Die Allianz Gruppe will weiter in aufstrebenden Schwellenmärkten wachsen: Und lässt sich das einiges kosten. Wie der Konzern am Freitag mitteilte, wird er das Sach- und Unfallgeschäft des brasilianischen Versicherers Sul América übernehmen. Dafür geben die Münchener drei Milliarden brasilianische Real aus: umgerechnet circa 667 Milliarden Euro. Die Brasilianer trennen sich vom Sachgeschäft, um sich künftig auf die Kranken- und Lebensversicherung zu spezialisieren.

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Wachstum in Südamerika angestrebt

Sul America ist vor allem im Geschäft mit Kfz-Versicherungen gut aufgestellt: Laut Pressetext wird die Allianz mit dem Erwerb zum drittgrößten Autoversicherer auf dem brasilianischen Markt. Damit erschließen die Münchener eine Region, in der sie bisher weniger prominent vertreten sind: In Lateinamerika tun sie sich bisher schwer. Auch deshalb, weil der Versicherungsvertrieb stark von Maklern dominiert wird.

Zwar ist die Allianz bereits mit ihrer Tochter Allianz Seguros S.A. auf dem brasilianischen Markt vertreten. Der Versicherer verfügt nach eigenen Angaben über rund 1.000 Mitarbeiter, 48 Niederlassungen sowie Anschluss an 15.000 Versicherungsmakler. Auch im Sport-Sponsoring ist die Auslandstochter aktiv: Das Heimstadion des aktuellen brasilianischen Meisters SE Palmeiras aus São Paulo, trainiert vom früheren Weltmeistercoach Felipe Scolari, trägt den Namen "Allianz Parque". Fußball-Legenden wie Roberto Carlos, Rivaldo oder Cafu, Kapitän der brasilianischen Weltmeister-Mannschaft von 1994 und 2002, spielten für den Klub, bevor sie in Europa den Durchbruch schafften.

Dennoch ist die Allianz in Brasilien bisher eher ein kleiner Wettbewerber. Über 209 Millionen Einwohner zählt der Staat: mehr als zweieinhalbmal so viel wie Deutschland. Trotz aller sozialen Verwerfungen wächst die Mittelschicht und fragt verstärkt Versicherungen nach. Nach Angaben des brasilianischen Sekretariats für strategische Angelegenheiten (Secretaria de Assuntos Estratégicos, SAE) lassen sich bereits mehr als 100 Millionen Brasilianer dem Mittelstand zurechnen - ein enormes Potential. Mit einem Prämienvolumen von aktuell 16 Milliarden Euro sei das Schaden- und Unfallsegment allein 2018 um sechs Prozent gewachsen, berichtet die Allianz.

„Mit der Übernahme der Schaden- und Unfallversicherung von Sul América haben wir einen weiteren wichtigen Schritt in der strategischen Neupositionierung unseres lateinamerikanischen Versicherungsgeschäfts getan“, lässt sich Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE, im Pressetext zitieren. "Wir erreichen eine klare Führungsposition, um im wachsenden Schaden- und Unfallmarkt der größten Volkswirtschaft Südamerikas erfolgreich bestehen zu können."

Wachsen mit digitaler Strategie

Wo Allianz-Chef Bäte künftig den Schwerpunkt beim Wachstum setzen wird, zeigt ein Blick auf die Geschäftszahlen von Sul América. Im Geschäftsjahr 2018 haben die Brasilianer im von der Allianz erworbenen Segment umgerechnet knapp 806 Millionen Euro an Prämien eingenommen, davon allein 95 Prozent bzw. 762 Millionen Euro aus der Kfz-Versicherung.

Man werde nun verstärkt auch in Südamerika in digitale und disruptive Techniken investieren, heißt es im Allianz-Pressetext. Nicht von ungefähr starten die Münchener mit Allianz Direct einen Direktversicherer, der sich zunächst auf Kfz-Policen spezialisieren soll: wenn auch zunächst auf europäischen Märkten. Im Oktober 2019 fällt hierzulande der Startschuss für den neuen Digitalanbieter.

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Das Ziel für Allianz Direct hat Konzernchef Oliver Bäte schon in früheren Interviews umrissen: Versicherungsverträge einfach und unkompliziert vermitteln, möglichst weltweit nach einheitlichen Standards (der Versicherungsbote berichtete). Ob das auch in von Maklern dominierten Märkten Lateinamerikas funktioniert, könnte eventuell das Beispiel Brasilien zeigen.

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