Kaum eine Unternehmenspleite erregte im letzten Jahr so viel Aufsehen wie jene des Reiseveranstalters Thomas Cook. Am 25. September 2019 musste der traditionsreiche Tourismus-Anbieter Insolvenz anmelden, viele Reisende, aber auch Subunternehmer und Hotelbetreiber blieben auf ihren Kosten sitzen. Allein in Deutschland hatten rund 220.000 Touristen geplante Reisen voll oder teilweise angezahlt, ohne sie antreten zu können.

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Auch der Bund wollte geschädigte Pauschaltouristen entschädigen - zumindest die Lücke, für die der private Insolvenzversicherer Zurich nicht einspringt. Denn ganze 110 Millionen Euro müssen die Reiseanbieter in Deutschland bisher für den Fall ihrer Insolvenz versichern, die Ansprüche wurden auf mehr als 500 Millionen Euro geschätzt. Viele Kundinnen und Kunden wären auf großen Teilen ihrer Kosten sitzen geblieben.

Bisher erst 5.000 Geschädigte ausgezahlt

Diese Situation war nun Anlass für die Grünen im Bundestag, eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen, wie viele Touristen bisher entschädigt werden konnten. Die Antwort ist eher ernüchternd. Zwar seien rund 68.000 Anträge auf eine Ausgleichszahlung im Bundesjustizministerium eingegangen. Doch ausgezahlt wurden bisher nur rund 5.000 Betroffene. Bei 18.000 weiteren Anträgen fehlten derzeit noch notwendige Angaben, die die Antragsteller nachreichen müssten. Über die Zahlen berichtet am Montag die Deutsche Presse-Agentur (dpa-AFX).

Für die Grünen sind die Zahlen ein Beleg, dass die Betroffenen nicht schnell und reibungslos auf ihr Geld hoffen können, manche gar ganz leer auszugehen drohen: weil das Prozedere von Antrag und Prüfung durchaus komplex ist, wie auch die Bundesregierung eingestehen musste. “Die Entschädigung der Thomas-Cook-Kunden darf jetzt nicht an bürokratischen Hürden scheitern“, kommentiert folglich Markus Tressel, tourismuspolitischen Sprecher der Partei.

Bis zum 15. November haben Betroffene noch Zeit, sich auf dem Thomas-Cook-Portal des Bundes zu registrieren. Die Grünen fordern nun eine Verlängerung der Frist. Damit die Betroffenen auf Geld des Bundes hoffen können, müssen sie zuvor ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter und beim Versicherer Zurich angemeldet haben: Viele könnten davon überfordert sein.

Haftungsdeckel fragwürdig

Dass die Bundesregierung im Dezember 2019 beschloss, für den Fehlbetrag Geschädigter aufzukommen, war aber nicht ganz freiwillig. Stichwort Deckelung: Hat der Gesetzgeber die EU-Richtlinie für Insolvenzschutz ungenügend in deutsches Recht übersetzt, muss der Staat haften. Diesbezüglich hatte der Bundesrat bereits im Jahr 2016 gewarnt, die Haftung für Pauschalreisen reiche nicht annähernd aus.

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Grund ist besagter Haftungs-Deckel von 110 Millionen Euro, der in keinem anderen EU-Land derart existiert: Große Insolvenzen lassen sich damit nicht auffangen, so die damalige Warnung des Bundesrates. Auch ein Rechtsgutachten im Auftrag der Zurich kam zu dem Ergebnis, dass eine Staatshaftung wahrscheinlich sei.

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