Wolfgang Kuckertz: Jeder kann die Norm frei anwenden und sich auf die Norm beziehen. Aber Achtung: bezieht man sich auf eine Norm, dann sollte man auch sehr genau wissen, was diese beinhaltet. Der Bezug stellt gegenüber dem Kunden ein „Versprechen“ dar, sich an die Norm zu halten. Daher ist eine Schulung zur Norm sicher sinnvoll. Erste Angebote wird es durch uns noch in diesem Jahr geben. In der Schulung nutzen wir auch gleich entsprechende Anwendungssoftware – alles andere wäre praxisfern. Die erste DIN-Analyse-Software wird in den kommenden Wochen wahrscheinlich durch Thinksurance an den Start gehen. Wenn man sich hat schulen lassen und eine entsprechende Software einsetzt, dann sollte man das auch eindeutig gegenüber Kunden, Juristen, Produktgebern und Mitarbeitern kommunizieren können. Die Zertifizierung wäre also der letzte logische Schritt. Erster Zertifizierer am Markt wird die Defino AG sein. Mit unserer Schulung kann man sich dann zur Zertifizierung anmelden.

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Können Vermittler bereits auf Tools zurückgreifen, die die Beratung nach der neuen DIN-Norm unterstützen? Sind hierfür vielleicht Kooperationen geplant?

Der erste Anbieter, mit dem wir kooperieren, wird Thinksurance sein. Weitere werden sicher folgen.

Wie wird eigentlich kontrolliert, ob die Vermittler tatsächlich qualitativ hochwertig nach DIN beraten? Gibt es eine Art Qualitätskontrolle und Instrumente, Verstöße zu sanktionieren?

Leider nein. Am Ende wird das der Markt regeln müssen. Zu behaupten, nach DIN zu analysieren und es dann nicht oder falsch zu tun, kann zum einen abgemahnt werden und führt zum anderen zu erheblichen Haftungsrisiken.

Eine oft vorgebrachte Kritik an standardisierten Verfahren: Diese verleiten den Beratenden auch dazu, einfach einen Fragenkatalog abzuarbeiten und gerade NICHT auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Kunden einzugehen. Aus Ihrer Sicht berechtigt?

Ein guter Berater mit einem guten Werkzeug kann hervorragende Leistungen erbringen. Die guten Berater, die ich kenne, bereiten sich auf Termine vor und machen häufiger vor Beratungen eine Checkliste, damit in der Beratung nichts vergessen wird. Wenn diese Checkliste standardisiert ist, dann ist das eine klare Hilfestellung. Man kommt eher über die Checkliste auf weitere Themenfelder, die man sonst übersehen würde. „Klebt“ ein Berater an seiner Liste, weil ihm die Souveränität und die Sachkunde fehlen, dann wird die Beratung sicher nicht gut werden. Ohne System würde das aber auch nicht besser.

…und wie kann man schon beim Erstellen der Standards erschweren bzw. verhindern, dass Vermittler einfach die Liste abarbeiten?

Durch Sachkunde, Vertrautheit mit Listen und den Systemen und Souveränität im Auftreten. Das gilt für alle Standards und Hilfsmittel.

Ein Beratungsstandard könnte auch den Boden bereiten, damit Chatbots und intelligente Sprachprogramme nach DIN-Norm zu Finanzen beraten. Wird bald Amazons Alexa diese Aufgabe übernehmen?

Irgendwann werden Analysen durch künstliche Intelligenz vorbereitet oder sogar übernommen werden. Das ist nur noch eine Frage der Zeit. Dass die eigentliche Beratung durch Chatbots durchgeführt wird, kann ich mir derzeit nur bei sehr einfachen Produkten vorstellen, und das Gewerbegeschäft gehört nicht dazu. Letztlich hilft so die künstliche Intelligenz unserer Branche, weil so schon vor dem ersten Kundentermin deutlich wird, wo Beratung notwendig ist und wo man die Ressourcen schonen kann. Wir haben im Finanzvertrieb ein Nachwuchsproblem, sodass in Zukunft die Versorgung aller Kunden ein Engpass sein wird. Wenn also Berater sich nach Erst-Analysen durch die Maschine auf die professionelle Beratung interessanter Kunden konzentrieren können, dann kann effizienter gearbeitet werden und das ist für alle Beteiligten von Vorteil.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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