"Es kann nicht sein, dass wir 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch Unterschiede zwischen Ost und West machen", bilanziert der SPD-Vize Ralf Stegner in der Bild-Zeitung. "Nach dem deutschlandweiten Mindestlohn muss jetzt die Rente angepasst werden“, schlussfolgert er. Auch Angela Merkel hatte im Sommer 2014 gegenüber der in Dresden erscheinenden Sächsischen Zeitung das Ziel formuliert, im Jahr 2020 sollte die Renteneinheit endlich erreicht sein. Auch sprach sie in dieser Stellungnahme gegenüber der SZ von einem „Fahrplan zur vollständigen Angleichung der Rentenwerte in Ost und West“, der bis 2017 stehen sollte.

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Rentenangleichung: Anerkennung von Lebensleistung

Im Hinblick auf den Inhalt des Koalitionsvertrages gibt der Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering (SPD), zu bedenken, dass man damals davon ausgegangen sei, dass nur eine kleine Lücke zu schließen sein werde. An der Machbarkeit der Angleichung innerhalb des gesteckten Zeitrahmens macht Sellering darum Zweifel geltend, denn „offenbar waren die damaligen Annahmen zu optimistisch.“ Wichtig sei der Rentenangleich für Sellering als „die Anerkennung ostdeutscher Lebensleistungen.“ Ähnlich sieht es Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, welche die Angleichung der Renten ebenfalls als "eine Frage der Gerechtigkeit und Anerkennung der Lebensleistungen“ begreift. Doch bleibt die Frage, sofort oder später? Eckhardt Rehberg jedenfalls, der ostdeutsche CDU-Haushaltspolitiker, sagte der Bild-Zeitung: "Die schnelle Rentenangleichung wäre der falsche Schritt. Wir sollten abwarten, wie sich der Mindestlohn auf die Renten auswirkt.“

Automatische Lohnangleichung nicht zu erwarten

Doch die Linke hat genug von der Geruhsamkeit der Etablierten. Während der schwarz-rote Koalitionsvertrag also eine völlige Angleichung der Rentenwerte erst zum Ende des Solidarpakts im Jahr 2019 vorsieht, fordert Die Linke eine möglichst augenblickliche Anpassung der Renten. Denn der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias Birkwald, ist sich sicher: "Mit Tippelschritten und dem Hoffen auf eine automatische Lohnangleichung kommen wir bei den Ostrenten nicht weiter." Er forderte einen steuerfinanzierten, stufenweise steigenden Zuschlag, um die Rentenwerte in Ost und West bis Ende 2017 anzugleichen. Auch den ostdeutschen Spitzenkandidaten der Linken, Bodo Ramelow, Rico Gebhardt und Christian Göke allerdings kommen all die bisherigen Bemühungen viel zu spät. Das Problem müsse eher gelöst werden.

Ziel: Keine Verlierer, keine hohen Kosten

Praktisch bedeutet das: wer weniger einzahlt, bekommt weniger Rente. Oder? Gegenwärtig erhält der Standardrentner Ost rund 1188 Euro - das sind rund 100 Euro weniger als der Standardrentner im Westen bekommt, nämlich 1287 Euro. Auch beim Rentenwert - die Monatsrente für ein Jahr Beschäftigung mit Durchschnittsentgelt - gibt es ungleiche Bezüge. Im Westen sind es 28,61 Euro, im Osten aber nur 26,39 Euro. Die bisherige Strategie gegen die Benachteiligung der Ostrentner war eine generelle Aufwertung von Ostlöhnen- und gehältern um 18,73 Prozent. Diese generelle Aufwertung hat allerdings den Effekt, dass ein Arbeitnehmer im Osten mehr von der Rente hat, als ein Arbeitnehmer im Westen mit dem gleichem Einkommen. .

Ruhestand im Osten einträglicher

Weiterhin erwähnenswert ist der Umstand, dass Ruheständler im Osten ebenfalls finanziell im Vorteil sind gegenüber den Ruheständlern im Westen der BRD. Begründet liegt diese Tatsache an den Erwerbsbiografien der Ost-Arbeitnehmer: sie sind in der Regel längere und durchgängigere Arbeitsverhältnisse eingegangen. Insbesondere sind hier also die ostdeutschen Frauen mit ihren starken Erwerbsbiografien gegenüber den meist in der Hausarbeit tätigen Frauen in Westdeutschland im Vorteil, jedenfalls was die Finanzierung ihres Ruhestandes betrifft.

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Zusammenarbeit und Milliardensummen

Angesichts widerstreitender Parteipositionen und um einem Scheitern des Angleichs entgegen zu wirken, fordern die Bundesländer die Vorbereitung der Prüfung eines Teilangleichs der Rentenwerte sowie die Einrichtung einer Bund-Länder Arbeitsgruppe. Auch der Bundesrat unterstrich, dass die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Ländern in dieser Frage unabdingbar sei, da der Rentenangeich ohne ein Eingreifen der Politik auch 30 Jahre nach der Einheit nicht gelingen werde. Der Deutsche Rentenversicherung Bund wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ohne zusätzliche Milliardensummen eine Rentenangleichung schwer realisierbar sei. Automatisch werde sich diese Angleichung der Renten durch eine weitere Angleichung der Löhne jedenfalls nicht vollziehen, denn das für die Rente so zentrale Lohnniveau in Ost- und Westdeutschland werde sich vorerst nicht angleichen. So stellt sich die Frage, ob jene für die Rentenberechnung maßgeblichen Rechengrößen angeglichen werden sollen und wie die daraus resultierenden Kosten balanciert werden könnten.

ntv.de haufe.de

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