Die Zeiten, in denen es in Versicherungen eine Abteilungsleitung „Schadensregulierung – Buchstabe M bis Z“ gab oder Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen, die Arbeitsanweisungen einfach nur technokratisch umsetzen, gehören heute in der Regel der Vergangenheit an. Die Realität der Operations bei Versicherungen sieht aktuell schon anders aus: Customer Experience (CX) und der Net Promoter Score (NPS) sind zu zentralen Zielen geworden. Die Effizienz wird durch die steigende Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse weiter vorangetrieben, und die klassische Sachbearbeiter-Rolle hat sich zum Kundenmanager für integrierte Services und Lösungen weiterentwickelt. Doch auch wenn wir schon viel Bewegung in der Branche sehen, die Transformation der Insurance-Operations hat gerade erst begonnen.

Anzeige

Markus ZimmermannMarkus Zimmermann... ist Leiter Strategieberatung Versicherungen bei Accenture (DACH).www.accenture.com

CX als zentraler Treiber der gesamten Kundenbeziehung

Für Kunden und Kundinnen ist deren Versicherung meist so lange unsichtbar, bis ein Schadenfall eintritt. Doch selbst die beste klassische Schadenregulierung wird in den kommenden Jahren nicht mehr ausreichen, um Versicherungsnehmer und Versicherungsnehmerinnen wirklich zufrieden zu stellen. Die Assekuranzen sind schon länger auf dem Weg, sich vom reinen „Bezahler“ hin zum umfassenden „Kümmerer“ zu wandeln. Doch das Engagement sollte sich hier keinesfalls nur auf die Services rund um den Schadeneintritt beschränken. „Kümmern“ bedeutet vielmehr, sich mit der gesamten Journey einer relevanten Lebenssituation oder relevanten Risiken der Kunden und Kundinnen zu beschäftigen: Von der Information und Prävention über praktische Hilfe im Schadenfall bis hin zur Wiederherstellung von erlittenen materiellen, körperlichen oder psychischen Schäden. Wer diese Teile der Customer Journey anderen Playern überlässt, wird sich als Versicherung über kurz oder lang von seiner strategischen Hoheit über die unmittelbare Kundenschnittstelle verabschieden müssen.

Anzeige

Und hier kommen die Service- und Schadenteams ins Spiel: Sie müssen konsequent dafür sorgen, dass die geleisteten Services möglichst breit und integriert stattfinden, dass relevante externe Servicepartner parat stehen und unkompliziert vermittelt werden. Sie sollen betroffene Kunden und Kundinnen bestmöglich bei finanziellen, organisatorischen und mentalen Herausforderungen unterstützen. Sie fungieren mit spürbarer Hilfe quasi als „Concierges“ für ihre Kunden und Kundinnen bei allen kleinen und großen Sorgen. Auf den ersten Blick klingt das einfach und logisch – ist aber in der Realität der heutigen Service- und Schadeneinheiten oft noch ein langer Weg, der neben allen prozessualen Innovationen auch ein verändertes Skillset und Mindset der Mitarbeitenden braucht.

Mensch und Maschine arbeiten stärker als je zuvor Hand in Hand

Die ersten Wellen der Prozessautomatisierung hatten einen klaren Fokus auf einfache und repetitive Aufgaben. Damit konnten sich die Mitarbeitenden in Service und Schaden mehr auf die komplexen Aufgabenstellungen und damit auf Effizienzeffekte in der Bearbeitung konzentrieren. Leider stand der Blick auf die tangiblen Kundenbedürfnisse dabei teils im Widerspruch zu typischen Effizienz- und Automatisierungszielen.

Die Digitalisierung und Automatisierung geht mittlerweile weit über die bisherigen Einsatzfelder und Effekte hinaus. Das liegt einerseits an der zunehmend intelligenten Automatisierung, die auch komplexere Geschäftsvorfälle übernehmen und damit neue Effizienzpotenziale heben kann. Ein zweiter Hebel liegt darin, dass sich mit intelligenten Operations ein neues Zusammenspiel von Mensch und Maschine organisieren lässt. Grundlegende fachliche Aktivitäten werden durch die Maschine vorbereitet bzw. erledigt. Die Kundenmanager und Kundenmanagerinnen wiederum können und müssen die so neu gewonnene Zeit für tangible Kundeninteraktionen und die Service-Orchestrierung verwenden. Zusätzlich werden sie von datengetriebenen Handlungsempfehlungen unterstützt und können sich voll auf die Interaktion mit ihren Kunden und Kundinnen konzentrieren.

Anzeige

Darüber hinaus gibt es eine dritte Wirkdimension durch datengetriebene Optimierung von Prozessen und Entscheidungen: Data-Mining gestützte Ansätze haben in den letzten Jahren erheblich an Relevanz für Service und Schaden gewonnen. Ein Trend, der sich in den nächsten Jahren noch deutlich beschleunigen wird. So lassen sich beispielsweise Ineffizienzen in der Bearbeitung von Geschäftsvorfalldaten treffgenau identifizieren und beheben. Bei den Schadenaufwänden können zusätzliche Hebel transparent werden, die beispielsweise Schadensteuerung und Partnermanagement verbessern können.

„Intelligente Operations“ bieten der Branche somit eine enorme Chance, denn der geschickte Einsatz von Prozessautomatisierung und Datenintelligenz kann traditionelle Zielkonflikte von Effizienz und Kundenorientierung nachhaltig auflösen.

Führung und Zusammenarbeit: Neue Skills – neue Profile – neue Modelle

Die Ausweitung des Leistungsspektrums über reine Tarifleistungen hinaus hat enorme Konsequenzen für die Servicierung eines Versicherers. Dazu braucht es natürlich auch neue Fähigkeiten innerhalb der Organisationen. Denn nur mit dem passenden Skill- und Mindset werden die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen Schaden schnell zu Service-Managern. Indem sie sich „kümmern“, orchestrieren sie alle notwendigen Schritte und begleiten Kunden und Kundinnen entlang einer integrierten Servicereise. Unerlässlich dafür: Mitarbeitende, die emphatisch und vollumfänglich auf Kunden und Kundinnen und ihre Bedürfnisse eingehen können und wollen.

Um diese integrierte Servicereise zu ermöglichen, braucht es unterschiedlichste Ökosystem-Partnerschaften, da eine Versicherung auch künftig nicht alle Leistungen selbst erbringen werden wird. Die Fähigkeit zum konsequenten Partnermanagement und zur Integration der entsprechenden Serviceprozesse ist daher ein weiterer entscheidender Skill-Baustein für neue Talente.

Zusätzlich gewinnen technisch orientierte Fähigkeiten neue Relevanz in den Operations: Die nächste Welle an Prozessautomatisierung und Digitalisierung bedeutet völlig neue Anforderungen an die Programmierung, Steuerung und Überwachung der intelligenten und datengetriebenen „Maschinen“. Für künftige Rollen in Prozessdesign und Prozessmanagement ist daher fachliches wie technologisches und Data Analytics Know-how essenziell, um zu verstehen, welche Art von intelligenter Automatisierung oder Unterstützung, für welchen Prozessschritt sinnvoll ist. Dabei kommt es darauf an, das richtige Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu definieren – also zu entscheiden, wann ein Geschäftsvorfall persönliche Interaktion mit der Kundenseite haben sollte, und wann es für die Kundenseite unerheblich ist, ob Mensch oder Maschine das Anliegen erledigen.

Um all diese Veränderungen zu managen, braucht es in den Operations eine grundlegende Weiterentwicklung von Führungs- und Zusammenarbeitsmodellen. Dies bedeutet einerseits einen Wandel von stark hierarchisch geführten Teams hin zu Service-Teams mit hoher Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Daneben gilt es, die Mitarbeitenden zu befähigen, dass sie ein Kundenanliegen ganzheitlich angehen und lösen können – also weg von internen Übergaben und Genehmigungsschleifen hin zu umfassend handlungsfähigen „Concierges“.

Moderne Operations als Erfolgsfaktor der kommenden Jahre

Der hohe Veränderungsdruck in der Versicherungsbranche verlangt eine konsequente Weiterentwicklung der Insurance Operations. Dies gilt insbesondere für die künftigen Skill- und Mindsets der Mitarbeitenden sowie für die intelligente Nutzung von Technologie und Data Analytics. Versicherer, die dies nicht beherzigen, unterliegen dem Risiko zunehmender Unsichtbarkeit und Austauschbarkeit.

Anzeige

Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Herausforderungen sogar zu einer stärkeren Konsolidierung bei der Erbringung künftiger Operation-Services führen werden. In jedem Fall sollten Versicherer die Modernisierung der Operations als echte Chance begreifen, nicht nur um die Weichen in ihrem Geschäfts- und Betriebsmodell in Richtung Zukunft zu stellen, sondern auch um ihre Relevanz bei den Kunden und Kundinnen nachhaltig zu stärken. Denn die Customer Experience in Service und Schaden wird künftig noch stärker über die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherungshäuser bestimmen als je zuvor.

Seite 1/2/

Anzeige