Mit der Generali prüft derzeit ein großer Versicherer, vier Millionen Altverträge in der Lebensversicherung an einen externen Investoren zu verkaufen. Eine Entscheidung soll noch bis zum Sommer fallen. Dies nimmt Gewerkschafterin Martina Grundler, bei ver.di Bundesfachgruppenleiterin für Versicherungen, erneut zum Anlass, vor einem solchen Schritt zu warnen.

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“Reputation der gesamten Branche in Gefahr“

Martina Grundler. Foto: SPD EuskirchenWenn Versicherer Altverträge an einen externen Investoren verkaufen, riskieren sie einen „grundlegenden Vertrauensbruch bei vielen Kunden“, gibt Grundler in einem Interview mit dem Handelsblatt (Montag) zu bedenken. Denn ein Unternehmen, welches mit dem Geschäftsfeld jahrelang Gewinne eingefahren habe, solle dies nicht einfach abstoßen, wenn es mal nicht so läuft. „Das könnte auch die Reputation der gesamten Branche in Gefahr bringen, schließlich reden wir hier über vier Millionen Policen“, kritisiert Grundler.

Dabei erinnert die Gewerkschafterin die Versicherer an ihre eigenen Werbeversprechen. „Gerade die Versicherer haben damit geworben, sie seien lebenslange Partner. Dann darf man sich nicht bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Staub machen“, sagt Grundler. Zudem befürchte ver.di, dass sich auch die Situation für die Arbeitnehmer verschlechtere, weil die Abwickler versuchen Kosten zu senken.

“Lebensversicherung ist kein Waschmittel"

Grundler widerspricht im weiteren Verlauf des Gespräches Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Hufeld hatte in einem Gespräch mit dem Manager Magazin geäußert, dass der Verkauf von Altbeständen „eine legitime unternehmerische Entscheidung und kein Verrat am Kunden“ sei. Die BaFin lehne strengere Gesetze ab, die es den Versicherern erschweren oder verbieten würden, sich von Altverträgen zu trennen. Grundsätzlich muss die BaFin jedem Verkauf zustimmen - und prüft unter anderem, ob der Käufer genügend Eigenkapital hat, um die Garantien der Kunden zu erfüllen.

Eine Lebensversicherung sei aber „kein Waschmittel, sondern ein lebenslanges Versprechen an Kunden“, wendet Grundler nun gegen diese Sicht ein. Ein Verkauf von Altpolicen sei deshalb keine rein unternehmerische Entscheidung, „sondern auch eine politische und gesellschaftliche“, so die Versicherungsexpertin. Schließlich gehe es um die grundsätzliche Frage, wie die Menschen ihre Altersvorsorge regeln. Die Versicherer würden selbst Zweifel nähren, dass sie hierbei ein verlässlicher Partner seien. „Ich finde, die Versicherer erweisen sich damit einen Bärendienst“.

Generali-Verkauf würde Marktsituation radikal ändern

Im Jahr 2016 befanden sich auf dem deutschen Markt Lebensversicherungen mit verdienten Bruttobeiträgen von 1,6 Milliarden Euro in der Abwicklung bei einer sogenannten Run-off-Plattform. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag hervor. Run-off-Gesellschaften haben sich darauf spezialisiert, Altbestände in der Lebensversicherung aufzukaufen und abzuwickeln.

Aktuell befindet sich nur ein Bruchteil des Vertragsbestandes bei externen Anbietern: Ganze 1,9 Prozent des Marktes sind betroffen. Das würde sich aber radikal ändern, wenn tatsächlich die Generali vier Millionen Verträge abstößt.

Hier hat Grundler eher schlechte Nachrichten für die Gegner solcher Geschäfte: Arbeitnehmervertreter der Generali hätten den Eindruck, "dass es nur noch die Frage ist, ob ein Verkauf an externe Kandidaten mit Minderheitsbeteiligung der Generali vollzogen wird - oder ob sich die Gesellschaft komplett trennt von den vier Millionen Policen", berichtet die Verdi-Expertin. Ein Verbleib der Verträge im Unternehmen werde weniger diskutiert, "was wir sehr bedauerlich finden".

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Kritiker betonen zum Beispiel, dass viele potentielle Investoren im Ausland sitzen und folglich schwer kontrollierbar seien: darunter Anleger aus Staaten wie China und Saudi Arabien. Für Grundler könnte der Verkauf des Generali-Bestandes einen Dammbruch bedeuten, so dass weitere Versicherer ihre Hemmungen verlieren und dem Beispiel folgen. Sie fordert von der Politik strengere Gesetze und höhere Hürden für einen Verkauf.

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