Wer ärmer lebt, ist schneller tot – so lässt sich eine Studie des Robert-Koch-Institutes (RKI) zusammenfassen, die Teil des diesjährigen Armutsberichtes der Wohlfahrtsverbände ist. Demnach sterben Männer, die mindestens zehn Jahre unterhalb der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer. Bei Frauen beträgt die Differenz immerhin noch acht Jahre. Die Studie analysiert den Zusammenhang zwischen Einkommensklassen und Gesundheit. Sie kann auf der Webseite des Paritätischen als pdf-Dokument heruntergeladen werden.

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Paritätischer Wohlfahrtsverband: „Die Armen finanzieren die Renten der Reichen mit“

Ergebnisse, die dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zu denken geben. Rolf Rosenbrock, Präsident des Paritätischen, kommentierte im Interview mit der ARD: "Die armen Menschen, die ihr Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben und dann im Durchschnitt vielleicht noch vier oder fünf Jahre die Rente genießen können, finanzieren im Grunde genommen die Rente der Wohlhabenderen, länger Lebenden mit. Und das ist, wenn man genau hinguckt, natürlich ein sozialpolitischer Skandal erster Güte."

Der Untersuchung zufolge haben arme Männer eine Lebenserwartung von 70,1 Jahren, wohlhabendere hingegen von 80,9 Jahren. Bei Frauen liegt die Differenz bei 76,9 Jahren zu 85,3 Jahren. Als „arm“ wurde laut Studie gewertet, wer mindestens zehn Jahre lang unterhalb der offiziellen Armutsschwelle lebte. Oder genauer: weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatte beziehungsweise weniger als 943 Euro netto im Monat. Als reich gilt hingegen laut Statistik, wer mehr als 150 Prozent des mittleren Einkommens verdient.

Lebenserwartung steigt höchst unterschiedlich

Die Studie des Robert-Koch-Institutes nennt auch Gründe, warum sich die Lebenserwartung zwischen arm und reich auseinanderentwickelt. Und diese Gründe sind durchaus komplex. Zum einen würden ärmere Menschen ein „riskanteres Gesundheitsverhalten“ zeigen. Mehr Zigaretten, mehr Alkohol, mehr fettige Ernährung, weniger Bewegung: Ursachen also, die auch in der eigenen Verantwortung liegen. Aber nicht alle Ursachen sind Folge des individuellen Gesundheitsverhaltens.

„Die Menschen sterben auch früher, weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt“, kommentiert Thomas Lampert vom Robert-Koch-Institut. Die Unterschiede würden gerade bei Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes auffallen. Das Risiko einer solchen Krankheit ist laut Studie bei Personen, die von Armut betroffen sind, zwei- bis dreimal höher. Lebenszeit entpuppt sich in diesem Sinne als Luxusgut: Man muss es sich leisten können, alt zu werden.

Luxusgut Lebenszeit

Nicht nur in der gesetzlichen Rentenkasse könnte man aus der Studie schlussfolgern, dass die armen Menschen mit ihren Beiträgen die Renten der Besserverdienenden subventionieren: dies würde beispielsweise auch für private Rentenversicherungen gelten. Die steigende Lebenserwartung und das Langlebigkeitsrisiko werden von den Versicherern als wichtige Gründe genannt, weshalb die Rentenzahlungen in der privaten Altersvorsorge sehr vorsichtig kalkuliert sind.

Und tatsächlich gibt es bereits Versicherungen, die einen ungesunden Lebenswandel bei den Beiträgen berücksichtigen – und zwar positiv. In Großbritannien können Personen zum Beispiel seit den 90er Jahren sogenannte „Non-Standard-Annuities“ abschließen, die über °Quantum Leben“ ihren Weg auch nach Deutschland fanden.

Während Anbieter wie Generali in der Krankenversicherung einen besonders gesunden Lebenswandel belohnen, drehen diese Versicherer das Prinzip in der Rentenversicherung einfach um. Besonders übergewichtige Versicherungsnehmer und Raucher werden mit einer teilweisen doppelt so hohen Rente belohnt wie rüstige Mitmenschen. Kritisch könnte man einwenden, dass mit solchen Tarifen ein zusätzlicher Anreiz für einen ungesunden Lebenswandel geschaffen wird.

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Hintergrundinformationen: Die Studienergebnisse des RKI beruhen auf dem so genannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, einer groß angelegten jährlichen Befragung von Haushalten in Deutschland, die nach Ansicht der Studienmacher als die valideste Datenquelle angesehen werden kann, wenn es um die Ermittlung von Armutsquoten geht. Ausgewertet wurden Einkommens- und Gesundheitsdaten aus den Jahren 2005 bis 2015. Beim Mikrozensus wird nach einer Zufallsstichprobe jährlich etwa ein Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt. Dies sind ca. 342.000 Haushalte mit etwa 691.000 Personen. Die Teilnahme am Mikrozensus ist gesetzlich verpflichtend.