Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) erkannte in ihrem Bericht Gesamtaufwendungen i.H.v. 38,7 Mrd. Euro für die Beitragsperiode 2021-2024 an. Für diesen Zeitraum wurde auch ein ungedeckter Finanzbedarf von insgesamt 1,5 Mrd. Euro festgestellt. Zum ersten Januar 2021 sollte deshalb der monatliche Rundfunkbeitrag um 86 Cent auf 18,36 Euro steigen. Daraus wird vorerst nichts, weil Sachsen-Anhalt blockiert. In diesem Beitrag widmet sich Versicherungsbote der Frage, welche Rolle dabei die Altersversorgung und der Niedrigzins spielen.

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KEF: Kritik am Vergütungsniveau

Die KEF kritisiert in ihrem Bericht den „deutlichen Vergütungsvorsprung aller Anstalten gegenüber dem öffentlichen Sektor“. In Summe wird deshalb der von den Rundfunkanstalten gemeldete Finanzbedarf für Personal um 60,3 Mio. Euro gekürzt. Im internen Vergleich der Sendeanstalten fallen BR, HR, SR, WDR und ZDF mit einem besonders hohen Vergütungsniveau auf. Im Bericht der Kommission heißt es dazu, man gehe davon aus, dass diese Anstalten „ihre überproportionalen Vergütungsniveaus […] korrigieren.“ Welche Zahlen sich konkret hinter der Formulierung „überproportionales Vergütungsniveau“ verbergen, kann man auf Tabellen der ARD nachlesen.

Tom Buhrow, WDR-Intendant und ARD-Vorsitzender, erhielt 2019 beispielsweise ein Jahresgehalt von 395.000 Euro, sein Intendanten-Kollege vom BR, Ulrich Wilhelm, bekam 388.000 Euro. Das hohe Gehaltsniveau setzt sich aber auch bei anderen Berufsgruppen innerhalb von ARD und ZDF fort. So gibt die ARD für als monatliche Grundvergütung für Redakteure die Spanne von 3.681 bis 10.728 Euro an. Ein Sachbearbeiter erhält bei den Landesrundfunkanstalten zwischen 2.711 und 5.915 Euro monatlich.

Nettoaufwand bAV: 2,4 Mrd. Euro

Doch die hohen Vergütungsstrukturen sind nicht das einzige Problem. Für den Zeitraum 2021 bis 2024 erkennt die KEF einen Nettoaufwand von 2.497,0 Mio. Euro für die betriebliche Altersversorgung (bAV) an. Der Bruttoaufwand betrage 2.944,7 Mio. €; von diesem wurden die bei den Anstalten anfallenden Erträge von 447,8 Mio. Euro abgezogen. In Relation zum gesamten Beitragsaufkommen belaufe sich der Nettoaufwand auf 8,0 Prozent, so die KEF in ihrem Bericht. Bliebe der Rundfunkbeitrag unverändert, wären das 16,80 Euro, die jeder Bürger über seinen Rundfunkbeitrag im Jahr allein für die Altersversorgung öffentlich-rechtlicher Beschäftigter zahlt.

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Beim Nettoaufwand für die betriebliche Altersversorgung (bAV) erkennt die KEF 66,9 Mio. Euro weniger an, als ARD, ZDF und Deutschlandradio angemeldet hatten. Der 1997 eingeführte zweckgebundene Beitragsanteil für die Altersversorgung (25 Cent) müsse deshalb neu verteilt werden. Diese Mittel stehen nicht zur Erfüllung der laufenden Aufgaben zur Verfügung, sondern werden den Deckungsstöcken als Zukunftsvorsorge zugeführt, so die KEF. Nötig ist das allemal, denn die Zinsschmelze trifft auch die Rundfunkanstalten.

Sinkende Zinserträge

Wie heftig die Zinsschmelze zuschlägt, zeigt sich u.a. daran, wie der Nettoaufwand für bAV steigt. Verglichen mit dem Zeitraum 2017 bis 2020 klettert er bis 2024 um 53,5 Mio. Euro. Die wesentliche Ursache dafür seien die weiter sinkenden Zinserträge, schreibt die KEF und macht das auch anhand folgender Zahlen deutlich. Angegeben sind die von der ARD jeweils angemeldeten Zinserträge:

  • zum 18. Bericht für 2013 bis 2016 auf 732,2 Mio. €,

  • zum 20. Bericht für 2017 bis 2020 auf 506,4 Mio. € sowie

  • zum 22. Bericht für 2021 bis 2024 auf nur noch 327,7 Mio. €.

Demgegenüber sei der Bruttoaufwand im Zeitraum 2013 bis 2024 auf annähernd gleichem Niveau. Diese „gedämpfte Entwicklung“ sei der Neuregelung der Altersversorgung und ersten Entlastungen aus den in der Vergangenheit gebildeten Deckungsstöcken zu verdanken.

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Bereits 2018 soll die Baden-Badener Pensionskasse (bbp), zu deren Mitgliedern unter anderem die ARD-Anstalten und Deutschlandradio zählen, die Eigenkapital-Anforderungen der BaFin nicht erfüllt haben. Seinerzeit wurden auch Neuregelungen bei Altersversorgung bei den Rundfunkanstalten von der Kommission angeregt. Inwieweit diese nun griffen, wurde mit Unterstützung eines externen Gutachtens geprüft: Demnach bewertet die Kommission insbesondere die Begrenzung der laufenden Steigerungen bei den Rentenzahlungen und die Vereinbarung eines neuen Beitragstarifvertrags positiv.

Dennoch steigen die Beiträge an die Pensionskassen wegen der auch dort wirkenden Niedrigzinsen überproportional an. „Der Mehraufwand kann aber im Gesamtaufwand für die Altersversorgung durch Entlastungen an anderer Stelle aufgefangen werden“, zeigte sich der KEF-Bericht zuversichtlich.

Trotz Gegenmaßnahmen geht der KEF-Bericht allerdings davon aus, dass bis 2024 eine Deckungsstocklücke in Höhe von rund 2,9 Mrd. Euro klafft.

Teure Altverträge

Die Altersversorgung der Landesrundfunkanstalten sind vielgestaltig. So umfasst sie Altverträge nach dem Altersversorgungstarifvertrag (TVA/VO) oder dem nur tendenziell günstigeren Versorgungstarifvertrag 1997 (VTV). Die TVA/VO-Verträge sind aber seit 1994 für Neuzugänge geschlossen. Das Verpflichtungsvolumen beläuft sich allein bei diesen Verträgen auf 8,4 Mrd. Euro. Was das konkret bedeutet? 2016 äußerte sich MDR-Intendantin Karola Wille zu ihren Pensionsansprüchen. Je länger sie ihren Job mache, desto mehr Rente könne sie als Ruhestandssalär erwarten, erklärte Wille – maximal 75 Prozent ihres letzten Grundgehalts. Da sie derzeit 275.000 Euro im Jahr verdiene, habe sie Anspruch auf eine Rente von 17.187 Euro monatlich. Nicht ganz so üppig dürften die Altersbezüge von Tagesschau-Moderator Jan Hofer ausfallen, der am Montag, den 14.12.2020, zum letzten Mal die Hauptnachrichten-Sendung der ARD moderiert.

Seit 1994 werden Neueinstellungen über Pensionskassen versichert. Das abgedeckte Verpflichtungsvolumen bei diesen Verträgen beträgt 2,5 Mrd. Euro. Aber: Seit 2012 haben sich die Deckungsrückstellungen verdoppelt. Und damit steigen die Prämien an bbp erheblich:

  • 2009-2012 zahlten ARD und Deutschlandradio 223,0 Mio. Euro Prämien
  • 2013-2016 belief sich die Summe auf 335,3 Mio. Euro
  • 2017-2020 wurden 500,4 Mio. Euro Prämien gezahlt
  • 2021-2024 sind 763,7 Mio. Euro fällig

Den hohen Anstieg von fast 270 Mio. Euro führt der KEF-Bericht auf die sinkenden Zinsen zurück. Der Rechnungszins der bbp lag zu Jahresbeginn 2020 noch bei 3,5 Prozent. Vor dem Hintergrund der schwierigen Kapitalmarktlage wurde das Gründungsstockdarlehen um 56 Mio. Euro erhöht.

Rechnungszins wird abgesenkt

Weitere Maßnahme der Pensionskassen: Der Rechnungszins wird stufenweise abgesenkt. 2020 auf 2,75 Prozent, 2023 auf 2,25 Prozent und 2025 auf 1,75 Prozent. Bis 2024 entstehen allein aus diesen Absenkungen Mehrbedarfe i.H.v. 170 Mio. Euro. Aus heutiger Sicht seien diese Absenkungen des Rechnungszinses "marktgerecht" schreibt die KEF. Das Beratungshaus WillisTowersWatson gibt den durchschnittlichen Rechnungszins aller Pensionskassen in Deutschland mit knapp 2,9 Prozent an. Andere Pensionskassen stehen deutlich mehr unter Druck. So zog die Allianz bei ihrer Pensionskasse die Reißleine für das Neugeschäft. Ganz ähnlich bei der Caritas-Pensionskasse. Die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) kürzte Leistungen und senkte Zinsen. Die BaFin sah gar das ganze Geschäftsmodell Pensionskasse in Schwierigkeiten. Und erst im Sommer 2020 wurde bekannt, dass auch die Pensionskasse der Sparkassen in Schieflage geraten ist.

Ausblick: „Lückenstopfen“ geht weiter

Das Personalbudget der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird aber nicht nur von der bereits erwähnten Pensionskasse belastet. Für ihre Freien Mitarbeiter zahlen die Rundfunkanstalten auch in die Pensionskasse Rundfunk (PKR) ein: Grundsätzlich einen Beitrag von 7 Prozent der Honorareinkünfte. Auch im Versorgungswerk der Presse können Freie Mitarbeiter Mitglied werden. Die direkt an diese Einrichtungen gezahlten Beiträge beliefen sich 2017-2020 auf insgesamt 94,2 Mio. Euro. Für den Zeitraum 2021-2024 geht der KEF-Bericht von 101,6 Mio. Euro aus. Doch aufgepasst! Die Beiträge, die mittelbar über Produktionsfirmen an die Versorgungseinrichtungen gezahlt werden, werden von den Sendeanstalten nicht gesondert erfasst. Und das, obwohl die Beitragspflicht der Anstalten bereits 2016 erweitert wurde. Seitdem erstatten die Anstalten bei voll­ und teilfinanzierten Auftragsproduktionen die PKR­-Beiträge zu 100 Prozent. Bei Fernseh­-Koproduktionen und geförderten Produktionen teilen sich Anstalten und Produktionsunternehmen die Beiträge zur PKR je nach Höhe ihres Finanzierungsanteils.

Eine Ende des „Lückenstopfens“ ist allerdings nicht in Sicht: Das ZDF wies bereits auf „erhebliche Mehrbedarfe durch die versicherungsmathematische Berechnung der Beihilferückstellungen“ hin. Die von der KEF anerkannten Mittel für den Aufbau eines Beihilfe­ Deckungsstocks von 8,5 Mio. p.a. von 2017 bis 2024 seien schon jetzt nicht mehr ausreichend.

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Diesen Hinweis nahm die KEF zum Anlass, die Anstalten um eine umfassende Bestandsaufnahme im Bereich der Beihilfen zu bitten. Das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme wird dann voraussichtlich im 23. Bericht der Kommission nachzulesen sein.

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