Der EU-Gipfel am 17. Oktober zeigte es: Ein sogenannter „harter Brexit“, ein Bruch Großbritanniens mit der EU ohne Vertrag zum März 2019, ist durchaus ein mögliches Szenario. Standen doch die Verhandlungen Großbritanniens mit der EU auf der Stelle, so dass der Luxemburger Premier Xavier Bettel pointierte, er käme nur noch zu weiteren Treffen, wenn Lösungen gesucht würden ... nicht aber, um eine Tasse Kaffee zu trinken und Kekse zu essen. Immerhin berichtete am Montag die britische "Times", dass es nun doch eine Art "Zollunion light" geben könnte, also EU und Großbritannien sich einigen. Ein britischer Regierungssprecher dementierte - sprach aber von "guten Fortschritten bei unseren künftigen Beziehungen".

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Wie ein Artikel der vom Bundestag herausgegebenen Wochenzeitschrift „Das Parlament“ ausführt, würde das Vereinigte Königreich durch ein „No-Deal“-Szenario“ ohne Einigung den Status eines Drittlandes erhalten: Fortan würden im Handel mit der EU die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten, mit den üblichen Zöllen und sonstigen nicht-tarifären Handelshemmnissen. Dadurch verursachte Wachstumsverluste für die britische Wirtschaft schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) auf vier Prozentpunkte in fünf Jahren. Aber auch für europäische Länder wie Deutschland bliebe ein solches Szenario nicht folgenlos.

Britische Rechtsform für deutsche Unternehmen

Auf ein besonderes Problem für die deutsche Wirtschaft weist jetzt Andreas Dirksen, Leiter des Gründungsberaters Go Ahead, gegenüber Welt Online hin. Haben doch tausende Unternehmen für ihre Firmen und Kapitalgesellschaften die Rechtsform einer britischen Limited Company (Ltd.) gewählt, eine der GmbH vergleichbare Unternehmensform.

Da die Gründung dieser haftungsbeschränkten Unternehmensform äußerst einfach war – schon 2003 reichte das Stammkapital von einem Pfund und ein einfacher schriftlicher Vertrag, wählten besonders kleine und mittlere Unternehmen diese Form. Zum Vergleich: Die deutsche GmbH setzt ein Stammkapital von mindestens 25.000 Euro voraus. Zwar verlor durch die seit November 2008 zugelassene sogenannte Mini-GmbH, die mit dem geringen Startkapital von einem Euro gegründet werden kann, die britische Limited (Ltd.) wieder an Beliebtheit. Dennoch wären noch rund 10.000 Limiteds in Deutschland registriert.

Diese Unternehmen agieren also unter einer britischen Rechtsform, obwohl sie zumeist gar nichts exportieren, sondern nur auf dem deutschen Markt tätig und im jeweiligen deutschen Handelsregister über eine Zweigniederlassung eingetragen sind. Möglich wurde ein solches Rechtskonstrukt aufgrund die Niederlassungsfreiheit in der EU: Britische Firmen konnten sich ohne Probleme in Deutschland niederlassen (und deutsche Firmen rein rechtlich als britische Firmen mit deutscher Zweigniederlassung "niederlassen"). Kommt es aber zu einem „harten Brexit“, fällt diese Niederlassungsfreiheit für britische Firmen weg.

Unternehmen in Bedrängnis

Folgt man der Darstellung des Go Ahead-Leiters, geraten insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, die momentan unter der britischen Rechtsform agieren, durch einen harten Brexit in Bedrängnis. Entweder würden die Unternehmen ihren Status als Kapitalgesellschaften verlieren und in Zukunft als Personengesellschaften gelten. Dadurch wären sie nicht mehr haftungsbeschränkt und die Inhaber müssten mit ihrem Privatvermögen haften. Oder die Unternehmen müssten sich in eine andere Gesellschaftsform umwandeln. Im zweiten Fall aber würden hohe Beratungskosten oder hohe Steuerrückzahlungen auf die Unternehmen zukommen, weil Limiteds auch Vorteile bei der Steuerbelastung gegenüber anderen Unternehmensformen boten. Kleine Firmen, die immerhin 95 Prozent aller Limiteds ausmachen würden, könnten derartige Kosten kaum bewältigen.

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Tausenden Arbeitsplätzen drohe das Aus: Die Politik ist gefordert

Andreas Dirksen sieht aus diesem Grund auch die Politik in der Pflicht: Finanz- und Justizministerium müssten Gesetze auf den Weg bringen, die einen Wechsel der Unternehmensform kostengünstig ermöglichen und Steuerneutralität gewähren. Zwar gäbe es bereits Referentenentwürfe der Regierung, die einen Wechsel ermöglichen sollen. Die Pläne aber wären bisher nicht ausreichend, um die Probleme kleinerer Firmen zu lösen. Die Zeit würde drängen. Denn wäre bis März 2019 keine Lösung gefunden, drohe Tausenden Arbeitsplätzen das Aus.

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