Bei deutschen Unternehmen meistgefürchtet: „Betriebsunterbrechungen“

Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, doch plötzlich geht nichts mehr: Die Produktion muss unterbrochen werden – etwa aufgrund eines technischen Störfalls, aufgrund eines Streiks oder aufgrund fehlender Bauteile durch Probleme des Zulieferers. Dann können Waren nicht rechtzeitig geliefert, die Kunden nicht bedient werden. Schadensersatz wird fällig, die Reputation des Unternehmens leidet. Löhne, Nebenkosten, Mieten aber sind weiter zu zahlen. Ein von Unternehmen gefürchtetes Szenarium, hinter dem oft ganz reale Zahlen stehen: Als aufgrund eines Zulieferstreiks die Produktion in zwei VW-Werken für eine Woche still stand, entstand ein Schaden, den der Konzern auf 100 Millionen Euro schätzt.

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Obwohl das Thema in den Medien kaum präsent ist, dominieren Betriebsunterbrechungen die Sorge der Unternehmen in Deutschland und weltweit, wie nun erneut das „Allianz Risk Barometer“ zeigt. Zum wiederholten Mal rangierte laut Studie der Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) die Furcht vor einer „Betriebsunterbrechung“ auf Rang eins der am meisten gefürchteten Risiken. So beträgt das Verhältnis der Nennungen von Business interruption zur Gesamtzahl aller Antworten für Deutschland immerhin 48 Prozent – kein Risiko wurde von den befragten Kunden und Experten hierzulande häufiger genannt. Mit 37 Prozent aller Antworten dominieren die Betriebsunterbrechungen aber auch die Sorgen aller Experten und Unternehmen weltweit.

Ebenfalls auf dem Sorgen-Siegertreppchen: Cyber incidents

Jedoch teilt sich weltweit das Risiko der "Betriebsunterbrechungen" sein „Sorgen-Siegertreppchen“ mit einem weiteren Risiko, das in Deutschland auf Rang zwei der am häufigsten genannten Risiken landete: Cyber incidents. Anzumerken ist allerdings: Obwohl weltweit gleichzeitig mit den „Betriebsunterbrechungen“ auf Platz eins des Sorgen-Rankings und in Deutschland nur auf Rang zwei, nannten deutsche Experten Cyber incidents (und damit Bedrohungen durch Cyber-Kriminalität und damit verbundene Schäden durch Systemausfälle, Datenverlust etc.) sogar prozentual häufiger. In Deutschland erreichte das Risiko 42 Prozent aller gegebenen Antworten, weltweit 37 Prozent. Als Fazit der Studie für Cyber-Risiken zeigt sich: Nach Angriffen durch Schadsoftware wie Petya oder WannaCry im Jahr 2017, die laut Allianz-Risikobarometer vom Vorjahr einen weltweiten Gesamtschaden von geschätzt 8 Milliarden US-Dollar verursachten, sind Cybervorfälle im Risikobewusstsein der Unternehmen fest verankert.

Die am häufigsten gefürchteten Risiken weltweit laut Allianz Risk Barometer 2019. Quelle: allianz.com

Deutsche Unternehmensexperten fürchten den Brexit und Handelskriege

Erst bei Platz drei der meistgenannten Risiken unterscheiden sich die Meinungen, stellt man die deutsche Rangliste der weltweiten Rangliste gegenüber. Denn einen „Überschuss-Weltmeister“ beim Export (so der Spiegel zu Beginn des letzten Jahres), der mehr Waren aus- als einführt, können ein drohender Brexit ohne Deal sowie weltweite Handelskriege mit protektionistischen Maßnahmen nicht kalt lassen.

So rangiert erstmals auf Rang drei der Ranking-Tabelle für deutsche Unternehmen, was wie folgt durch das Risiko-Barometer benannt ist: Rechtliche Veränderungen (z.B. Wirtschaftssanktionen, Regierungsveränderungen, Protektionismus, Brexit, Zerfall der Euro-Zone). 35 Prozent aller Antworten deutscher Umfrageteilnehmer wurden hierfür errechnet. Vor einem Jahr waren es dagegen 10 Prozent weniger von der Gesamtzahl aller Antworten, weswegen dieses Risiko laut Barometer einen neuen Höchststand in Deutschland erreicht.

Weltweit hingegen sind Naturkatastrophen auf Rang drei der meistgenannten Risiken: Natural catastrophes (e.g. storm, flood, earthquake) erreichen 28 Prozent aller gegebenen Antworten. Dieser Unterschied zwischen der deutschen und der weltweiten Rangliste erklärt sich jedoch auch aus einem uneinheitlicheren Abstimmungsverhalten der Risikoexperten weltweit für die ersten fünf Ränge – denn zwar landen Natural catastrophes nur auf Rang vier bei deutschen Experten, jedoch ebenfalls mit 28 Prozent aller gegebenen Antworten.

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Das Risiko auf Rang drei für deutsche Experten erreicht weltweit mit Rang vier aber auch eine hohe Platzierung – und damit im Gesamtergebnis des Barometers ebenso einen neuen Höchstwert. Mit 27 Prozent aller Antworten gibt es für die Changes in legislation and regulation (e.g. trade wars and tariffs, economic sanctions, protectionism, Brexit, Euro-zone disintegration) sechs Prozentpunkte mehr im Verhältnis zu allen Antworten als im letztjährigen Risiko-Barometer.

Weltweit, aber nicht bei deutschen Unternehmen gefürchtet: Fachkräfte-Mangel und Klimawandel

Rang fünf der meistgenannten Risiken in Deutschland: Risiken, die durch neue Technologien ausgelöst werden. Die Antwortmöglichkeit des Barometers gibt als Urheber für Risiko-Szenarien vor: Auswirkungen der Vernetzung von Maschinen, Nanotechnologie, künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Drohnen. Dass die Zukunft derartiger Technologien nicht nur Gutes verheißt, wird an 20 Prozent aller gegebenen Antworten der deutschen Experten ersichtlich.

Mit 19 Prozent aller gegebenen Antworten stellt auch Feuer, Explosion ein relevantes Risiko dar und platziert sich auf Rang sechs der Top-Ten. Dahinter folgt, mit 17 Prozent aller gegebenen Antworten, die Angst vor Risiken durch Produktrückrufe, Fehler im Qualitätsmanagement/ Qualitätsmängel, Serienfehler. Hingegen Rang fünf des weltweiten Rankings (mit 23 Prozent aller gegebenen Antworten) nimmt in Deutschland nur Rang acht ein mit 17 Prozent aller Antworten – Risiken, die mit der Marktentwicklung verbunden sind (z. B. Volatilität, verstärkter Wettbewerb/ neue Wettbewerber, M&A, stagnierende Märkte, Marktfluktuation).

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Rang 9 im deutschen Abstimmungsergebnis betrifft das Reputationsrisiko, die Angst vor Ansehensverlust und Rufschädigung sowie Verlust des Markenwerts mit 13 Prozent aller gegebenen Antworten. Rang 10 wird bestimmt durch Risiken aufgrund makroökonomischer Entwicklungen (z.B. Sparprogramme, Anstieg der Rohstoffpreise, Deflation oder Inflation) mit neun Prozent aller Antworten. Bei der Wahl dieser Antwort könnten sich auch Auswirkungen des Niedrigzins zeigen – verdreifachte sich doch in Deutschland die Preissteigerungsrate aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, wie im Herbst letzten Jahres eine weitere Studie aus dem Hause der Allianz, der "Allianz Global Wealth Report 2018", zeigte.

Klimawandel: Nicht in den deutschen „Top Ten“

Auffallend an der deutschen Top Ten im Vergleich zum weltweiten Voting: Risiken des Klimawandels spielen für Sicherheitsexperten deutscher Unternehmen eine geringere Rolle. Im weltweiten Ranking nämlich nimmt Climate change/increasing volatility of weather Rang acht der Risiken ein mit 13 Prozent aller gegebenen Antworten. In Deutschland hingegen bringt es das Risiko, wie durch ein Fehlen in der Top Ten ersichtlich wird, nicht einmal auf neun Prozent. Zudem findet sich ein weiteres, weltweit häufig wahrgenommenes Risiko nicht in den deutschen Top Ten des Barometers: Der Fachkräftemangel. Im weltweiten Voting erreicht Shortage of skilled workforce 13 Prozent aller gegebenen Antworten. Für deutsche Experten hingegen scheint das Thema, trotz großer Medienpräsenz, nicht relevant.

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Hintergrund: Das "Allianz Risk Barometer 2019"

Beim „Allianz Risk Barometer 2019“ handelt es sich um das achte Risiko-Barometer aus dem Haus des Versicherers – um eine Umfrage unter Kunden des Allianz-eigenen Industrieversicherers Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) sowie unter Kunden weiterer Allianzgesellschaften, zudem unter Maklern, Risikoberatern, Schadenmanagern. 2.415 Experten aus 86 Ländern nahmen dieses Mal an der Umfrage teil, 172 davon kamen aus Deutschland. Die Teilnehmenden wurden nach den größten Risiken für je zwei Industriebereiche oder ihr Unternehmen befragt, je drei Risiken durften aus der vorgegebenen Liste ausgewählt werden. Prozentzahlen geben an, wie häufig ein Risiko im Verhältnis zu allen Antworten genannt wurde. Für die deutsche Stichprobe liegen insgesamt 238 Antworten zugrunde, für die gesamte Studie 2.882 Antworten. Ergebnisse der Studie können auf einer Seite der Allianz-Tochter AGCS abgerufen werden.

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