Versicherungsbote: „hambl - lift people – not faces“, heißt es auf Ihrer Webseite. Sie sind ein junges Start-up im Bereich Bildung, Ausbildung und Recruiting. Können Sie sich bitte kurz vorstellen? Was tun Sie?

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Sascha Burghaus: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben große Schwierigkeiten damit, langfristig und konstant ihr Leistungspotential abzurufen, ohne dass dabei andere wesentliche Säulen des Lebens vernachlässigt werden. Die alltägliche Lebensweise steht nicht in Einklang mit den persönlichen, beruflichen oder unternehmerischen Werten und Zielen. Auch die von nachrückenden Generationen immer häufiger gestellte Frage nach dem Sinn und die stetig fortschreitende Digitalisierung stellen Unternehmen heute vor große Herausforderungen.



Um dem entgegenzuwirken, stellen viele Unternehmen freiberufliche Trainer ein.
Diese Trainer sind zumeist spezialisiert auf ein Themengebiet (Kommunikation, Teambuilding, Resilienz etc.) und kommen häufig nur für eintägige Veranstaltungen in den Betrieb. Dadurch kann keine ganzheitliche und vor allen Dingen nachhaltige Entwicklung sichergestellt werden.


Die Mitarbeiterzufriedenheit und damit auch das langfristige Wachstum des Unternehmens sind gefährdet. Fluktuation, Fehltage, fehlende Motivation und Lebensfreude sind die ersten Folgesymptome. Ziel unseres Unternehmens ist es, langfristig das Bewusstsein und die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die gemeinsamen und individuellen Ziele zu erhöhen, um damit sowohl die persönliche als auch die berufliche Weiterentwicklung voranzutreiben und zu gewährleisten, sodass die eigenen Potentiale konstant abgerufen werden können. Hierdurch werden enorme Kosten aufgrund innerer Kündigung und Unzufriedenheit vermieden und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht, was maßgeblich zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität im hart umkämpften Bewerbermarkt beiträgt.

Sie bieten ein „ganzheitliches Persönlichkeitstraining“ an. Das klingt erst einmal hochgesteckt, bildet sich die Persönlichkeit doch aus einer Vielzahl an komplexen Lernprozessen und Erfahrungen. Was bitte verstehen Sie unter „ganzheitlich“?

Wir sind der festen Überzeugung, dass eine ganzheitliche und nachhaltige persönliche Entwicklung nur in einem Kreislauf aus Reflexion und Erfahrung gelingen kann. Sie haben bereits richtig erwähnt, dass Erfahrungen ein großer Bestandteil der Persönlichkeitsbildung sind. In unserer immer komplexer und digitaler werdenden Welt vergessen wir allerdings allzu häufig den Sinn für das Wesentliche. Alle Erfahrung nützt also nichts, wenn wir diese nicht reflektieren und entsprechende Schlüsse aus unseren Erfahrungen ziehen.

Da der Kreislauf aus Reflexion und Erfahrung nicht nach einem Workshop-Tag durchlaufen ist, sondern immer fortlaufend und vor allen Dingen ungewohnt für gerade junge Menschen ist, müssen wir hierbei eine nachhaltige Strategie anwenden. Dies bedeutet, dass wir die Teilnehmer unseres Programms in der Regel zwischen 24 und 36 Monaten begleiten, um Sie selbst zu befähigen, den erwähnten Kreislauf eigenmächtig und fortwährend zu durchlaufen.

Sie haben ja junge Leute/ Erwachsene als Zielgruppe, die kurz vor dem Berufseintritt stehen. Bei ihnen würde man vermuten, dass sie bereits eine ausgeprägte Persönlichkeit und Kompetenzen mitbringen. Wo sehen Sie hier Defizite? Warum müssen Sie da mit einem Lernprogramm „nachbessern“?

Insbesondere junge Menschen sind heutzutage schutzlos sozialen Medien, Werbeanzeigen und gesellschaftlichen Idealbildern ausgeliefert. In Zeiten wo Werbeanzeigen a là „Ich zeige dir wie du 300.000 Euro passiv im Jahr ohne Arbeit verdienst!“ permanent auf uns gerichtet sind, ist es umso wichtiger, endlich wieder einen Bezug zur Realität herzustellen um den sogenannten „Instant Gratifications“ den Garaus zu machen.

„Instant Gratifications" sind sofortige Belohnungssysteme, welche wir in Form von Likes, Shares, Kommentaren und One-Day Lieferungen ständig zu jeder Zeit aktivieren können. Der sofortige Dopamin-Ausstoß unseres Gehirns sorgt dafür, dass wir sofortige Belohnung als normal hinnehmen. Dagegen wird die allgemeine Form der Belohnung in der Ausbildung (Abschlusszeugnis, Übernahme etc.) oftmals erst am Ende eines langen, anstrengenden und hindernisreichen Weges sichtbar. Dies gilt es jungen Menschen näherzubringen.

Des Weiteren sind viele junge Menschen nicht mehr in der Lage sowohl soziale Kompetenzen als auch emotionale Intelligenz zu entwickeln. Dabei sind dies unserer Ansicht nach die entscheidenden Aspekte eines nachhaltigen Fortbestehens der menschlichen Spezies. Auch sind dies die einzigen Fähigkeiten, welche uns von Maschinen und Technologie entscheidend abheben. Da der Erziehungsauftrag häufig vom Elternhaus an die Schule und von dort aus an die Unternehmen weitergegeben wird, liegt es in der Verantwortung der Wirtschaft, entsprechende Kompetenzen „nachzuentwickeln“ um weiterhin Zukunfts-, und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Oft wird der Generation der jungen Erwachsenen der Vorwurf (und das Klischee) entgegengebracht, sie sei auf sich selbst bezogen, am eigenen Aufstieg und materialistisch orientiert, aber zu brav und wenig sozial engagiert. Wenn man Ihre Webseite aufruft -sorry-, könnte man das Klischee fast bestätigt finden: Es geht viel um Selbstoptimierung und die eigene Verwertbarkeit. Wo bleibt bei Ihnen die soziale Komponente und der Mut zum Widerspruch?

Wir leben heute in einer Welt des Überflusses. Alles ist ständig von nahezu jedem Ort der Welt und rund um die Uhr verfügbar. Die Wirtschaft scheint stabil und Unternehmen buhlen um Nachwuchskräfte. Eine Situation, wie es sie seither nie gegeben hat. Dies ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits zwingt diese Situation Menschen dazu, sich wieder mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Andererseits befinden wir uns in einer gefährlichen Art der Komfortzone, welche die Ansprüche und Besonderheiten nachfolgender Generationen rapide ansteigen lässt.

Wenn man mit jungen Leuten spricht - und dies tun wir zuhauf - stellt man fest, dass Sie es satt sind, das Idealbild der heutigen Gesellschaft nachzuzeichnen. Ein Haus mit Garten, berufliche Aufstiege und Gehaltserhöhungen sind lange kein Indikator mehr für Glück. Und Glück ist es, wonach Jung und Alt gleichermaßen streben. Um das allgemeine Glück zu erreichen, müssen wir es allerdings in uns selbst entdecken. Wir nennen das intern „Egoismus 2.0“. 


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Denn erst wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse gedeckt haben, können wir die Bedürfnisse anderer decken. Viele junge Menschen möchten sich sozial und gesellschaftlich engagieren, wissen allerdings nicht wo und wie sie dies konkret tun können. Auch fehlt die Überzeugung, bereits als einzelner Mensch in der Lage zu sein, etwas zu verändern. Selbstoptimierung und Selbstwert sind daher der erste Schritt zu Mut, Veränderung und sozialem Engagement.

...die soziale Bedeutung des Versicherungsvertriebs betonen

Versicherungsbote: Wir sind ein Nachrichtenportal für die Versicherungsbranche, Sie kooperieren mit der Sparkasse. Versicherungen und Finanzdienstleister haben ein schlechtes Image, so zeigen immer wieder bevölkerungsrepräsentative Umfragen. Wie kann man trotzdem junge Menschen für diese Berufe gewinnen und begeistern?

Sascha Burghaus: Für junge Menschen ist es wichtig, nicht nur ein Rädchen im großen Getriebe zu sein. Versicherungen und Finanzdienstleister haben somit die Aufgabe, nicht den Vertrieb in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die Menschen, welche diesen bedienen. Richtig verpackt verstehen junge Menschen, dass Versicherungen und Finanzdienstleister eine wichtige Rolle spielen, sei es in Bezug auf Risikoabsicherung, Kapitalaufbau oder auch des allgemeinen Geldverkehrs im Leben eines jeden einzelnen Menschen.

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Leider wimmelt es im Vertrieb auch heute noch von Zielsummen, Vorgaben und Vergleichen. Damit schreckt man eher ab, als dass man junge Menschen zum Einstieg in die Branche motiviert. Mit gezielten Kampagnen in Bezug auf die wichtige soziale Rolle des Versicherungs-, und Bankwesens sollte es gelingen, das Image aufzupolieren und hierüber neue Nachwuchskräfte zu gewinnen.

Welche Wege empfehlen Sie Finanzdienstleistern, um Mitarbeiter und Azubis zu gewinnen? Hat die klassische Stellenanzeige ausgedient?

Die klassische Stellenanzeige hat längst ausgedient, ebenso leere Worthülsen, wie sie in nahezu jeder Stellenanzeige noch zu lesen sind. Personaler und Marketer sollten sich die Frage stellen: „Was hat der Bewerber davon, bei uns zu beginnen?“, „Wie können wir ihm dienen?“, „Wie können wir ihm helfen, seine persönlichen als auch beruflichen Ziele zu erreichen?“.



Wenn diese Fragen authentisch in den Wohnzimmern aktueller und nachfolgender Generationen wie Facebook, Instagram & Co. beantwortet werden, gelingt auch die Nachwuchskräftesicherung.


Unternehmen gerade in der Banken-, und Versicherungsbranche sollten sich allerdings niemals prostituieren, indem Sie auf jeden anrollenden Zug des Ausbildungsmarketings aufspringen. Werte, Unternehmenskultur und Zusammenhalt können nur gelebt, niemals aber durch selbsternannte Berater gekauft werden.

Sie sprechen auf Ihrer Webseite auch die Digitalisierung an - und wollen die Menschen fit dafür machen. Was kann denn die Aus- und Persönlichkeitsbildung hier leisten?


Für viele Menschen stellt die Digitalisierung, welche ja auch einen immer höheren Stellenwert in der Finanzbranche einnimmt, sowohl eine große Gefahr als auch eine große Herausforderung dar. Somit sind wir eigentlich schon beim Thema der Persönlichkeitsbildung angelangt. Nur wenn wir in der Lage sind, unsere Fähigkeiten den Herausforderungen anzupassen, schaffen wir es, auch die Herausforderungen zu meistern und uns selbst ein Gefühl der Kontrolle zu geben. Da die Intervalle des technologischen Fortschritts immer kürzer werden, sehnen sich Menschen nach dieser Art von Kontrolle.


Stichwort Digitalisierung: Muss der Mensch befürchten, künftig vermehrt mit Googles Alexa und anderen Sprachprogrammen zu kommunizieren und auf standardisierte Anwendungen zurückgreifen zu müssen? Wo bleibt denn die Persönlichkeit im Beruf, wenn -auch in der Finanzbranche- immer mehr Anwendungen digitalisiert werden?

Der entscheidende Vorteil des Vertriebs und damit auch der gesamten Finanzbranche besteht darin, dass Verkäufe immer noch zwischen Menschen gemacht werden. Der technologische Fortschritt ist hierbei nicht wegzudiskutieren, ebenso wie der hohe Serviceanspruch der Kunden nicht wegzudiskutieren ist. Meine persönliche Einschätzung ist, dass Googles Alexa und Apples Siri lediglich den Transfer von Informationen vereinfachen. Auch hinter diesen Systemen braucht es hoch qualifizierte Mitarbeiter, welche die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen, in Dienstleistungen umsetzen und schlussendlich die genannten Technologien zugänglich machen.



Hier ist es ganz besonders wichtig, dass Technologie ein fester Bestandteil unseres Bildungssystems wird, um so den Spagat zwischen Mensch und Maschine zu meistern.

Fast täglich berichten wir von Stellenabbau in der Versicherungs- und Finanzbranche infolge der Digitalisierung, sei es im Vertrieb oder Innendienst. Können Sie vor diesem Hintergrund jungen Menschen überhaupt empfehlen, eine Karriere in der Branche anzustreben? Warum?

Wie bereits erwähnt, geschehen Verkauf und Beratung immer noch von Mensch zu Mensch. Sicherlich wird es zwangsläufig nötig sein, Filialen zu Kompetenzzentren zusammenzuschließen und immer mehr Dienstleistungen online abzuwickeln, um das jeweilige Unternehmen weiterhin rentabel betreiben zu können. Leider werden hier von langjährigen Mitarbeitern, welche durch die angesprochenen Maßnahmen ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen, häufig nur die Negativseiten kommuniziert. Aber auch die Presse tut mit täglichen Reports über die aktuelle Situation des Finanzsektors ihr übriges.

Wenn es der Branche gelingt, die Vorzüge entsprechender Maßnahmen zu kommunizieren und im Gegenzug neue, innovative Arbeitsplätze zu schaffen, sehe ich in der fortschreitenden Technologie keine Gefahren für die Nachwuchsgewinnung.

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Allerdings sollten gestandene Unternehmen auch nicht die Gefahr schnell wachsender, junger und innovativer FinTechs unterschätzen. Wachsam zu bleiben und von diesen dynamischen Unternehmen in Form von Kooperationen zu lernen, wäre unserer Ansicht nach der richtige Schritt.

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