadurch ausgeschlossen“, kommentiert Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald.

240 Millionen Euro für Exxon

In weiteren Punkten kritisiert die NGO auch die Allianz. Während der Versicherer scharfe Einschränkungen für Kohle-Investitionen bei ihren Eigenanlagen eingeführt habe und diese ebenfalls ab 2023 verschärfen wolle, gelte dies nicht für den sehr viel größeren Teil ihrer Vermögensanlagen im Auftrag von Kundinnen und Kunden. Sogar in selbst aufgelegten Fonds ließen sich demnach immer noch Kohlefirmen finden.

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Eine Finanzrecherche von urgewald habe gezeigt, dass die Allianz den Ölkonzern Exxon Mobil mit Investitionen in Höhe von 240 Millionen US-Dollar in Aktien und Anleihen unterstütze, berichtet die NGO weiter. Der Ölmulti wolle vor der Küste Guyanas in Südamerika ein gewaltiges neues Öl- und Gasfeld erschließen, das die Zukunft Guyanas und des Weltklimas gleichermaßen bedrohe. „Wir freuen uns über die Fortschritte im Kohlebereich, doch ernstzunehmender Klimaschutz ist nur möglich, wenn Konzerne sämtliche Investitionen zu Gunsten fossiler Energieträger beenden", glaubt Richter. So lasse die Allianz ein ähnliches Engagement wie bei der Kohle nicht bei Öl und Gas erkennen.

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