Wer zum Pflegefall wird, muss Armut fürchten: Das zeigen aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach bezogen 2018 exakt 318.580 Menschen in Pflegeheimen die sogenannte Hilfe zur Pflege. Dieses Geld wird gewährt, wenn Betroffene infolge von Krankheit und Behinderung auf fremde Hilfe angewiesen sind, aber die Pflegeleistungen nicht selbst finanzieren können und auch keine andere Institution einspringt — etwa der Ehepartner oder die Kinder.

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Gegenüber dem Vorjahr ist das ein deutlicher Anstieg. 2017 waren noch 301.784 Personen Empfänger dieser Sozialhilfe: rund sechs Prozent weniger. Deshalb fordert Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz eine Korrektur. "Ähnlich wie die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für Behandlung von Krankheiten trägt, muss die Pflegeversicherung künftig die gesamten Pflegekosten übernehmen“, sagte Brysch der Katholischen Nachrichten Agentur (KNA). Den Aufwand für Unterbringung, Verpflegung und Investitionen im Pflegeheim zahle weiter jeder selbst.

Kosten für Pflegeheim schießen in die Höhe

Brysch verwies darauf, dass die Pflegereform der Bundesregierung 2017 eigentlich Pflegebedürftige und Angehörige entlasten sollte. Nicht nur wurden die bisherigen 3 Pflegestufen in 5 Pflegegrade übersetzt, um den Grad der Bedürftigkeit besser abbilden zu können. Seitdem bezahlen alle Bewohner eines Heimes für die Pflegegrade 2 bis 5 auch den gleichen Anteil für ihre Pflege: unabhängig davon, welchen Pflegegrad sie haben.

Das Gegenteil war jedoch der Fall: Seit der Reform sind die Heimkosten nahezu explodiert. Nach Zahlen der Ersatzkassen zahlten Senioren im Juli 2019 durchschnittlich einen Eigenanteil für die Unterbringung im Pflegeheim von 1.891 Euro im Monat. 2017 hatte der Wert noch bei 1.696 Euro gelegen (siehe Grafik).

Und die Kosten steigen weiter. Wie „tagesschau.de" berichtet, liegt die Eigenbeteiligung von Pflegebedürftigen für einen Heimplatz sogar bereits bei 1.930 Euro im Bundesschnitt. Zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es teils deutliche Unterschiede: in Nordrhein-Westfalen müssen durchschnittlich 2.406 Euro pro Monat fürs Pflegeheim gezahlt werden, in Mecklenburg-Vorpommern hingegen nur 1.346 Euro. Diese Zahlen stammen aus der Pflegedatenbank der privaten Krankenversicherer.

Der bisher gezahlte Zuschuss aus der Pflegekasse reiche nicht einmal aus, um die reinen Pflegekosten im Heim zu bezahlen, kritisiert nun Brysch. Der Eigenanteil für die Pflege in den Einrichtungen habe sich in den letzten drei Jahren gar um knapp ein Drittel erhöht. Er appellierte an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, er solle ein „zukunftsfähiges Konzept zur Pflegefinanzierung vorlegen“ und das Problem nicht weiter vor sich herschieben.

Die finanzielle Belastung stationär betreuter Pflegebedürftiger nach Bundesländern im Juli 2019.

Bundestag verabschiedet Gesetzentwurf zur Entlastung von Angehörigen

Hoffnung gibt es nun aber für pflegende Angehörige: Genauer gesagt für Kinder, deren Eltern Sozialhilfe beziehen. Am Donnerstagabend hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das sie in Sachen Elternunterhalt entlasten soll. Demnach müssen Töchter und Söhne erst ab einem Bruttoeinkommen von 100.000 Euro künftig Elternunterhalt zahlen.

Bisher holt sich das Sozialamt das Geld von den Angehörigen in gerader Linie zurück, wenn der Patient den Pflegeheimplatz nicht selbst zahlen kann: in der Regel von den Kindern oder dem Ehepartner. Wie viel das Kind behalten darf, ist abhängig vom Einzelfall und richtet sich nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle. Für Sozialleistungen bei Pflegebedürftigkeit galt bisher eine Einkommensgrenze von etwa 21.600 Euro netto im Jahr.

Das Problem: Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss noch der Bundesrat zustimmen. Und der hatte bereits im Vorfeld auf Änderungen bestanden. Der Grund: Länder und Kommunen fürchten Mehrkosten, sind sie doch für Sozialleistungen in der Verantwortung. Sie hatten die Bundesregierung folglich aufgefordert, dass sich der Bund daran beteiligen oder sie ganz übernehmen soll.

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Doch selbst wenn die Reform kommen sollte, entlastet sie zwar die Angehörigen — aber nicht den Pflegebedürftigen selbst, wie Eugen Brysch kritisiert. „Pflege macht weiterhin arm und zwingt viele Betroffene in die Sozialhilfe“, so Brych.

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