Und weil wir alle nur langsam erwachsen werden, brauchen auch die meisten Vermittler zur guten Berufsunfähigkeits-Versicherung die bösen Alternativen. Und die Angst vor der hässlichen Haftung. Sonst würde die Beratung keine runde Story ergeben. Aber hafte ich tatsächlich, wenn ich keine Berufsunfähigkeits-Versicherung verkaufe? Oder ist es nicht vielleicht sogar umgekehrt?

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Dazu vorweg: Ich bin kein Jurist. Aber ein bisschen was hab ich auch gelesen und das eine oder andere Urteil habe ich sogar verstanden. Das wichtigste ist: Haftung entsteht da, wo ein Schaden entsteht. Oder entstehen kann.

Philip Wenzel

Philip Wenzel

Philip Wenzel ist Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK) und arbeitet für die BSC GmbH in Kronach. Als Versicherungsmakler und BU-Experte hat er einen großen Anteil am Aufbau der Plattform www.worksurance.de

Nehmen wir mal einen Versicherungswilligen, der aber leider gerade in Behandlung ist wegen einer psychischen Erkrankung. Er würde bei keinem Versicherer eine Berufsunfähigkeits-Versicherung bekommen. Ich sage ihm, dass er es nicht angeben muss. Der Antrag geht durch, Versicherungsschutz besteht. Nach einem Jahr beantragt er Leistung, weil er aufgrund der psychischen Erkrankung berufsunfähig ist. Der Versicherer ficht den Vertrag zu Recht an und leistet nicht. Mein Kunde verklagt mich. Auch zu Recht. Was passiert?

Ich hafte für den entstandenen Schaden. Und das sind die Beiträge für das Jahr. Hätte ich ihm nicht geraten, die Erkrankung zu verschweigen, hätten alle Versicherer schon den Antrag abgelehnt.

Also: Wo kein Schaden, da keine Haftung.

Bei diesem Beispiel wird nun schon der eine oder andere Leser denken, dass ich dem Kunden doch alternativ einen Schutz hätte anbieten müssen, der nicht nach psychischen Vorerkrankungen fragt. Das stimmt auch, hätte aber an der Situation nix geändert.

Dieser Gedanke führt uns aber auf eine interessante Spur. Was wäre, wenn der Kunde nicht wegen einer psychischen Erkrankung berufsunfähig würde, sondern aus körperlichen Gründen eine Grundfähigkeit verlöre? Dann hafte ich selbstverständlich wieder. Denn eine Grundfähigkeits-Versicherung hätte der Versicherungswillige ja bekommen können.

Und das gilt logischerweise auch, wenn der Kunde die BU-Versicherung nicht abschließen will, weil sie ihm zu teuer ist. „Zu teuer“ heißt ja nicht grundsätzlich „Nein“, sondern nur „Ja, aber…“. Der Kunde will unser Angebot, aber hat halt nicht das Geld dazu oder will es nicht ausgeben.

Wenn wir dokumentieren, dass die BU-Versicherung zu teuer ist und deswegen keine verkauft wurde, hilft uns nur, wenn der Kunde später berufsunfähig wird. Wird er aber erwerbsunfähig, verliert eine Grundfähigkeit oder ist nach einem Unfall zu mehr als 50Prozent invalide, dann haften wir.

Hat der Kunde eine schwere Krankheit, bei der eine Dread Disease greifen würde, wäre ich eher der Meinung, dass ich nicht hafte. Denn die Schwere-Krankheiten-Absicherung zahlt eine Einmalleistung und ist nicht zur Absicherung von laufenden Ausgaben geeignet. Ich muss das Produkt also nicht zwingend anbieten, wenn die BU-Versicherung nicht geht. Aber, wie schon geschrieben: Ich bin kein Jurist.

Günstigere Alternativen anbieten

Ich muss also, wenn die Berufsunfähigkeits-Versicherung nicht gewünscht ist, weil sie zu teuer ist, die günstigeren Alternativen anbieten. Dabei muss ich unbedingt über die Unterschiede aufklären und diese Aufklärung dokumentieren. Die Erwerbsunfähigkeits-Versicherung leistet zum Beispiel auch bei jeder Art von gesundheitlicher Einschränkung, hat einen Prognosezeitraum von sechs Monaten, bezieht ich aber auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und ein Restleistungsvermögen von nur drei Stunden.

Die Grundfähigkeits-Versicherung leistet bei psychischen Erkrankungen erst, wenn diese zu einer Betreuung führen oder wenn ein entsprechender Baustein vereinbart ist. Auch ist der Prognosezeitraum oft bei 12 Monaten. Bezugspunkt der Prüfung sind nicht meine zuletzt ausgeübten Tätigkeiten, sondern die definierten Grundfähigkeiten. Ein Bezug zu meiner Arbeitskraft ist eher zufällig beziehungsweise, kann nur etwas hemdsärmlig über eine Tätigkeitsbeschreibung und einen Vergleich hergestellt werden.

Und die Unfallversicherung leistet halt nur, wenn es ein Unfall nach der Definition der Versicherung war.

Erkläre ich dem Kunden die inhaltlichen und preislichen Unterschiede, wird jeder halbwegs intelligente Mensch erkennen, dass ich umso mehr zahlen muss, je mehr ich das Risiko auf den Versicherer verlagere. Wenn der Kunde nun ermächtigt ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, kann er für sich eine richtige Entscheidung treffen.

Am Ende hafte ich trotzdem wie verrückt, wenn ich den ganzen Prozess nicht dokumentiert habe. Das sollte aber klar sein. Wenn ich nicht aufzeichne, dass ich dem Kunden alle fachlichen Informationen zur Verfügung gestellt habe und darüber hinaus auch alle weiteren Fragen beantwortet habe, glaubt mir kein Richter, dass ich tatsächlich so beraten habe.

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Es haftet also eher der Vermittler, der keine Alternative zur Berufsunfähigkeits-Versicherung anbietet. Denn keine BU-Versicherung ist immer schlechter als eine Alternative. Darauf können wir uns alle einigen. Und wo kein Schutz ist, ist viel Haftung. Nur eine gute Beratung, die wir auch noch gut dokumentieren, kann uns davor schützen.

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