Welche Sorgen beschäftigen die Verbraucher in Zeiten der Coronakrise? Das wollte aktuell der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wissen und hat eine Blitzumfrage beim Marktforscher Kantar TNS in Auftrag geben. Am 31. März und 01. April wurden die Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren repräsentativ befragt. Zu einer Zeit also, als sie bereits etwa eine Woche die Kontaktsperre erduldeten - und fast drei Wochen, nachdem das öffentliche Leben weitestgehend eingefroren wurde.

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Die Mehrheit ist vergleichsweise gelassen, aber…

Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass die meisten Bürger noch vergleichsweise gelassen mit der aktuellen Situation umgehen: zumindest mit Blick auf Verbraucherthemen. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, „dass gerade gesundheitliche und finanzielle Sorgen viele Menschen umtreiben. Vor allem in Haushalten mit geringerem Einkommen sind diese Sorgen groß“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv.

Die größte Sorge: Im Falle einer schweren Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) oder einer anderen Krankheit nicht ausreichend behandelt werden zu können. 43 Prozent der Befragten sorgen sich demnach stark oder sehr stark, dass sie aufgrund fehlender Krankenhaus- und Arztkapazitäten nicht im notwendigen Maße behandelt werden können. Bei keinem anderen Thema ist die Sorge derart stark ausgeprägt.

Zu dieser Sorge beigetragen haben dürften Berichte über Norditalien und das Elsass in Frankreich. Dort sind Ärzte aufgrund fehlender Kapazitäten gezwungen, von der sogenannten Triage Gebrauch zu machen (von französisch "trier", "sortieren"): Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf werden danach ausgewählt, ob sie gute oder weniger gute Überlebenschancen haben.

Besonders ältere Menschen erhalten in diesen Regionen nicht mehr das überlebensnotwendige Atmungsgerät, sondern lediglich eine „Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln“, wie das Deutsche Institut für Katastrophenmedizin in Tübingen berichtet. Eine grausame Praxis: Die Ärzte müssen über Leben und Tod entscheiden. Zwar ist Deutschland besser mit Beatmungsgeräten und Intensivbetten ausgestattet - aber je nach Zahl der Neuinfizierten könnten auch hierzulande derartige Entscheidungen notwendig sein.

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Altersvorsorge: Angst vor Wertverlust

Die zweithäufigste Sorge der befragten Bürgerinnen und Bürger betrifft bereits die Finanz- und Vermittlerbranche selbst. Jeder Dritte sorgt sich demnach, dass die private Altersvorsorge wegen sinkender Kurse oder niedrigerer Rendite an Wert verliert (33 Prozent). Bei Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 1.500 bis unter 2.500 Euro betrifft das sogar 49 Prozent.

Jeder Vierte fürchtet, laufende Kosten nicht bedienen zu können

Dass hinter den finanziellen Sorgen vieler Bürger oft nackte Existenzangst lauert, zeigt ein weiteres Ergebnis der Verbraucherzentrale-Umfrage. Fast jeder Vierte (23 Prozent) stimmt "sehr stark" oder "eher stark" zu, dass er befürchtet, laufende Mieten, Rechnungen und Kredite nun nicht mehr bedienen zu können.

Die größte Zustimmung bei diesen Existenzsorgen ist nicht einmal in der niedrigsten Einkommensgruppe bis 1.500 Euro Haushaltsnettoeinkommen zu finden, wo 24 Prozent zustimmen: sondern in der Einkommensgruppe zwischen 1.500 und 2.500 Euro. Hier äußern 39 Prozent der Befragten starke Zustimmung.

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Hilfspaket von Bund und Ländern erreicht nicht alle

Zwar hat die Bundesregierung ein Hilfspaket auf den Weg gebracht. Es soll auch der -nun besonders gefährdeten- Gruppe der Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmer helfen, die Zeit ohne Einkünfte mit Soforthilfen von bis zu 15.000 Euro zu überbrücken (der Versicherungsbote berichtete).

Das Problem: Viele Freischaffende und Selbstständige gehen dennoch leer aus, weil die Soforthilfen an Betriebsausgaben für Büros, Mieten, Leasingraten etc. gebunden sind. Wer diese nicht vorweisen kann, aber infolge des Lockdowns sämtliche Aufträge verlor, hat keinen Anspruch darauf. Den Betroffenen bleibt oft nur, Hartz IV oder Grundsicherung zu beantragen.

Kulturschaffende und viele Freiberufler rutschen durch das Raster

Durchs Netz des Hilfsprogramms rutschen viele Kulturschaffende: Musiker, Autoren, Veranstalter, freie Dozenten, Messebauer etc. Entsprechend hat der Leipziger Oboist Markus Müller einen offenen Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters verfasst. Darin heißt es:

"Die derzeit aufgestellten Hilfspakete gehen völlig an unserer Lebens- und Arbeitswirklichkeit vorbei. Sie nutzen uns nichts, da wir keine Betriebsstätten oder etwa Leasingwagen und somit keine hohen Betriebskosten haben. Was glaubt man in Ministerien, wovon Soloselbständige leben sollen, wenn die sogenannten Rettungs-Pakete lediglich durchzureichende Betriebskosten beinhalten? Diese kommen wieder nur den großen Playern zugute".

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Sowohl Markus Müller als auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordern entsprechend, die Soforthilfen von den Betriebskosten zu entkoppeln. Ein weiteres Problem: Kleine Firmen ab zehn Mitarbeitern haben ebenfalls keinen Anspruch auf Soforthilfe. Zwar greifen Bund und Länder auch diesen Unternehmern unter die Arme, zum Beispiel durch Kurzarbeitergeld. Aber laufende Kosten können sie nur mit der Aufnahme von Krediten bedienen, wenn sie keine Rücklagen haben. Und diese müssen später mit Zinsen wieder zurückgezahlt werden (der Versicherungsbote berichtete).

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