Es gelte, den Mitarbeitenden mehr Selbstorganisation zuzutrauen. Mehr unternehmerische Freiheit. Viel Kommunikation sei ein enormer Faktor. Timm Krieger (Signal-Iduna) gab einen Einblick in die Transformation in seinem Hause. 2000 von rund 5000 Mitarbeitenden wären bereits in den Veränderungseinheiten. Die Transformation sei kein Selbstzweck, es gelte, echten Mehrwert zu schaffen. Das Ziel sei: Kundenzentrierung auf allen Ebenen. Das Zauberwort laute „Agilität“. Agiles Mindset und agiles Arbeiten. Man habe crossfunktionale Teams zusammengestellt und dadurch Prozessdauern erheblich verkürzt. Die neue Struktur präge die Kultur in seinem Haus. Der Wandel habe demnach auch keinen Endpunkt.

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Ursula Clara Deschka leitet für die Ergo-Gruppe das Geschäft im Baltikum. Sie erlebe schon die Zukunft der Versicherungsbranche, erläuterte sie. Einen hohen Digitalisierungsgrad zum Beispiel. So arbeitete die Ergo im Baltikum komplett papierlos. Ohnehin sei das Baltikum komplett digitalisiert. Die Bürgerinnen und Bürger können alles digital machen, außer heiraten. Und selbst darüber werde nachgedacht. Sogar Gerichtsprozesse laufen digital. Das Thema „Employer Branding“ sei im Baltikum von extremer Bedeutung. Hintergrund ist die kurze Kündigungszeit von 10 Tagen. Deswegen sei die betriebliche Krankenversicherung auch weiterverbreitet als in Deutschland. Die Arbeitgeber müssten mehr tun, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Die Frauenquote ist mit 55% Frauen im Topmanagement deutlich höher als in Deutschland. Teilzeitquoten sind bei Männern und Frauen vor Ort gleich. 70% weibliche Vertriebsmitarbeitende gäbe es und kaum Meetings nach 16 Uhr, damit die Eltern die Kinder aus der Kita abholen können.

Maike Gruhn (CTO Gothaer) sieht in der Veränderungsfähigkeit einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Ein Organigramm alter Schule würde nur abbilden, wer führe und wer geführt wird. In einer klassischen Linienfunktion liege der Business-Fokus auf funktionaler Effizienz und Prozessoptimierung. Dies führe zu einem ‚Silodenken‘. Es gäbe lange Abstimmungszeiten und fehlende Innovationen. Das führe zum Risiko mangelnder Diversität und zu wenig Geschwindigkeit. Agile Transformation richte den Fokus dagegen auf effiziente Ende-zu-Ende Verantwortung. Es entstehe ein flexibler Rahmen mit selbstorganisierten Teams.

Spannungsfelder

Jens Wartekin (Vorstand HDI) sieht die Versicherer im Spannungsfeld zwischen dem Technologiesprung, der Regulatorik und dem ‚daily business‘. Was die neue Technologie angehe, so merkte Wartekin an, das die Branche schon diverse Innovationen überstanden habe. Das Internet an sich zum Beispiel oder die Fintechs. Nun sei die KI das Neueste. Und man werde auch das schaffen. Generative AI sei quasi über Nacht zu einem Massenphänomen geworden. Das biete neue Wertschöpfungspotentiale für Versicherungen. Bei aller Phantasie gäbe es aber auch regulative Probleme: Wie schütze man unternehmenseigenes geistiges Eigentum? Wie schütze man Urheberrechte Dritter und wie weise man eigentlich einen Diebstahl nach? Es müssen Entscheidungen über den grundsätzlichen Umgang mit GenAI getroffen werden.

Dr. Schneidemann von der Bayerischen sieht die Lebensversicherer im Spannungsfeld zwischen Rezession, ESG und Inflation. Der Inflation stelle sich sein Haus durch den Abbau stiller Lasten und eine Diversifikation in der Kapitalanlage. Dem Thema ESG sei man besonders durch die Gründung der Pangea Life begegnet. Außerdem habe man ein Nachhaltigkeitsressort eingerichtet und direkt beim Vorstandsvorsitzenden angedockt. Der Rezession begegne man durch einen Überflüssigkeitscheck und Prävention.

Prof. Dr. Frank Walthes (Vorsitzender des Vorstandes, Versicherungskammer Bayern) beklagte die zunehmende Regulierung. Wenn auch nicht generell, wie er ausdrücklich betonte. Grundsätzlich helfe Regulatorik bei der Wettbewerbsordnung. Allerdings sei die Dichte, der bürokratische Aufwand der Berichterstattung und die sich teilweise überlappenden Regularien ein Ärgernis. Alleine in der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) werden 1300 Punkte abgefragt, die berichtet werden müssten. Man müsse die Sinnfrage stellen, welches Ziel erreicht werden solle. Es stehe außer Frage, dass die Bedrohungen des Planeten ernst seien und das die Branche ihren Beitrag leisten müsse. Doch, welchen Weg schlage man ein? Marktwirtschaftliche Anreize seien wirksamer als Ver- oder Gebote. Es sei nicht damit getan, zu berichten und zu dokumentieren.

Oliver Schoeller ergänzte in diesem Zusammenhang, dass zum Beispiel die EU-Taxonomieverordnung zu streng sei. Man könne demnach nur in Unternehmen investieren, die bereits CO2-neutral sind. Und nicht in solche, die es werden wollen, die aber die Investitionen gut gebrauchen könnten. Was fehle, sei eine klar industriepolitische Linie in der EU.

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Plattformen spielen eine immer größere Rolle, sagt Patrick Dahmen von InsurLab Germany e.V. Sie seien nicht nur Technologie. Sondern ein „way of working“. Produkte, Pricing, Vertrieb, Footprint. Die Plattform bildet das Rückgrat des digitalen Geschäftsmodells. Es ermöglicht flexibele Arbeitsweisen unabhängig von Unternehmens- und Ländergrenzen. Kleinere Unternehmen, die nicht in der Lage sind, selber eine Plattform zu bauen, können sich zusammen tun. Dahmen sieht drei Handlungsempfehlungen für die Versicherer:

  • Konsequente Vertriebspartner- und Kundenzentrierung: Vom Vertriebspartner und Kunden aus denken
  • Einfache und wettbewerbsstarke Produkte, Prozesse und IT Stack: 100% digital, end-2-end Prozess-Design in einem modularen Set-up
  • Konsequente Daten-basierte Kundenansprache: z.B. KI-basierte Ansätze in Vertrieb, Underwriting und Schadenabwicklung.
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