Wird eine private Berufsunfähigkeitsrente beantragt, prüft der Versicherer in der Regel anhand eines im Vertrag definierten Grades der Berufsunfähigkeit, ob die Antragstellerin oder der Antragsteller tatsächlich Anrecht auf Rente hat. Branchenüblich ist, dass der zuletzt ausgeübte Beruf zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausgeübt werden kann, so wie er ohne gesundheitlichen Schaden ausgestaltet war. Einen Nachteil kann diese Grenze speziell für Teilzeitkräfte bedeuten. Darauf macht aktuell der Stollberger Versicherungsmakler und Diplom-Ingenieur Gerd Kemnitz auf seiner Webseite aufmerksam.

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Hohe Hürden, deutlich höhere Schwelle

Das Problem aus Sicht des Fachmaklers: Einerseits müssen auch Teilzeitkräfte dieselben strengen Gesundheitsfragen beantworten und denselben hohen Beitrag wie ein in Vollzeit Berufstätiger zahlen, wenn sie einen BU-Vertrag abschließen. Andererseits sind bei ihnen die Hürden deutlich höher, bis sie überhaupt eine Rente zugesprochen bekommen. Sie müssen im Grund weit stärker gesundheitlich geschädigt sein, um vom Versicherer Geld zu erhalten.

Kemnitz verdeutlicht dies am stark vereinfachten Beispiel einer angestellten Bürofachkraft. Arbeitet sie täglich acht Stunden, wird sie schon als berufsunfähig gelten, wenn sie ihre Tätigkeit nicht mehr mindestens vier Stunden am Tag ausüben kann. Bei einer Teilzeitkraft hingegen greift der Schutz erst, wenn sie keine zwei Stunden pro Tag mehr schafft. Letztgenannte muss also deutlich mehr gesundheitlich beeinträchtigt sein, damit der Versicherer nicht eine Rente verweigert.

Nun könnte man argumentieren, dass die Teilzeitbeschäftigte ja auch noch eher in gewohnter Weise arbeiten und ihren Lebensstandard aufrecht erhalten kann. Dass dies aber zu kurz gedacht ist, zeigt eine andere Situation: nämlich immer dann, wenn Versicherte ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren müssen, weil die Lebensumstände dies erfordern oder sie dies wünschen. Typische Beispiele hierfür sind die Geburt eines Kindes oder ein Pflegefall in der Familie.

Wird die versicherte Person in einer solchen Lebensphase berufsunfähig, gelten dann auch die deutlich strengeren Bedingungen für Teilzeitarbeit — selbst, wenn sie geplant hatte, später wieder in die Vollzeit zurückzukehren. Und es ist kein seltenes Szenario, welches hier angesprochen wird. Es sind nach wie vor Frauen, die für Erziehung und Pflege im Job kürzer treten: von 15,2 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen sind immerhin 7,2 Millionen in Teilzeit tätig.

Fürsorgearbeit wird bei BU-Prüfung indirekt „bestraft“

Hier werden ausgerechnet jene Frauen mit höheren Hürden bei der BU-Prüfung bestraft, die wichtige gesellschaftliche Fürsorgearbeit in der Familie wahrnehmen, dabei ohnehin oft auf Teile des Lohnes und Karrierechancen verzichten: in der Regel unbezahlte Mehrarbeit. Und es lässt sich fragen, ob private BU-Verträge noch immer am Modell des männlichen Ernährers orientiert sind und Frauen bei der Leistungsprüfung benachteiligen: entsprechend gestrig und wenig flexibel.

Frauen erledigen noch immer einen Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung, so zeigt eine recht frische Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Und: Auch an erwerbsfreien Tagen, etwa am Wochenende, leisten Frauen in Partnerschaften deutlich mehr unbezahlte Arbeit als ihre Partner. Die Autorin Claire Samtleben spricht in diesem Zusammenhang von einer „Gender Care Gap“: Männer bräuchten rechnerisch etwa vier Jahre, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.

Hier wäre auch bei den privaten Berufsunfähigkeitsversicherern ein Umdenken gefragt, um vorübergehende Teilzeitarbeit nicht zu „bestrafen“. Es sind gerade junge Eltern, die bei der Geburt des ersten sowie zweiten Kindes die Arbeitszeit reduzieren und in Teilzeit wechseln, so zeigt ebenfalls die DIW-Auswertung auf Basis des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) von 2015 mit 60.000 teilnehmenden Haushalten. Es droht eine Absicherungslücke, weil die Hürden für eine BU-Rente bei Teilzeit so hoch sind, dass sie unter den Bedingungen einer „normalen“ Vollzeit-Tätigkeit kaum wahrgenommen werden können. Wer in dieser Zeit dauerhaft berufsunfähig wird, hat eben Pech gehabt.

Lösung: Teilzeitklausel?

Dass es für Teilzeitarbeit Lösungen gibt, zeigt aktuell die Condor Lebensversicherungs-AG. Zum 01.07.2019 haben die Hamburger eine neue Teilzeitklausel in ihre BU-Verträge aufgenommen, laut Kemnitz die erste ihrer Art am Markt. Konkret heißt es nun im Vertragswerk:

“Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer ihre vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Nachweise über die jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird (z. B. Kurzarbeit)“.

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Gerade weil die volle Absicherung bei Teilzeitarbeit ein wichtiges Argument sein könnte, um bei jungen Familien um einen BU-Abschluss zu werben, hofft Kemnitz nun, dass auch andere Versicherer nachziehen. Ein Problem ergebe sich aus der Definition des Begriffes „Vollzeit“, gibt der Makler zu bedenken: hier können, abhängig von Firma und Branche, große Unterschiede bestehen. Für dieses Problem gebe es arbeitsrechtlich saubere Lösungen, etwa die Formulierung: „Von einer Vollzeitarbeit ist per Definition die Rede, wenn ein Arbeitnehmer die volle Arbeitszeit lang tätig ist, die in seinem Betrieb üblich ist“.