Frau Mettraux, Sie sind neue Geschäftsführerin des Assekuradeurs OCC, der Versicherungen für Liebhaber alter Autos, Kaufberatung und Gutachten zur Wertermittlung bietet. Zunächst die Frage: Wie kommen Sie zu diesem Spezialversicherer: braucht man dafür ein „Auto-Gen“? Sind Sie vielleicht selbst Oldtimer-Fan?

Anzeige

Vielleicht kein spezielles Auto-Gen, aber eine gewisse Leidenschaft für Versicherungen, Digitalisierung und natürlich Fahrzeuge. Ich mag Oldtimer, bin auch schon öfter auf Rallyes mitgefahren. Diese Autos stammen oft aus einer Zeit, die man persönlich nicht miterlebt hat. Die Materialien sind heute anders, die Anmutung, die Wertigkeit, die Motoren. Vielleicht sind Oldtimer auch ein Weg, der hektischen Zeit, in der wir leben, etwas zu entfliehen. Und die Langsamkeit und Gelassenheit wieder zu entdecken. Gewissenmaßen zu entschleunigen.

Der deutsche Kfz-Versicherungsmarkt gilt als hart umkämpft und ist die größte Sparte in der Schaden- und Unfallversicherung mit einer Vielzahl von Anbietern. Das spiegelt sich in einem erbitterten Preiskampf, wo Anbieter sogar Verluste zugunsten eines hohen Bestandes dulden. Wie sieht der Markt speziell mit Blick auf Oldtimer-Versicherungen aus? Hier ist die Zielgruppe ja kleiner.



Der Anbieter mit den besten Produkten setzt sich durch. Die Zielgruppe ist spitzer, trotz allem ist Markt lukrativ, wenn man die Schadenquoten zum Maßstab nimmt. Oldtimerbesitzer pflegen ihre Autos, fahren nur wenige Kilometer pro Jahr, sorgen für ausreichend Schutz vor Diebstählen - deswegen können wir ihnen faire Prämien und einen guten Schutz anbieten, bei der Regulierung von Schäden sind wir kulanter, als es vielleicht eine normale KFZ-Versicherung sein kann. Das wird von den Versicherungsnehmern honoriert, auch weil sie erkennen, dass wir Teil der Szene sind. Deshalb ist OCC auch der führende Anbieter von Versicherungslösungen für klassische Liebhaberfahrzeuge in der D-A-CH-Region.

Sie wollen OCC stärker digitalisieren, waren zuvor bei InsurTechs tätig, haben unter anderem das Start-Up Simpego mit aufgebaut. Nun ist es kein Widerspruch, Oldtimermarkt und Digitalisierung zusammenzudenken: Die Szene ist im Netz aktiv, dort werden Ersatzteile recherchiert, Treffen organisiert etc. Welche Pläne haben Sie konkret für die Digitalstrategie von OCC?



OCC wird digital, ohne unseren bewährten Status als der Spezialist bei der Versicherung von klassischen Fahrzeugen aufzugeben. Künftig werden wir drei Produkt-Streams anbieten. Neben Online wird es ein Klassikprodukt und ein Angebot für Sammlungen geben. Vor allem in urbanen Regionen wird die Nachfrage mehr und mehr von 35- bis 40-Jährigen geprägt, die Klassiker jetzt schick und trendy finden. Ich spreche da nicht vom Porsche 959 für 1 Million Euro, sondern von dem Fahrzeug, das die Großeltern oder der Onkel fuhren. Auch die Kunden der VW-Bully-Bewegung sind durchaus internetaffin. Diese Menschen wollen ein Versicherungsprodukt, das einfach ist. Dafür entwickeln wir gerade digitale Lösungen. Wir sind überzeugt, dass online auch für Oldtimer funktioniert.



Die Kfz-Versicherung ist das online am meisten verkaufte Versicherungsprodukt. Nun müssen Oldtimer-Policen aber auf Modell und Zielgruppe zugeschnitten sein, sind weniger standardisiert. Gibt es Grenzen beim Vertrieb von Oldtimer-Policen, etwa beim Bewerten des Zustandes? Oder anders gefragt: Wie viel Direktvertrieb ist hier möglich?



Besonders individuelle Fahrzeuge mit entsprechender Historie und Originalität haben eine andere Wertigkeit, jüngere Fahrzeuge mit hohen KW-Leistungen oder individuelle Tuningfahrzeuge kann man in der Regel noch nicht online anbieten. Dies sind nicht mehr als 20 bis 30 Prozent aller angefragten Fahrzeuge. Unser Ziel als OCC ist es, künftig 60 - 70 % der angefragten Fahrzeuge über die Onlinestrecke anzubieten und dies sukzessive zu erweitern.


Die OCC Assekuradeur GmbH ist selbst als Versicherungsvertreter registriert, kooperiert aber auch, wenn ich richtig informiert bin, mit anderen Vermittlern. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Können auch Makler auf Sie zukommen?

Anzeige

Im Alltag besteht unser Geschäft zu einem Drittel mit der Zusammenarbeit mit Maklern, zu einem Drittel über den Außendienst der beteiligten Organisationen und zu einem Drittel als Direktvermittlung. Selbstverständlich können auch neue Makler auf uns zukommen.

...viele Fahrzeuge sind immer noch im Erstbesitz

Versicherungsbote: Seit Mai 2018 ist die Provinzial Nordwest Mehrheitseigner bei den beiden OCC-Gesellschaften. Können Sie uns einen Einblick liefern, wie die Zusammenarbeit aussieht? Und wie sichern Sie Ihre Eigenständigkeit?

Désirée Mettraux: Wir sind sehr dankbar, mit der Provinzial Nordwest einen starken und zuverlässigen Partner gefunden zu haben. Im Alltag sieht die Zusammenarbeit so aus: Wir entwickeln und vertreiben die OCC-Versicherungsprodukte, die Versicherung selbst läuft über ein Konsortium von namhaften Versicherern unter Führung der Provinzial, die sogenannte Mitversichertengemeinschaft. Diese reguliert dann auch Schäden. 
Im Alltag sind wir also völlig frei und eigenständig.

Anzeige

Wie hat sich der Oldtimer-Markt in den letzten Jahren entwickelt? Werden mehr alte Autos nachgefragt, z.B. als Wertanlage infolge des Niedrigzinses?
…und wie wird er sich in den kommenden Jahren entwickeln? Wagen Sie eine Prognose?

Für Fahrzeuge mit hohen Stückzahlen hat sich der Wert im Durchschnitt seit 2017 reduziert, bei einigen Modellen sogar teilweise fast halbiert. Allerdings sind Fahrzeuge mit überdurchschnittlichem Zustand, besonderer lückenloser Historie oder Originalität oder Modelle mit geringen Stückzahlen häufig sehr begehrt und steigen auch weiterhin im Wert. Im Durchschnitt werden die Fahrzeugwerte konstant bleiben. Der Markt für Vorkriegsfahrzeuge oder sogenannte Brot- und Butter-Fahrzeuge der 50er Jahre wird vermutlich rückläufig werden. Es werden vermehrt Youngtimer und werdende Klassiker angefragt, weil diese Fahrzeuge bei vielen Käufern Kindheitserinnerungen wecken.



Laut Umfrage von Kantar TNS haben sechs von zehn Oldtimer-Besitzern ihren Oldie mit einer „herkömmlichen“ Kfz-Versicherung versichert und kein spezielles Kennzeichen. Das verwundert zunächst. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe hierfür? Sind die Vorgaben mit Blick auf Fahrleistung etc. zu restriktiv?



Ältere Fahrzeuge werden in der Regel nicht mehr als 5.000 km in Deutschland und in Österreich sogar weniger als 1.000 km pro Jahr gefahren. Daran sehen Sie, dass wir die Regeln nicht als zu restriktiv beurteilen, zumal OCC bis zu einer Jahresfahrleistung von 10.000 km pro Jahr versichern kann. Im Durchschnitt fahren die Menschen in Deutschland etwa 13.900 km im Jahr, so eine Statistik des Kraftfahrtbundesamtes. Der Klassiker dagegen wird meistens nicht im Alltag gefahren, bei schlechtem Wetter sowieso nicht, so dass sich die geringere Nutzung auch erklären lässt.

Der Grund, dass viele ältere Fahrzeuge, die schon Youngtimer oder gar Oldtimerstatus haben, trotzdem in einer normalen Versicherung verbleiben, ist simpel: Diese Fahrzeuge sind meistens immer noch im Erstbesitz, wurden im Alltag genutzt und danach behalten, ohne den Versicherer zu wechseln, obwohl das Fahrzeug nicht mehr im Alltag genutzt wird. Oft aus Unwissenheit, manchmal sicher auch aus Bequemlichkeit. 


Zudem wissen viele Kunden und Vermittler nicht, dass es mit der Maximalentschädigung im Schadenfall auch bei ehemaligen Alltagshelden wie einem Golf I GTI problematisch wird. Bei normaler Versicherung wird maximal der ehemalige Neuwert entschädigt von z.B. 19.000 DM (9.714 Euro) . Gute Golf I GTI kosten heute zwischen 16 - 20.000 Euro im Durchschnitt als Wiederbeschaffungswert, das heißt bei Totalschaden oder Diebstahl hat der Kunde ein Problem, sich zu dieser Entschädigung ein vergleichbares Fahrzeug wiederzubeschaffen. 



Sie versichern auch Youngtimer und sogar Newtimer: letztere sind noch keine 20 Jahre alt. Naiv gefragt: Wieso braucht es für diese Fahrzeuge eine spezielle Versicherung? Und unter welchen Bedingungen — wenn das Auto unter dem Aspekt des Wertzuwachses erstanden wurde?

Weil diese Fahrzeuge durchaus Potential haben. Immer mehr Newtimer und Youngtimer laufen in Haushalten als Zweitfahrzeug oder Liebhaberfahrzeug in einer Spezialversicherung, weil sie ohne Schadenfreiheitrabatt preislich in der Versicherung sehr attraktiv sind.


Wie gestaltet sich denn der Wertzuwachs bei Newtimern? Können Sie Beispiele nennen?




Als der BMW Z8 auf den Markt kam, hatte er einen Neuwagenpreis von 122.700 Euro. Heute erzielen Exemplare des nur 5503 Mal gebauten Roadsters mindestens 140.300 Euro – 189.700 Euro. 
Zu den Fahrzeugen, deren Wert nicht fällt, sondern kontinuierlich steigt, gehören auch Mercedes G 500 Cabrio (463), Audi A2 (8Z), Audi RS4 Avant (B5), BMW Z3 M Coupé, BMW M3 CSL (E46), VW Golf IV R32, Porsche 911 (996) GT2 oder GT3.

Anzeige

Die Fragen stellte Mirko Wenig

Seite 1/2/

Anzeige