Hintergrund: Damit Versicherer ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden dauerhaft erfüllen können, schreibt das Solvency-Aufsichtsregime vor, auch für wirtschaftlich schwere Zeiten genügend Eigenmittel als Polster vorzuhalten. Zentral hierfür sind die Solvenzquoten (SCR-Quoten). Für diese Quoten ist nicht der „Normalbetrieb“ relevant, sondern die Simulation eines wirtschaftlichen Extrem-Ereignisses, das alle 200 Jahre auftritt. Erreicht ein Versicherer eine Quote von mindestens 100 Prozent, hat er genügend Eigenmittel, um eine solche Situation zu stemmen.

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Dokumentiert werden die Solvenzquoten in den Berichten zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR). Diese werden durch die Unternehmen jährlich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgelegt und müssen auch für die Verbraucher veröffentlicht werden. Und wie jedes Jahr haben die Experten von Assekurata aktuelle Berichte ausgewertet und nun Zahlen für 2023 veröffentlicht.

Die Grundlagen: Basisquote, Volatilitätsanpassung, Übergangsmaßnahmen, aufsichtsrechtlich relevante Bruttoquote

Noch bis 2031 erleichtern verschiedene bilanzrechtliche Hilfsmaßnahmen das Erreichen der aufsichtsrechtlichen Vorgabe von Solvency II. Aus diesem Grunde entspricht die aufsichtsrechtlich relevante Bruttoquote nicht der Nettoquote ohne Hilfsmaßnahmen. Folgendes muss unterschieden werden:

  • Netto- oder Basisquote (auch SCR-Quote): ist jene Quote, die ein Versicherer ohne Übergangshilfen und Volatilitätsanpassung errechnet; die Basisquote gibt an, ob ein Versicherer das simulierte Extremereignis, das mit 0,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit eintritt, durch Eigenmitten bewältigen kann. Die Basisquote der Branche liegt in 2023 bei 324,06 Prozent – demnach kann jeder Versicherer das simulierte Ereignis etwa drei Mal durch Eigenmittel stemmen.
  • Die Volatilitätsanpassung (VA) gemäß Paragraf 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erlaubt jedoch, Anleihen höher zu bewerten, wenn sie nur vorübergehend an Wert verlieren – etwa, weil sie zu einem festen Wert später wieder verkauft werden können. Die Volatilitätsanpassung erhöht die Basisquote 2023 durchschnittlich um 33,11 Prozentpunkte.
  • Paragraf 352 VAG ermöglicht Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (Ü): Die BaFin kann Versicherern die Genehmigung erteilen, ihre Rückstellungen nicht sofort auf Grundlage von Solvency II zu bewerten, sondern erst nach und nach mit mehrjähriger Verzögerung. Dies ist die wirkungsvollste Maßnahme: sie hebt die Basisquote in 2023 um durchschnittlich 215,79 Prozentpunkte nach oben.

Die aufsichtsrechtlich relevante Bruttoquote ist nun jene Quote, die ein Unternehmen der BaFin meldet: hier sind alle genutzten Maßnahmen eingeflossen (VA + Ü). Allerdings verzichten einige Unternehmen auch auf Maßnahmen, wenn sie dafür keine Notwendigkeit sehen: dann entspricht die Basis- bzw. Nettoquote der aufsichtsrechtlich relevanten Bruttoquote. Sechs Versicherer verzichten 2023 auf jede Maßnahme.

Wichtig ist aber nicht nur die aufsichtsrechtlich relevante Bruttoquote. Sondern auch die Basisquote ist aktuell schon relevant. Wenn nämlich die Basisquote plus Volatilitätsanpassung in der Summe keine 100 Prozent ergeben, muss ein Versicherer in die „Manndeckung der BaFin“. Das bedeutet: Versicherer müssen in solchen Fällen Maßnahmenpakete vorlegen, wie sie ihre Finanzlage verbessern wollen.

Solvenzquoten der Run-off-Versicherer litten am Niedrigzins

Durch die lang anhaltende Niedrigzinsphase der letzten Jahre litten besonders auch Solvenzquoten der Run-off-Versicherer. Das verwundert kaum: Bei den Bestandsabwicklern liegen Altbestände mit hohen Zinsgarantien. Zum einen muss ein solches Unternehmen also besonders viel über die Kapitalanlage erwirtschaften, um einen ausgeglichenen Rohüberschuss zu haben. Zum anderen mussten über die Zinszusatzreserve (ZZR) besonders hohe Beträge für alte Zinsgarantien nachreserviert werden. Ein Ergebnis der Frankfurt Münchener in 2019 veranschaulicht das Problem: die Basis-Solvenzquote lag damals sogar im Minusbereich (Versicherungsbote berichtete).

Aber nicht nur die Run-Off-Gesellschaften ächzten arg unter dem Niedrigzins, sondern auch Gesellschaften mit Neugeschäft. Noch 2020 befanden sich 15 Versicherer in „enger Manndeckung“ der BaFin, weil Basisquote plus VA nicht über die 100 Prozent kamen (Versicherungsbote berichtete). Erst das bessere Zinsumfeld führte zu einer Normalisierung. Das zeigt sich auch 2023 – nur noch ein Versicherer ist aktuell betroffen, die LPV Leben (und damit kein Run-Off-Versicherer). Basisquote plus VA bringen es bei der LPV Leben auf gerade einmal 61,27 Prozent.

Versicherungsbote stellt die Solvenzquoten der Run-Off-Versicherer 2023 vor

Im Folgenden werden die Solvenzquoten der Run-Off-Versicherer ohne Neugeschäft vorgestellt. Alle Zahlen sind einer Übersicht der Analyse-Experten von Assekurata entnommen. Eine Presseerklärung und eine Tabelle mit dem Zahlenmaterial ist auf der Webseite des Unternehmens aus Köln verfügbar.

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Allerdings liegen aktuell noch nicht die Quoten aller Lebensversicherer vor. So fehlen für Run-Off-Gesellschaften noch die Solvenzquoten der Nürnberger Beamten Lebensversicherung AG und der Landeslebenshilfe V.V.a.G. (LLH).