Für das Geschäftsjahr 2021 meldeten die deutschen Lebensversicherer 310.000 verkaufte Riester-Renten. Damit verzeichnete dieses Geschäftsfeld die höchsten Neuabschlüsse seit 2016. Und das, obwohl etliche Anbieter kein Riester-Neugeschäft mehr zeichneten. Auch die damalige Regierung konnte sich nicht durchringen, die eigenen Zusagen einzuhalten.

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Bis zum eben zum Neugeschäfts-Boom. Der kam aber nicht für alle Marktteilnehmer überraschend: „Es ist doch nur logisch, dass sich gerade Bürger mit niedrigen Einkommen und mit Kindern vor ‚Torschluss‘ einen Riester-Vertrag mit Zulagen gesichert haben. Denn allein mit den Zulagen lässt sich eine sehr attraktive jährliche Rendite erzielen“, so Alexandra Nussbaum, Vorständin beim Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV).

Dr. Helge Lach, der dem Verband und auch der DVAG vorsteht, sah im Neugeschäftserfolg der Riester-Rente einen Beleg für das ‚Erfolgsmodell Riester-Rente‘ (Versicherungsbote berichtete). Riester als Erfolgsmodell? Das muss natürlich einen anderen BdV auf den Plan rufen: Den Bund der Versicherten (BdV). Dessen Vorstandssprecher Axel Kleinlein hat ein erklärtes Ziel: Den Stopp der Riester-Rente.

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In einem Blog-Beitrag rechnet der ehemalige Aktuar vor, dass „unterm Strich mehr als die Hälfte des Riester-Neugeschäfts für größtenteils unsinnige Kündigungen drauf“ gegangen sei. Dabei stützt er sich auf folgende Zahlen: So gab der Bund Deutscher Vermögensberater an, dass seine Mitglieder 2021 145.000 Riester-Neuverträge geschrieben und damit eine Steigerung um 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreicht haben. Kleinlein zieht die Steigerung wieder ab und errechnet so, dass 2020 88.957 Neuverträge geschrieben worden sein müssen.

Rechnung richtig - basiert aber auf falschen Annahmen

Anschließend setzt er diese 88.957 Riester-Neuverträge aus 2020 in Beziehung zum Geschäftsbericht 2020 der DVAG. Dort heißt es, dass 2020 der Riester-Bestand um netto 39.238 Verträge ausgebaut worden sei. Kleinleins Folgerung: 49.719 DVAG-Kunden hätten ihren Riester-Vertrag gekündigt. Für den Verbraucherschützer ein klarer Beleg dafür, dass ein Vertrieb mit derartigen Abgängen am Bedarf der Kunden vorbei berät.

Rechnung richtig - basiert aber auf falschen Annahmen

Nun muss man dem Aktuar Kleinlein zugestehen, dass er richtig gerechnet hat. Allerdings ging er von falschen Annahmen aus. Denn nicht die DVAG, sondern die Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater haben die 145.000 Riester-Neuverträge geschrieben. Zwar gibt es enorme Überschneidungen zwischen dem Verband und der DVAG. Aber etwa 3.000 DVAG’ler sind gar kein Mitglied im Verband. Und, wie Vorstand Dr. Helge Lach gegenüber Versicherungsbote betonte, seien auch andere Allfinanzberater im Verband Mitglied - nicht ausschließlich solche von der DVAG. Die Übertragung der BDV-Zahlen auf die DVAG dürfte also allein deshalb schon scheitern.

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Hinzu kommt, dass wohl nicht jeder Abgang zwangsweise für eine Kündigung stehen muss. So schreibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf Anfrage von Versicherungsbote, was er unter 'Abgängen' versteht: „Abgänge sind Storno bzw. Todesfälle, aber auch abgefundene Renten (wenn die monatliche Rente unter 1% der sog. Bezugsgröße nach §18 SGB IV liegt - derzeit also unter 32,90 Euro).“ Eine Nachfrage bei Tim Wolff, der den BdV-Blog-Beitrag kommentierte, ergab allerdings, dass die DVAG in ihren Statistiken auch Verträge, die in die Leistungsphase wechseln, als 'Abgang' listet.

Das erneute Aufflammen der Debatte, ob die Riester-Rente nun Erfolg sei oder nicht, zeigt vor allem: Es mangelt an klaren, aussagekräftigen Zahlen: Wünschenswert wären zum Beispiel Angaben über die durchschnittlichen Einzahlungen, Laufzeit und Auszahlungen. Ein Blick in das Zahlenwerk des Bundesfinanzministeriums ist dabei wenig hilfreich. Denn dort werden ohnehin nur solche Verträge statistisch ausgewertet, die auch Förderung erhalten haben. Das trifft nicht per se auf jeden Riester-Vertrag zu und schon gar nicht auf solche, die in Verrentung sind. Davon gab es laut GDV 2020 etwa 290.000.

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