Versicherungsbote: Ob Diesel-Fahrverbote oder Zertifizierung von Textilien und Lebensmittel, überall erhalten ökologische und soziale Kriterien größere Bedeutung. Nur bei der Kapitalanlage ist dies kein bedeutendes Thema. Stimmt der Eindruck?

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Thorsten C. Klingenmeier: Die Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien steht in der Kapitalanlage noch am Anfang. Wenn man bedenkt, dass an sonnen- oder windreichen Tagen der gesamte in Deutschland verbrauchte Strom aus erneuerbaren Energien stammt, sind wir bei der Geldanlage noch nicht so weit. Aber es tut sich einiges, Vermögensverwalter nehmen ihre Verantwortung immer stärker wahr. Ein Meilenstein war der G20-Gipfel im Sommer 2017. Dort wurde unter anderem die Aufnahme von Metriken zu physischen Klimarisiken und -chancen in die Finanzberichterstattung empfohlen, dann können auch Asset Manager darauf reagieren.

Gibt es für nachhaltige Anlagen denn einen einheitlichen Standard in der Finanzbranche?

Es hat sich die Bezeichnung ESG durchgesetzt, also „Environment, Social and Governance“. Das bedeutet, dass die Unternehmen sehr gute Ergebnisse im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zeigen müssen. Die Umsetzung ist allerdings unterschiedlich. Traditionell wurden Ausschlussverfahren angewandt. Dabei werden sozial unverträgliche Branchen ausgeschlossen, wie beispielsweise Glücksspiel oder Rüstung, ebenso wie Unternehmen mit besonders hohen klimaschädlichen Emissionen. Ein anderer Ansatz nennt sich Best-in-Class. Dabei werden verschiedene Branchen berücksichtigt, aber jeweils nur die Titel mit den besten Ergebnissen nach bestimmten ESG-Kriterien.

Welchen dieser verschiedenen Ansätze halten Sie für sinnvoll?

Das Wichtigste ist eine gute Datengrundlage. Die DWS hat dazu das sogenannte ESG Engine entwickelt. Darin werden die Research-Ergebnisse wichtiger Analysehäuser zusammengefasst, um Sektoren, Länder und Unternehmen in Bezug auf ESG-Kriterien bewerten zu können. So konnten ESG-Prozesse in das Fondsmanagement integriert werden. Bei unseren nachhaltigen Produkten setzen wir auf eine Kombination aus Best-in-Class- und Ausschluss-Ansätzen, die meist auf Normverletzungen oder Umsatzschwellen beruhen. Ausgeschlossen werden zum Beispiel immer Streumunitionshersteller.

Aber ist das nicht eher ein Thema für sehr große Investoren wie Versicherer oder Pensionsfonds?

Viele Anlagethemen starten bei großen Investoren. Auch Index-Investments standen zunächst nur Profi-Anlegern zur Verfügung, jetzt sind ETFs für jeden zugänglich. Eine ähnliche Entwicklung sehe ich bei nachhaltigen Geldanlagen. Asset Manager können jetzt auf detailliertes ESG-Research zugreifen und es auch für Privatanleger in immer mehr Finanzprodukte integrieren. Dazu kommt, dass Anleger verstärkt ihren Berater nach solchen Lösungen fragen.

Schauen wir uns konkret die Altersvorsorge an, bei der über Jahrzehnte angespart wird: Hier sollten doch nachhaltige Kriterien eine größere Rolle spielen. Welche Möglichkeiten gibt es für Privatanleger, ESG-Kriterien in ihre Altersvorsorge zu integrieren?

Es gibt eine Reihe aktiv oder passiv gemanagter Fonds, die nachhaltige Kriterien befolgen. Hier könnten sich Sparpläne eignen. Daneben gibt es immer mehr Fondspolicen, bei denen Fonds und ETFs mit speziellen ESG-Filtern eingesetzt werden können. Das ist ein wichtiger Schritt, um nachhaltige Investments in der Altersvorsorge breiter zu integrieren.

Ist für die Umsetzung von ESG-Kriterien ein aktives Fondsmanagement unbedingt nötig oder kann man hier auch regelbasiert vorgehen?

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Das ist Geschmackssache. Bei aktiv gemanagten Fonds hat der Anleger ein breites Spektrum zur Verfügung und kann sich für den Fonds entscheiden, der seinen Wünschen nach einem ESG-Investment am besten entspricht. Passive ETFs bilden feste Indizes ab, dafür sind sie flexibel handelbar und kosteneffizienter. Letztlich muss der Anleger entscheiden. In letzter Zeit sehen wir häufiger Fondspolicen am Markt, bei denen ein Kern aus ETFs mit einer taktischen Allokation aus aktiv gemanagten Fonds ergänzt wird.

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