Als der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten in der Bilanz des Wirecard-Mutterkonzerns auftauchte, blieb der Bafin nach Darstellung Hufelds nur eine Option: besagtes zweistufige Verfahren einzuleiten, das Scholz nun abschaffen will. Die Bafin schaltet hierfür zunächst die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) ein und wartet deren Bericht ab, um selbst zu agieren. Dass der Verein so lange brauchte, habe Hufeld nicht stutzig gemacht: Im Schnitt brauche die DPR 13,5 Monate, um einen einzigen Verdachtsfall zu überprüfen. Eine Menge Zeit.

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DPR verliert Aufgabe als Finanzpolizei

Dass die Prüfstelle (DPR) nicht lieferte, könnte auch an Interessenkonflikten liegen. Gegründet wurde die Bilanzpolizei 2005 als privater Verein, beteiligt waren zahlreiche Lobbyverbände der Wirtschaft: unter anderem der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Verbände der privaten Banken-Lobby. DPR-Chef Edgar Ernst sitzt selbst im Aufsichtsrat mehrerer Großkonzerne wie TUI, Vonovia oder Metro.

Die Rechnung nach dem Wirecard-Versagen kam auf dem Fuß: Der Bund kündigte der Prüfstelle die Zusammenarbeit. Ernst selbst sieht sich als „Bauernopfer“: Mit so wenigen Mitarbeitern sei er gar nicht in der Lage, komplexe forensische Prüfungen zu bewältigen. Auch habe die BaFin selbst die Latte für Prüfungen niedrig gehängt, als sie ein Jahr zuvor ein Leerverkaufsverbot über Wirecard-Aktien verhängt habe: ein Indiz, dass die BaFin von der Seriosität der Bilanzen überzeugt gewesen sei.

Wie nun bekannt wurde, wusste die Prüfstelle aber bereits viel früher über mögliche Ungereimtheiten bei Wirecard: Der Journalist Heinz-Roger Dohms, heute für das Branchenmagazin finanz-szene.de tätig, machte die DPR bereits 2016 in einer Mail auf Auffälligkeiten in den Bilanzen aufmerksam. Ernst wurden die Hinweise nicht genommen.

Verschiedene Zuständigkeiten - und keiner fühlt sich verantwortlich?

Das angebliche Versagen der Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal könnte also durch unklare Zuständigkeiten begründet gewesen sein: weder BaFin noch DPR wollen die Verantwortung übernehmen. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) spielt eine fragwürdige Rolle. 2017 nämlich plante die BaFin sehr wohl, die Mutter-Holding von Wirecard als Finanz-Holding zu klassifizieren: Das hätte ihr weitergehende Prüf- und Kontrollbefugnisse eingeräumt. "Dann hat Wirecard einige Umstrukturierungen vorgenommen. Daraufhin hat die EZB Wirecard als Technologieunternehmen eingestuft und nur die Tochter als Bank", zitiert boerse-online.de Chefaufseher Hufeld. Aufsichtsrechtlich wurde Wirecard behandelt wie ein Technologie-Dienstleister und nicht wie ein Unternehmen, das mit großen Summen an Kundengeldern jongliert.

Zumindest das Problem der Zuständigkeit wäre gelöst, wenn das zweistufige Prüfverfahren nun abgeschafft wird: und die BaFin allein für den Bilanzcheck der Firmen verantwortlich wäre. Hierfür dürfte aber auch deutlich mehr Personal erforderlich sein, wie Olaf Scholz einräumt. "Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Bafin mehr Geld, mehr Stellen und mehr Kompetenzen benötigt, werde ich mich dafür einsetzen, dass das passiert", sagte Scholz der FAZ.

Doch Scholz steht selbst unter Druck. Alle Bundestags-Fraktionen haben als Folge des Wirecard-Skandals eine Reform der Finanzaufsicht gefordert. Und auch das Bundesjustizministerium von Christine Lamprecht (SPD) hat bereits angekündigt, gemeinsam mit dem Ressort von Scholz den Reformbedarf zu analysieren.

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Bund und BaFin müssen sich nun auf Klagen geschädigter Geldanleger einstellen (der Versicherungsbote berichtete). Und es ist nicht der erste Anleger-Skandal, bei dem sich die BaFin kritische Fragen gefallen lassen muss. Eine schlechte Figur machte die Finanzaufsicht zum Beispiel im Fall des Online-Start-ups Comroad, das 95 Prozent seiner Umsätze vorgetäuscht hatte, im Skandal um Libor-Manipulationen der Deutschen Bank oder Finanzspekulationen der Hypo Real Estate, wie aktuell die WirtschaftsWoche noch einmal aufgearbeitet hat.

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