Rentenniveau: Voraussehbar im Sinkflug

Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ächzt unter dem demografischen Wandel. Denn die geburtenstarken Jahrgänge – die so genannten Babyboomer – kommen nach und nach ins Rentenalter, und zwar bei steigender Lebenserwartung. Niedrige Geburtenraten jedoch lassen die Bevölkerung schrumpfen. Aktuell leben noch 83 Millionen Menschen in Deutschland, jedoch sollen laut Statistischem Bundesamt im Jahre 2060 nur noch rund 76,5 Millionen Einwohner in Deutschland leben. Und das bei einer sich verändernden Bevölkerungsstruktur: Schon bis zum Jahre 2040 steigt die Zahl der Menschen im Alter ab 67 auf 21,5 Millionen Menschen an. Immer weniger Beitragszahler also müssen für immer mehr langlebige Rentner aufkommen, was zu einem schrittweisen Absinken des Rentenniveaus (und damit des Verhältnisses einer durchschnittlich verfügbaren Rente zum Durchschnittslohn) führt und zu einem grundsätzlichen Problem: Beängstigende Versorgungslücken im Alter drohen. Ohne private Vorsorge droht breiten Teilen der Bevölkerung die Altersarmut.

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Deutlich veranschaulichen schon jetzt die Zahlen das Problem: Lag vor Verabschiedung der so genannten „Riester-Reform“im Jahre 2000 das Renten-Niveau noch bei durchschnittlich 55 Prozent, wird es aktuell durch das letztjährige Rentenpaket der Bundesregierung bei 48 Prozent „eingefroren“ bzw. stabilisiert, jedoch nur bis zum Jahre 2025. Möglich ist eine solche Maßnahme jedoch einzig durch Finanzreserven der gesetzlichen Rentenversicherung, auf die ab 2020 zugegriffen werden muss (der Versicherungsbote berichtete). Ob der Gesetzgeber für die Zeit nach 2025 aber erneut eine Lösung findet, um das Rentenniveau „einzufrieren“, kann bezweifelt werden.

Riester-Reform von 2001: Versuchtes Gegensteuern durch private Vorsorge

So geht eine aktuelle Studie des Analysehauses Prognos im Auftrag des Dachverbands der Versicherer auch davon aus, dass zu Ende der 2030er Jahre, sobald die Mehrzahl der Babyboomer das Rentenalter erreicht hat, das Rentenniveau bei etwa 43,4 Prozent liegen wird. Solche Zahlen aber haben Konsequenzen, denn ein "Weniger" aus der gesetzlichen Rente macht ein "Mehr" aus der privaten Vorsorge vonnöten, um drohende Versorgungslücken im Rentenalter auszugleichen.

Der Gesetzgeber setzte mit einer Reform aus dem Jahr 2001 gezielt auf einen solchen Ausgleich: Mit Einführung der Riester-Rente sollte die private Vorsorge als dritte Säule des Rentensystems gestärkt und auf das zu erwartende Absinken des Rentenniveaus früh reagiert werden. Seit dieser Reform waren nicht länger Zielvorgaben der Rentenhöhe maßgebend für die Rentenpolitik der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern langfristig stabile Beiträge. Eine solche Verschiebung aber lässt sinkende Renten erwarten – ansonsten hätte man aufgrund des demografischen Wandels immer höhere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Kauf nehmen müssen. Damit die Menschen auf die nun sinkenden Renten aus der GRV reagieren können, wurde mit der Riester-Rente eine Förderung der privaten Vorsorge eingeführt (der Versicherungsbote berichtete).

Wollte die Riester-Reform erfolgreich sein, mussten (und müssen) die Menschen dazu gebracht werden, die Differenz aus absinkendem Rentenniveau und einer Rente von 55 Prozent des Bruttolohns selber durch private Vorsorge aufzufüllen. Die aktuelle Prognos-Studie macht hierfür bewusst: Ein Absinken des Rentenniveaus und eine längere Lebenserwartung vergrößern die Versorgungslücke. Und immer mehr Gelder sind in der Folge nötig, um über private Vorsorge die maßgebenden Werte der Riester-Reform zu erreichen.

Zunehmende Versorgungslücke über die Generationen: Längeres Leben, sinkendes Rentenniveau

Zum Erreichen des maßgebenden Rentenniveaus von 55 Prozent des Einkommens müssen Menschen immer größere Beträge aufbringen. Wie wirkt sich die Entwicklung des Rentenniveaus konkret auf verschiedene Generationen aus? Wie hoch sind notwendige Beträge zum Stopfen der Versorgungslücke, wenn Menschen verschiedener Jahrgänge miteinander verglichen werden? Um diese Frage zu beantworten, legt die Prognos-Studie zunächst ein idealtypisches Berufsleben zugrunde, bei dem jährlich jeweils ein Entgeltpunkt für die gesetzliche Rentenversicherung erworben wird:

Berufseintritt des für die Modellrechnung zugrunde liegenden Erwerbslebens ist stets das 20. Lebensjahr. Bis zum Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze wurde jährlich der Durchschnittslohn verdient. Wie groß aber muss, über die gesamte Spanne eines solchen idealtypischen Erwerbslebens (und damit die "Ansparphase" des Berufslebens), der Vorsorge-Betrag im Generationen-Vergleich sein, um mit Erreichen des gesetzlich vorgegebenen Rentenalters ein Rentenniveau von 55 Prozent des Bruttolohns zu sichern?

Um diese Frage zu beantworten, sollten ein idealtypisches Erwerbsleben des Jahrgangs 1960 mit einem idealtypischen Erwerbsleben des Jahrgangs 1975 und einem idealtypischen Erwerbsleben des Jahrgangs 1990 verglichen werden. Wie zu erwarten, charakterisiert diesen Vergleich verschiedener Jahrgänge ein drastisch sinkendes Rentenniveau: Bei Renteneintritt für 1960 Geborene liegt, in 2026, das Rentenniveau voraussichtlich bei 48,3 Prozent. Der Jahrgang 1975 hingegen wird bei Renteneintritt ein Rentenniveau von 43,2 Prozent des Bruttolohns, der Jahrgang 1990 sogar von 41,9 Prozent des Bruttolohns zu beklagen haben. Demnach ist schon aufgrund dieses sinkenden Rentenniveaus ein immer größerer Teil an Geldbeträgen für die private Altersvorsorge nötig, um die Versorgungslücke bis zu dem maßgebenden Wert von 55 Prozent des Bruttolohns aufzufüllen.

Der Effekt verstärkt sich, da Menschen immer älter werden. Muss doch auch die fernere Lebenserwartung für die Berechnung der Versorgungslücke bedacht werden – ein Wert, der nach Maßgabe der derzeitigen Entwicklung die Lebenserwartung zukünftiger Jahre vorausberechnet. Die Differenz aus Lebenserwartung und gesetzlich festgelegtem Renteneintrittsalter gibt folglich die Zeit im Ruhestand an, für die vorzusorgen ist. Und diese Zeit nimmt zu.

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Rund 21 Jahre wird eine Person des Jahrgangs 1960 durchschnittlich im Ruhestand verbringen, wie die Prognos-Studie ausführt. Für eine Person des Jahrgangs 1990 sind aufgrund der steigenden Lebenserwartung hingegen sogar fast 24 Jahre im Ruhestand zu erwarten, obwohl für diese Menschen schon eine höhere Regelaltersgrenze ("Rente mit 67") gilt. Für drei Jahre mehr also muss vorgesorgt werden mit Blick auf die zukünftige Lebenserwartung, wenn man 1990 statt 1960 geboren wurde. Und für diese Jahre ist zusätzliches Geld vonnöten.

30 Jahre spätere Geburt kosten 85.000 Euro mehr

Wie hoch aber sind notwendige Beträge zum Stopfen der Versorgungslücke? In Zahlenwerten ausgedrückt errechnet die Prognos-Studie für verschiedene Jahrgänge dieser idealtypischen Erwerbsbiographie folgende Beträge: Der Altersvorsorgebedarf erhöht sich von 40.000 Euro für 1960 Geborene auf über 83.000 Euro für 1975 Geborene und sogar auf 117.000 Euro für 1990 Geborene. Der Altersvorsorgebedarf gibt hierbei den Betrag an, der durchschnittlich bis zum Ruhestand zur Deckung der Sicherungslücke über die private Vorsorge gespart oder durch Renditen aus Anlagegeschäften erwirtschaftet werden muss.

Eine Orientierungsgröße, die hingegen Renditen heraus rechnet, ist der Sparbedarf – der Bedarf des geldmäßigen Anteils, der unter Berücksichtigung jährlich fließender Zinsen zum Stopfen der Versorgungslücke notwendig ist. Ein 1960 Geborener würde laut Berechnungen der Studie 26.000 Euro und damit 2,1 Prozent seines Bruttoerwerbseinkommens bis zum Rentenalter sparen müssen. Ein 1975 Geborener müsste schon mehr als 81.000 Euro und damit 4,4 Prozent seines Einkommens sparen, ein 1990 Geborener sogar 111.000 Euro.

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Da die Studienmacher aber bei dieser Berechnung von einer variierenden durchschnittlichen Verzinsung auf angesparte Geldbeträge ausgehen und deswegen Annahmen zugunsten der jüngst-geborenen Generation treffen können, wären es für die 1990 Geborenen, trotz des hohen Werts von 111.000 Euro, „nur“ 3,9 Prozent des Bruttoerwerbseinkommens, die zur Deckung der Versorgungslücke notwendig sind. Denn auch Zinsen auf gesparte Gelder bedenkt der Sparbedarf. Die Studienmacher errechnen folglich einmal Werte für ein Basiszins-Szenario – und damit ein Szenario, bei dem sich Zinsen nach der derzeitigen Phase des Niedrigzins wieder einem „fairen Wert“ von 4,2 Prozent annähern. Jedoch wird eine weitere Berechnung für ein drohendes Beibehalten der Niedrigzins-Politik angestellt.


Niedrigzins als zusätzliche Bedrohung

Als wesentlich ungünstiger erweist sich nämlich die Rechnung, würde man annehmen, die Zinsen blieben langfristig auf einem niedrigen und damit „unfairen“ Niveau. Für den Fall, im gesamten Prognosezeitraum würden 1,5 Prozent an Zinsen nicht überschritten, ergeben sich folgende beunruhigende Werte: Die Vorsorgesparer des Jahrgangs 1960 müssten während der Sparphase einen Sparbedarf von 30.000 Euro und damit von 2,4 Prozent ihres gesamten Bruttoerwerbseinkommens aufbringen. Diese Sparer wären jedoch, trotz notwendigen Zusatzaufwand zum Stopfen der Versorgungslücke, noch am wenigsten von den niedrigen Zinsen betroffen. Ein Sparer mit dem Jahrgang 1975 käme aber schon auf einen Sparbedarf von 123.000 Euro und damit von 6,7 Prozent seines Bruttoerwerbseinkommens während der Ansparphase. Noch schlimmer aber träfe es den Geburtenjahrgang 1990: 233.000 Euro und damit 8,3 Prozent seines Bruttoeinkommens wären als Sparbedarf zum Stopfen der Versorgungslücke nötig.

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Hintergrund:

Die Studie „Altersvorsorgebedarf im Zeitverlauf“ wurde durch das Baseler Unternehmen Prognos im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft erstellt und kann, mit Stand vom Mai 2019, auf den Seiten des Verbands heruntergeladen werden.

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