Versicherungsbote: Zu der Frage, wie sich Corona auf die Altersvorsorge auswirkt, gibt es unterschiedliche Studien. Während einerseits der Vorsorgegedanke stärker in den Fokus rückt, setzten viele Menschen den Rotstift bei der eigenen Altersvorsorge an. Wie ist Ihre Wahrnehmung dazu und worauf stützen Sie sich dabei?

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Sebastian KülpsSebastian Külps...ist Leiter des Geschäfts für Deutschland und Österreich bei Vanguard.VanguardSebastian Külps: Wenn die Schwankungen an den Märkten zunehmen und die Unsicherheit wächst, neigen viele Anleger dazu, kurzfristig zu reagieren. Sie fahren beispielsweise ihr Engagement an den Aktienmärkten herunter, um sich vor weiteren Verlusten zu schützen. Das ließ sich gerade auch zu Beginn der Corona-Krise vor fast einem Jahr gut beobachten. Tatsächlich zahlen sich solche kurzfristigen Reaktionen allerdings fast nie aus. Wesentlich sinnvoller ist, auch in schwierigen Zeiten an einer langfristig orientierten Altersvorsorgestrategie festzuhalten, die sich an wenigen grundlegenden Prinzipien orientiert: langfristig denken, breit streuen, Disziplin wahren und Kosten kontrollieren. Das belegen zahlreiche Studien. So haben etwa unsere Untersuchungen im vergangenen Sommer ergeben, dass Anleger, die ihrer Strategie treu geblieben sind, schon wenige Monate später besser dastanden als solche, die vorschnell ausgestiegen sind. Und hier sind Finanzberater besonders gefragt: Neben der Entwicklung einer passenden Anlagestrategie und der Auswahl geeigneter Produkte zählt zu ihren wichtigsten Aufgaben, den Kunden in turbulenteren Phasen an die Hand zu nehmen, ihn vor reflexartigen Reaktionen auf ungünstige Marktentwicklungen zu bewahren, Vertrauen zu schaffen und gleichzeitig das Portfolio zu schützen.

Welche Produktklassen sind denn aus Ihrer Sicht zur Altersvorsorge geeignet?

Zunächst ist festzuhalten: Wer angemessen für den Ruhestand vorsorgen möchte, kommt heute an den Kapitalmärkten nicht vorbei. Klassische Zins- und Sparprodukte liefern schon seit geraumer Zeit keine auskömmlichen Erträge mehr. Als Leitfaden für eine entsprechende, langfristig ausgerichtete Kapitalanlage sollten die genannten Anlageprinzipien dienen. Eine einfache Lösung sind breit streuende Fonds. Sie stellen sicher, dass die Risiken und auch die Ertragschancen über eine möglichst große Zahl von Einzelinvestments gestreut werden. Neben einer Direktanlage per Sparplan in einen oder mehrere Fonds bieten sich für die Altersvorsorge fondsgebundene Versicherungen an. Anleger können im Rahmen einer Fondspolice auf Wunsch zwischen Beitragsgarantien in unterschiedlicher Höhe wählen. Dabei können sie aus einer Vielzahl von Portfolio-Profilen von defensiv bis offensiv das passende aussuchen oder eine individuelle Auswahl mit ihrem Berater zusammenstellen, die der persönlichen Risikoneigung und dem Zeithorizont gerecht wird. Gegenüber der Direktanlage in Fonds bietet die Fondspolice zudem steuerliche Vorteile, sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlphase, und erlaubt unentgeltliches und steuerfreies Umschichten zwischen Fonds. Des Weiteren ermöglicht nur der Versicherungsmantel, das Langlebigkeitsrisiko auszuschalten, indem eine lebenslange Rentenzahlung festgelegt wird.

Wo würden Sie dabei ETFs einordnen?

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ETFs erfreuen sich zurecht einer stetig wachsenden Nachfrage – gerade auch seitens der Anbieter von Fondspolicen. Schließlich erfüllen ETFs alle Anforderungen an eine langfristige Kapitalanlage für die Altersvorsorge. In der Regel bilden sie wichtige Aktien- und Rentenindizes nach und streuen damit oft breiter als viele aktiv verwaltete Fonds. Gleichzeitig sind ETFs vollständig transparent: Der Anleger weiß stets, wie er investiert ist, weil sich das ETF-Portfolio an der Zusammensetzung des Index orientiert. Damit ist er zugleich unabhängig von den Markteinschätzungen eines Fondsmanagers. Ein wesentlicher Aspekt ist darüber hinaus die geringe Kostenbelastung: Die Gebühren von ETFs liegen deutlich unter denjenigen für klassische Investmentfonds. Gerade langfristig hat das enorme Auswirkungen auf die Wertentwicklung. Denn jeder Euro, den ein Anleger an Gebühren zahlt, steht nicht für die Wiederanlage zur Verfügung.

„Besser zu sein als der Markt sollte niemals Ziel einer seriösen Altersvorsorgestrategie sein“

Kritiker von ETFs sagen, diese Produktklasse sei gar nicht zur Altersvorsorge geeignet, weil sie nie besser sein kann als der Markt. Was halten Sie dem entgegen?

Besser zu sein als der Markt sollte niemals Ziel einer seriösen Altersvorsorgestrategie sein. Denn es gelingt so gut wie niemandem, den Markt dauerhaft zu schlagen, wie eine große Zahl von Untersuchungen immer wieder aufs Neue belegt. Das leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich vor Augen führt, dass der Markt nichts anderes repräsentiert als einen Durchschnitt aller Marktrenditen – und zwar vor Kosten. Zieht man Gebühren für die Kapitalanlage von der Wertentwicklung ab, muss die Mehrheit zwangsläufig hinter diesem Durchschnitt zurückbleiben. Zwar gelingt es aktiven Managern immer wieder, in bestimmten Marktphasen eine Outperformance zu erzielen. Je länger aber der betrachtete Zeitraum, desto geringer ist die Zahl derjenigen, denen das Kunststück gelingt, so hohe Zusatzerträge zu erwirtschaften, dass die Fondskosten überkompensiert werden. Das Gros bleibt langfristig hinter seinem jeweiligen Vergleichsindex zurück. Und genau hier punkten ETFs mit ihrer wesentlich geringeren Kostenbelastung. Zusammen mit ihrer klaren Ausrichtung führt sie dazu, dass sich die Indexfonds nahezu analog zum Markt beziehungsweise dem Index entwickeln, und damit zumindest langfristig besser als viele aktiv verwaltete Produkte.

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Indexfonds gelten als sehr kosteneffizient. Können dann Vermittler davon überhaupt selbst profitierten?

Finanzberater sollten zuallererst das Wohl ihrer Kunden im Blick haben. Insbesondere wenn es um die Altersvorsorge geht, spielen die erwähnten Anlageprinzipien eine herausragende Rolle: Es obliegt Beratern, gemeinsam mit ihren Kunden eine langfristig orientierte Vorsorgestrategie zu entwickeln und diese möglichst effizient umzusetzen. Dass sich der Kostenvorteil von ETFs langfristig in aller Regel positiv auf die Anlegerrendite auswirkt, erhöht die Zufriedenheit der Kunden und schafft Vertrauen. Anders als im Fall provisionsgetriebener Produktempfehlungen vermittelt eine ETF-orientierte Beratung dem Kunden stets das Gefühl, sich in guten Händen zu befinden und fair behandelt zu werden. Ein derartiges Modell und seine langfristigen Ergebnisse erhöhen damit die Bereitschaft des Kunden, Beratungsleistungen entsprechend zu honorieren. So zeigt eine US-Studie von Vanguard, dass eine professionelle Anlageberatung mit klarem Fokus auf den Kunden langfristig ein durchschnittliches jährliches Renditeplus von rund drei Prozentpunkten gegenüber traditioneller Finanzberatung ermöglicht. Daraus ergeben sich für den Berater Spielräume bei der Bestimmung seiner eigenen Service-Fee, die er dem Kunden berechnet.

Viele Vermittler bevorzugen ratierliche Einnahmen. Dafür müssten aber auch beispielsweise jeden Monat Leistungen erbracht werden. Kann so etwas im Investment-Bereich gelingen? Und wenn ja, wie?

Es ist ja nicht damit getan, einmal eine Anlagestrategie aufzustellen und passende Produkte auszuwählen. Vielmehr beinhaltet die Beratung von Kunden zu Vermögensfragen eine laufende Betreuung: Entwickelt sich das Portfolio erwartungsgemäß? Sind Anpassungen nötig? Welche Auswirkungen hat das aktuelle Marktumfeld? Gerade in schwierigen Marktphasen geht es dabei darum, den Kunden an die Hand zu nehmen, frühere Anlageentscheidungen angemessen und wo nötig kritisch zu bewerten, Nachrichten einzuordnen und Zuversicht zu vermitteln. Denn kurz- und mittelfristige Marktentwicklungen gefährden langfristige Anlageziele nur selten. Wer diese Aufgabe ernst nimmt, seinen Kunden fortlaufend alle wichtigen Informationen über die Entwicklung ihrer Vorsorgeprodukte bietet und sie souverän und einfühlsam durch kritische Marktphasen begleitet, liefert einen entscheidenden Mehrwert. Diesen kann er sich vergüten lassen, und dabei spricht nichts gegen eine monatliche Vergütung.

Viele Unternehmer in Deutschland werden inzwischen mit Gebühren belegt, wenn sie Gelder bei Banken parken. Sind ETFs auch für Firmenkunden geeignet, die den Bankgebühren „entfliehen“ wollen?

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Das lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt davon ab, was mit dem Geld bezweckt werden soll. Ein Aktien-ETF ist mit Sicherheit nicht geeignet, um kurzfristige Liquiditätsüberschüsse zu parken, da er erheblich schwanken kann. Anders sieht es aus, wenn das Kapital längerfristig Ertrag bringend angelegt werden soll. Bei kurzfristigen Engagements ist zu bedenken, dass auch ETFs Kosten aufweisen, selbst wenn diese vergleichsweise gering ausfallen. Daher ist abzuwägen, ob ein Geldmarkt-ETF besser geeignet ist, als Cash zu parken. Ein wichtiger Aspekt dabei: Während Bankeinlagen über den Entschädigungsfonds nur bis zu 100.000 Euro gesichert sind, bieten ETFs als Sondervermögen einen umfassenderen Schutz. Allerdings können sie je nach Methode der Indexnachbildung auch zusätzliche Risiken bergen.

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