Günther Oettinger, EU-Haushaltskommissar und CDU-Politiker. Bildquelle: cdu.de Geht es nach dem CDU-Politiker und EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger, sollen die Deutschen noch länger arbeiten, bis sie in den Ruhestand wechseln können. „Wir müssen dringend über die Rente mit 70 sprechen“, forderte Oettinger am Freitag beim Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbandes Ludwigsburg. Der Renteneintritt müsse an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden, „sonst geht die Rechnung nicht mehr auf“. Über die Rede berichtet die Ludwigsburger Kreiszeitung am Montag.

Anzeige

Jede Generation werde im Schnitt drei Jahre älter, argumentiere Oettinger weiter. Da müsse es auch zumutbar sein, dass die Senioren drei Jahre länger arbeiten. Oettinger machte sich damit die Argumentation des CDU-Wirtschaftsrates zu eigen, der bei den Christdemokraten arbeitgebernahe Positionen vertritt. Dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger hatte im Dezember der Rheinischen Post gesagt: "Wir müssen den Leuten jetzt die Wahrheit sagen. Die Menschen müssen länger arbeiten als jetzt, sonst wird es nicht gehen."

Menschen beziehen immer länger Rente

Hintergrund der Debatte: die Lebenserwartung der Deutschen steigt seit Jahrzehnten an. Damit beziehen die Bürger auch immer länger Rente. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre stieg die durchschnittliche Dauer des Rentenbezugs um 3,6 auf 19,6 Jahre, wie Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen. Im Schnitt wird die Rente derzeit bis zum Alter von 79,5 Jahren ausgezahlt.

Seit dem Jahr 1960 hat sich die Bezugszeit der Rente sogar fast verdoppelt: damals wurde sie im Schnitt noch für 9,9 Jahre gezahlt. Da zugleich die Gesellschaft altert und zukünftig immer mehr Rentnern immer weniger Beitragszahler gegenüberstehen werden, fordern vor allem Arbeitgeber und wirtschaftsnahe Institute eine längere Lebensarbeitszeit.

Produktivität schlägt Demografie?

Kritiker dieser Argumentation wenden hingegen ein, dass es gar nicht darauf ankomme, dass die Gesellschaft immer mehr altert. Das Motto lautet „Produktivität schlägt Demografie“, so argumentiert etwa Gerd Bosbach, Statistik-Professor an der Fachhochschule Koblenz. Sein Argument, stark vereinfacht: Wenn die Wirtschaft brummt und die Produktivität steigt, so wie dies in den letzten Jahren geschehen ist, gibt es auch mehr Rente zu verteilen. Bosbach kritisiert, dass die demografische Entwicklung oft genutzt werde, um Ängste zu schüren.

Anzeige

"Beträgt der Produktivitätsfortschritt in den nächsten 50 Jahren durchschnittlich nur ein Prozent – und das ist eine sehr pessimistische Prognose für unsere Wettbewerbswirtschaft – so würden im Jahr 2060 in jeder Arbeitsstunde zwei Drittel mehr als heute hergestellt", schrieb Bosbach in einem Gastbeitrag für den Deutschlandfunk. "Damit wäre ein Arbeitnehmer in der Lage, seinen Anteil für die gesetzliche Rente auf 20 Prozent zu verdoppeln und hätte trotzdem noch fast 50 Prozent mehr in der Tasche."

Anzeige