Zunächst schilderten die Richter Dr. Marlow und Spuhl den weiten Weg, der hinter Ihnen liegt, bis zum Zeitpunkt als sich die Herren Richter nennen durften. Die Komplexität Ihrer Arbeit ist auch daher sehr hoch, weil die Justiz den Anspruch des Generalisten hätte, so die Richter. Gleiches verlange eine gute präventive Beratung des Maklers, als Sachwalter des Kunden, auch. Er müsse nicht nur über ein hohes Fachwissen im Versicherungsbereich, sondern bestenfalls sogar über juristische und ärztliche Fachkenntnisse verfügen. „Justizia verlangt sowohl vom Versicherungsmakler als auch von den Versicherern komplexes Denken und generalisierendes Wissen. So haben es beide Seiten bei Rechtsfällen nicht leicht“, so Spuhl.

Anzeige

Bald auch Zivilkammern bei den Landgerichten

Das nun auch auf politischer Seite der Forderung nach einer stärkeren Spezialisierung auf Seiten der Gerichte nachgekommen werden wird, spricht dafür, das die Qualität der Rechtssprechung steigen wird, so die Richter. Ab dem 01.01.2018 soll es also bei den Landgerichten nun mindestens eine Zivilkammer für Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen geben. Der Gesetzgeber, so Dr. Marlow, achtet damit mehr als zuvor die Vertretung der Rechte des Versicherungsnehmers (VN) und stuft diese als hoch ein.

Vertreter=Auge & Ohr des VR, Makler=Auge & Ohr des VN

Im ersten von Spuhl auf dem Symposium vorgestellten Fall, der zum Urteil des BGH vom 5. Juli 2017 führte (der Versicherungsbote berichtete) betont er erneut die Relevanz des Sachverhaltes, dass der Versicherungsvertreter das Auge und Ohr des Versicherers (VR) sei, wohingegen der Versicherungsmakler, als Sachwalter des Versicherungsnehmers, Auge und Ohr seines Kunden darstelle.

Dies habe im Fall eines Testfahrers, der Leistungen aus seinen zwei Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen wegen Morbus Bechterew (Rückenbeschwerden) erstritt, dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof (BGH) dem Oberlandesgericht (OLG) anordnete, was der Senat bereits entschieden habe, zu befolgen: Nämlich, dass der Versicherungsnehmer nicht dazu beauftragt sei, den Versicherungsvertreter zu kontrollieren, was er in das Anftragsformular aufnimmt und was nicht.

Im verhandelten Rechtsstreit wurde dem klagenden Testfahrer eine BU-Rente zugesprochen, weil er glaubhaft machen konnte, den Vertreter im Beratungsgespräch mündlich über ein Rückenleiden informiert zu haben. Der Vertreter hatte dies aber beim Ausfüllen des Antragsformulars nicht angegeben, so dass der Versicherer die BU-Rente wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht verweigern wollte. Ohne Erfolg: dem Testfahrer steht eine BU-Rente zu.

Spontane Offenbarungspflicht

Besonderes Augenmerk sollten Makler auch auf BU-Versicherungsanträge legen, rieten die Richter weiter, die im Antrag vereinfachte Gesundheitsfragen bereithalten, etwa nach dem folgenden Wortlaut: „Ich erkläre , dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfang meiner Berufstätigkeit nachzugehen. ...“ Solche Formulierungen kommen gerne bei Kollektivverträgen oder speziellen Angeboten vor.

Im betreffenden Fall hatte der Versicherer einen Leistungsantrag des Kunden wegen arglistiger Täuschung angefochten. Das Landgericht Heidelberg hatte daraufhin am 08. November 2016 in seiner Entscheidung die Frage, ob beim Abschluss zivilrechtlicher Verträge eine Offenbarungspflicht über nicht im Versicherungsantrag genannte Umstände bestehe (im betreffenden Fall wurde beim Versicherungsnehmer Multiple Sklerose vor Vertragsabschluss diagnostiziert), bejaht.

In seiner Begründung hatte das Gericht erklärt, dass der VN im Streitfall redlicherweise nicht darauf vertrauen dürfte, er habe bereits mit seinem wahrheitsgemäßen Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung seine Anzeigepflicht vollständig erfüllt. In Heidelberg ist man somit der herrschenden Meinung in der Literatur gefolgt, dass der VN auch ungefragt zumindest diejenigen Umstände angeben muss, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer (und damit auch jeder Makler) für gefahrerheblich halten muss.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich das OLG Karlsruhe und ggf. später der BGH in dieser Frage positionieren wird (der Versicherungsbote hat zum Fall berichtet). Udo Spuhl könnte sich vorstellen, dass hier noch einmal auf Täuschung durch Unterlassung untersucht werden muss. Ohnehin sei hier auf den §242 BGB verwiesen, nachdem der Versicherer (bei solchen Summenversicherungen) nicht schutzwürdig ist, da er als Schuldner verpflichtet sei, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, so Spuhl.

BGH-Erläuterung zu rechtswidrig erhobenen Daten: VR muss VN über die Datenerhebung unterrichten

Die Richter sind auch auf die rechtlichen Schranken bei einer Schweigepflichtentbindung, also die Erhebung von Daten im Rahmen einer BU-Leistungsprüfung, eingegangen. Im betreffenden Fall hatte der VR der Klage der Versicherungsnehmerin Arglist entgegengesetzt. Die Versicherungsgesellschaft hatte der Versicherten eine vorformulierte Schweigepflichtentbindungserklärung vorgelegt, die sie unterzeichnete.

Nachdem die Versicherte Leistung anforderte, sei der Versicherer mit ihren Ärzten in Kontakt getreten und hatte bemerkt, dass die Versicherte unter nicht angegebenen Vorerkrankungen verfügte und daher den Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht angefochten.

§213 VVG: Hinweispflicht des VR auf ein Widerspruchsrecht des VN vor Ergebung der Daten

Nachdem das OLG entschieden hatte, dem Vorwurf der Arglist seitens des VR stattzugeben, kritisierte der BGH in der Berufung, dass man dort nicht geprüft habe, ob eventuell die informationelle Selbstbestimmung (ein Grundrecht!) verletzt wurde. Nachdem die Versicherte in den Vorinstanzen gescheitert war, gibt der BGH ihr nun mit seinem Urteil vom 5. Juli 2017 (Az.:IV ZR 121/15) recht, dass dieses Grundrecht verletzt worden sei.

Rechtswidrig erhobene Daten können später in eine Abwägung einfließen

Ob der Versicherer rechtswidrig erhobene Daten nutzen kann und sich dann bei Anfechtung eines Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) – Vertrages darauf berufen darf, wurde noch nicht final geklärt. Der BGH hatte sich der Entscheidung des OLG widersetzt, da man dort vergessen hätte zu berücksichtigen, dass der VR den VN darauf hinweisen muss, wenn er Daten erhebt und diese dann auch nur „gestuft, einem Dialog vergleichbar“ erheben darf.

Zwar, so räumt der BGH ein, stehe nach §213 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) „der Zulässigkeit einer so genannten allgemeinen Schweigepflichtentbindung nichts entgegen”. Allerdings sei es dem Versicherer nicht gestattet, „dem Versicherten die Erteilung einer solchen Erklärung regelmäßig abzuverlangen“. Darüber hinaus muss der VR den VN nach §213 Abs. 2 VVG vor der Erhebung der Gesundheitsdaten über das Vorhaben aufklären und ihn darauf hinweisen, dass er die Möglichkeit hat, der Erhebung zu widersprechen (§213 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 VVG).

Anzeige

Würde die Nutzung der so rechtswidrig erhobenen Daten pauschal erlaubt sein, so würde dies schließlich einen Anreiz für den VR schaffen, im Versicherungsfall ohne Rücksicht auf das Grundrecht des VN, über den Umfang und die Art zur Weitergabe seiner persönlichen Gesundheitsdaten zu bestimmen, diese Daten selbst zu erheben mit dem Ziel ein arglistiges Verhalten nachzuweisen. Habe ein VR solche Daten rechtswidrig erhoben, so könnten diese lediglich in eine Güterabwägung einfließen.

Anzeige